
„Recyclehero“ in Eimsbüttel: So wird Mode nachhaltig
„Recyclehero“ verwertet Mode – bis zur letzten Faser. Für die Umwelt: Denn Secondhand ist nachhaltig. Mit dem Lastenrad auf Eimsbüttel-Tour.
Von Christian LitzMethfesselstraße, nahe dem Kreisverkehr am oberen Ende der Osterstraße: Viktoria Greif ist gerade zugezogen aus Lokstedt und da war die Gelegenheit, die es nicht oft gibt im Leben: Sie konnte, nein, sie musste den Kleiderschrank ausmisten.
Im Schrank hingen schöne Sachen. Hingen und hingen. Jahrelang. „Das blaue Sommerkleid, schön.“ Kurz wirkt die Szene so, als würde sie es wieder aus der Tüte ziehen. Nein. „Ich ziehe es einfach nicht mehr an.“
Die Geschichte mit der Kleidung
Es hat schon den Umzug aus Berlin mitgemacht. Schien für immer in den Schränken von Viktoria Greif zu hängen. Bis Donnerstag, 3. März 2022, 10:16 Uhr. Da änderte sich alles.
Lutz Kock hat einen Parkplatz für sein Liegelastenrad gefunden. Der Recyclehero holt Kleider von Viktoria Greif ab. Sachen, die in Hamburg gekauft wurden, sollen in Hamburg weiterverwertet werden.
Recyclehero Lutz Kock sagt: „Wenn man ab heute keine neue Kleidung mehr produzieren würde, könnten wir noch 30 Jahre ohne Neuware auskommen.“ Mit „Wir“ meint er Deutschland.
Es gibt zu viel und ständig neues. Während der Herstellung eines T-Shirts werden 4.100 Liter Wasser verbraucht und viel Chemie, sagt die Caritas. Es wird in China hergestellt und nach Deutschland transportiert. Die Geschichte ist ja bekannt.
Nachhaltige Klamotten? Schwer, aber machbar
Was Recyclehero gerade einführt ist ein Verfahren, das für Nachhaltigkeit sorgt. Nachhaltigkeit im Bereich Kleidung ist besonders schwer, denn es gibt viel davon. Sie wird meist in der Ferne produziert, ist billig. Kleidung wird meist unter miesen Bedingungen hergestellt. Zwar mit Siegeln, aber doch unkontrolliert.

Einer der Gründer von Recyclehero, Alessandro Cocco, sagt: “Unser Ziel ist es deswegen, Kleidung mit guter Qualität möglichst lange in der Nutzung zu behalten.”
Lutz Kock hat Routine. Er nimmt die beiden Tüten, die Viktoria Greif ihm gibt, sagt: „fünf Kilo“. Und legt sie in den Fahrrad-Kasten. Das Gewicht spielt keine Rolle, nichts wird bezahlt.
„Recyclehero“ schickt nicht nach Afrika
Aber: Recyclehero darf nicht zu viel einsammeln. Wegen des Platzes, den die Firma zur Zeit zur Verfügung hat. Sie fahren drei Touren die Wochen, sammeln dabei etwa eine Tonne. Normale Verwerter sammeln acht bis 80 Tonnen am Tag ein. „Wir wollen langsam wachsen“, sagt Lutz Kock.
Recyclehero ist eine GmbH, keine Stiftung, ein Start-up, keine gemeinnützige Einrichtung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter holen Altglas, Altpapier, Pfandflaschen und seit kurzem Kleider klimafreundlich mit dem E-Rad.
Das Pfand investieren sie in Wärmflaschen, die sie Obdachlosen geben. Die bekommen auch gesammelte Kleidung. Das Fahrrad, das Lutz Kock heute fährt, war im Winter warme Suppe ausfahren.
Nachhaltig heißt möglichst regional
Es gehe um Nachhaltigkeit in Hamburg. Auch bei der Kleidung: „Wir sammeln nicht, um nach Afrika zu schicken.“ Wobei sich nicht alles verwerten lässt und Recyclehero am Ende an die Caritas oder die Diakonie gibt zum Weiterverwerten. Nur extrem verschmutzte oder kaputte Kleidung entsorgt die Firma final.

Richtig nachhaltig sei, Sachen wieder kaufbar zu machen, nicht weit zu transportieren. Möglichst regional soll verwertet werden.
Szenenwechsel: Stresemannstraße, ein Schanzen-Hinterhof. Recyclehero, die am Grindelhof sitzen, haben hier eine große Garage voller Säcke voller Altkleider voller Möglichkeiten und voller Hoffnung.
Mit Wissen und Auge für Marken
Britta Kronacher von Recyclehero hat von Lutz Kock übernommen. Der bekam Abholtermine auf sein Smartphone gespielt.
In der Garage sortieren Lucy, Stina und eben Britta Kronacher. Wichtig ist, die drei kennen Marken, wissen, was in ist, was Creme ist. „Ein Fachausdruck“, sagt Britta Kronacher. Steht für 1A-Ware.
Sie sortieren und haben im Hinterkopf: Creme holen schicke Läden selbst ab, handpicking ist der Branchenausdruck dafür. Für Handpicking bezahlen die Boutiquen.
Up-Cycling, Secondhand, viele Wege
Dann gibt es gute Ware, die holen Secondhand-Läden. Beides wird auf Gestelle gehängt und hängt nie lange. Wenn doch, kommt die Ware in einen Sack. Es gibt Säcke für Flohmarkthändler. Säcke für Down-Cycling-Firmen. Die entstehen gerade überall, Hamburg hat einige. Sie machen Neues aus Altem, stören sich manchmal nicht an einem Loch oder Flecken.

Die drei von der Sortierstelle müssen wissen, welche Stoffe und Farben gerade gerne weiterverarbeitet werden.
Altkleider sind „Big Business“. Deutsche Secondhand Stores kaufen meist in Italien. Die Ware in Italien stammt aus Kleidersammlungen in Deutschland. Der Transport hin und her, „sinnlos“, so Britta Kronacher. Es gehe darum, Wege kurzzuhalten.
Ein Sack Vintage-Anoraks auf Risiko
Onlinehändler bekommen Säcke mit Sachen, die für sie noch verkaufbar sind. Muss alles tip-top sein, aber nicht cremig und nicht hypermodisch. Die kaufen auf Risiko, für wenig Geld, aber mit Sachen drin, die vielleicht verkaufbar sind, vielleicht nicht.
Händler bestellen einen Sack Vintage-Anoraks und verkaufen eben nicht alle davon. Gehen drei von zehn sei es ein Geschäft.
Zur Zeit hat Recyclehero noch Extra-Säcke, in die warme Sachen kommen, die an Hilfsorganisationen für die Ukraine gehen. „Wir arbeiten mit Hanesatic Help“, Britta Kronacher deutet in die Ecke mit den blauen Säcken.
Am Ende lauert ein Reißer in Polen
Lucy zieht eine Flusenbürste über ein schwarzes Jäckchen, von dem alle drei wissen, das geht online.
Sie wissen, welche Ware für Reißer gut ist. Das sind Firmen, meist in Polen, die reißen Stoffe in Faser. Die werden zu Lappen, Handtüchern, Malervlies.

Die drei reden, zeigen sich Sachen, immer wieder taucht eine Marke auf, die nur eine kennt. Sie studieren eingenähte Waschanleitungen, finden was, das eigentlich Creme ist, aber wahrscheinlich selbstgenäht. Lucy geht zu einem vollen Sack, holt was raus, „das würde mir auch passen“. Vielleicht nehme sie es mit.
Jobs, Jobs, Jobs für Mode-Fachkräfte
Lutz Kock kommt mit dem Lastenrad, parkt es im Hof neben dem Sprinter, der voller Klamotten ist. Muss noch sortiert werden. Zurzeit sucht Recyclehero Lastenradfahrer und, bevor der Sprinter platzt, Leute, die sich mit Mode auskennen, um Kleiderberge sinnvoll zu sortieren.
Mehr als die Hälfter der Kleider werde wieder verkauft, einges geht gemeinnützig weiter. Der Rest solle so klein wie möglich sein. Das blaue Kleid von Viktoria Greif, Creme, das wird in einer schicken Boutique hängen.
Nachhaltigkeit in Serie
Mit dem Fahrrad holt Recyclehero Altkleider in Eimsbüttel ab und sorgt für nachhaltiges Wiederverwerten bis zur letzten Faser. Der Text ist Teil der Serie „Sustainbüttel“, die zeigt, was in Eimsbüttel gerade passiert in Sachen Nachhaltigkeit. Mit Eimsbütteler Unternehmern sprechen wir über Themen wie Aufforsten, Inklusion und kürzere Lieferwege.
Alle Artikel der Serie „Sustainbüttel – Nachhaltige Wirtschaft in Eimsbüttel“ im Überblick:
Mehr über die lokale Wirtschaft im Viertel auch im Eimsbütteler Nachrichten Magazin #25.