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Das Regal mit den geraubten Bücher. Foto: Simon Karger

NS-Raubgut in der Stabi

Was passiert mit den Büchern, die während der NS-Zeit Verfolgten geraubt wurden? Darum kümmert sich heute ein Projekt der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.

Von Gast

Der Frühlingsausbruch in Hamburg Eimsbüttel ist an diesem Tag im Magazinturm der Staats- und Universitätsbibliothek Carl-von-Ossietzky nicht zu bemerken. Volker Cirsovius-Ratzlaff führt uns in den zwölften Stock des Bücherturms. In den Fahrstuhl passen gerade vier Leute, schon nach wenigen Sekunden öffnet sich die Tür. Es ist kühl und dunkel. Hier haben nur einige wenige Mitarbeiter der Stabi Zugang. Denn hier befinden sich wertvolle Bücher und Sondersammlungen. Zudem beherbergt der zwölfte Stock einen weiteren besonderen Bestand, der erst seit 1999 vollständig erforscht wird. Es handelt sich um NS-Raubgut. Bücher, die die Nazis zwischen 1933 – 1945 vor allem von Hamburger Juden und Juden, die über Hamburg emigriert sind, geraubt haben. „Die Staatsbilbiothek konnte sich aus den beschlagnahmten Büchern aussuchen, was Sie brauchte, um ihre Regale aufzufüllen. Einiges wurde auch als verbotene Literatur geführt“, erklärt Provenienzforscher Volker Cirsovius-Ratzlaff.

„Von der Gestapo Hamburg überwiesen“

Die Zugangsbücher. Foto: Simon Karger
Die Zugangsbücher. Foto: Simon Karger

Der NS-Raubgut-Bestand der Stabi Hamburg befand sich lange Zeit als Gebrauchsliteratur zwischen den anderen Büchern. Volker Cirsovius-Ratzlaff ist seit 2009 für das NS-Raubgut-Projekt der Stabi angestellt. Er ist Historiker und arbeitet mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen an der Suche nach den Eigentümern der gestohlenen Bücher. 1998 wurde die Washingtoner Erklärung unterzeichnet, in der sich die Mitgliedstaaten dazu bereiterklärt haben, in allen öffentlichen Einrichtungen nach NS-Raubgut zu suchen. „Seither bemüht sich auch die Stabi für sämtliche Raubgutfunde die Besitzverhältnisse zu klären, und eine Einigung über den Verbleib der Bücher zu erzielen“, berichtet  Volker Cirsovius-Ratzlaff. Er klappt ein Buch auf und zeigt den roten, eingeklebten Zettel: „Von der Gestapo Hamburg überwiesen.“

Aufkleber der Gestapo, Foto: Simon Karger
Aufkleber der Gestapo, Foto: Simon Karger

Derselbe Hinweis befindet sich auch in den großen handgeschriebenen Zugangsbüchern von 1933-1945. Darin sind genau die Quellen der Bücher verzeichnet, beispielsweise von der „Geheimem Staatspolizei“. Es gibt auch andere Anzeichen für geraubte Bücher. Beispielsweise sollte für ein Buch mit einer Widmung zur Bar Mitzwa überprüft werden, wie es in die Stabi gelangt ist.

Aufwändige Suche nach Hinterbliebenen

Wenn festgestellt wurde, dass es sich um Raubgut handelt, ist es an Volker Cirsovius-Ratzlaffs herauszufinden, wem das Buch ursprünglich gehörte und den Besitzer oder dessen Familie ausfindig zu machen. Dazu führt er auch genealogische Studien im Staatsarchiv Hamburg durch oder arbeitet mit anderen Institutionen im Ausland wie der „Commision for Looted Art“ zusammen. Meistens sind die Nachfahren von NS-Opfern über die ganze Welt verstreut.

„Die Bibliothek der Familie Helene und Ignaz Petschek konnten wir im Sommer letzten Jahres zuordnen und restituieren. Über eine zentrale Buchverteilungsstelle in Berlin ist diese Bibliothek nach Hamburg gekommen, “ erzählt Volker Cirsovius-Ratzlaff. Foto: Simon Karger
Über eine zentrale Buchverteilungsstelle in Berlin ist diese Bibliothek Familie Helene und Ignaz Petschek damals nach Hamburg gekommen. Foto: Simon Karger

Dann folgt der sensibelste Teil: die Kontaktaufnahme. Das Projektteam versucht Menschen oder Institutionen zu finden, um zu den Personen vertrauensvollen Kontakt aufnehmen zu können. In der Regel reagieren die Menschen positiv überrascht, wenn sie von den Funden erfahren. Meistens wissen sie gar nicht, dass es noch Besitztümer ihrer Verwandten gibt. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass die Menschen, den Kontakt zu dem staatlichen Betrieb rundweg abgelehnt haben. “Es gibt ein gewisses Misstrauen, was wollen die und ist das überhaupt echt?  Da muss erst mal Vertrauen hergestellt werden, um diese Zweifel auszuräumen“, sagt Volker Cirsovius-Ratzlaff.

Schon 500 Bücher zurückgegeben

Bücher mit persönlicher Widmung möchten die Erben oft bei sich haben, während die übrigen Bestände durchaus in der Staatsbibliothek verbleiben dürfen oder an andere Kultureinrichtungen weitergegeben werden. Es geht bei dem Projekt nicht um Sachwert oder Inhalt der Bücher, sondern um den persönlichen Wert für die Hinterbliebenen.

Volker Cirsovius-Ratzlaff zeigt eines der gestohlenen Bücher
Volker Cirsovius-Ratzlaff zeigt eines der gestohlenen Bücher

Das Projekt läuft  noch ein weiteres Jahr lang. Auf Volker Cirsovius-Ratzlaff und seine Kolleginnen warten noch 200 Bücher, bei denen der Vorbesitzer ermittelt werden muss. Bisher konnten dank des Projektes in 20 Fällen etwa 500 Bücher zurückgegeben werden.  „Wann das Projekt abgeschlossen sein wird, lässt sich schwer sagen. Jeder einzelne Vorbesitzer hat seine eigene Geschichte. Das lässt sich daher nicht zeitlich vorhersagen“, so Volker Cirsovius-Ratzlaff

Info

Provenienz: Vorbesitzer eines Schriftstücks


Restitution: Rückgabe der gestohlenen Bücher


Washingtoner Erklärung: Mitgliedstaaten erklären sich bereit, in öffentlichen Einrichtungen nach NS-Raubgut zu suchen und dieses zurückzugeben

Dieser Text ist im Rahmen des HAW-Seminars “Social Media and Innovation” entstanden. Autorenteam: Ermeline Jaggi, Simon Karger und Doreen Kirschner

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