
Überlebenschance bei 20 Prozent: „Logo“ vor dem Aus
Corona hat dem Musikclub „Logo“ den Stecker gezogen. Jetzt plant Inhaber Eberhard Gugel das Ende der Eimsbütteler Institution. Über ein langes Bangen und die Clubszene vor dem Umbruch.
Von Alana Tongers„Wir wissen nicht, wie es weitergeht“ – seit Wochen prangt dieser Satz an der Fassade des Eimsbütteler Musikclubs Logo. Er soll die einfache Antwort auf all die komplizierten Fragen sein, die Inhaber Eberhard Gugel seit Beginn der Pandemie von Agenturen, Gästen und seinen Mitarbeitern überrennen: Finden in diesem Jahr Konzerte statt? Was passiert mit unseren Jobs? Wann öffnet ihr wieder? Öffnet ihr je wieder?
Gugel weiß es nicht. Seit 1994 führt er das Logo, hat es zur festen Größe in der deutschen Clubszene gemacht. Auf der Bühne standen schon Oasis, Rammstein, die junge Gwen Stefani mit No Doubt und Slipknot. Es spielten aber auch Newcomer und Lokalmatadoren wie Tocotronic und Das Pack. Vornehmlich Bands aus dem Hardcore- und Metalbereich. Doch es ist leise um den sonst so lauten Club geworden.
„Logo“ fällt durch die Raster
Seit dem 12. März sind die Türen des Logo geschlossen. Haut an Haut mit fremden Menschen, gemeinsam tanzen, singen und schwitzen in kleinen Clubs – Corona lässt die einst normalen Nächte in „Hamburgs lautester Sauna“ utopisch erscheinen. Zurück zum Normalbetrieb ginge es nur mit Impfstoff, sagt Gugel. Und wann der kommt, weiß niemand. Zwei, vielleicht drei Jahre, vermutet er.
Es ist die ungewisse Zukunft einer ganzen Branche, die das Ende des Logo immer wahrscheinlicher macht. „Wir haben eine zwanzigprozentige Überlebenschance“, konkretisiert der 64-jährige Clubbetreiber. Weitermachen, das ginge nur mit Fördergeldern. Das Problem des Logo: Es fällt durch viele Raster.
Das Dilemma der Fördergelder
20.000 Euro hat Eberhard Gugel von der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) bereits erhalten. Doch während andere Clubs zusätzlich Geld vom Rettungsschirm der Kulturbehörde bekommen, falle das Logo nicht darunter. „Weil wir die letzten Jahre zu gut gewirtschaftet haben“, so Gugel. Zu viel Geld auf dem Konto, gute Rücklagen – dafür bestrafe ihn jetzt das System.
Gugel hat vollstes Verständnis für die politischen Eindämmungsmaßnahmen. Auch er würde seinen Laden nicht öffnen wollen. Gerade deshalb brauche die Szene Unterstützung: Die Stadt solle die monatlichen Betriebskosten aller Hamburger Musikclubs übernehmen, findet Gugel. 15.000 Euro sind das momentan beim Logo – 180.000 Euro im Jahr. Verglichen mit den Förderungen der staatlichen Theater und Konzerthäuser sei das Kleingeld. „In den Köpfen der Politiker sind wir nach wie vor Krach“, ärgert sich der Clubbetreiber. Seine Devise: Entweder müsse man Kultur gleich fördern oder gar nicht.
„Zeigen Sie mir, wie man einen Toten wiederbelebt“
In der Bezirksversammlung haben sich die Eimsbütteler Linken mit einem Antrag für Gugels Forderungen eingesetzt. „Das Logo ist der Ausbildungsbetrieb für junge Bands in Hamburg“, so Roland Wiegmann, Fraktionsvorsitzender. Das mache den Club besonders unterstützenswert. Er warf dem Bezirk vor, Gelder an anderen Stellen nicht auszugeben – bis sie verfallen und es fürs Logo zu spät sei. „Zeigen Sie mir, wie man einen Toten wiederbelebt“, kritisierte Wiegmann lautstark.
Von den anderen Fraktionen gab es zwar grundsätzlich Sympathien für das Vorhaben – eine Förderung für einen einzelnen Betrieb sei aber in der Form nicht möglich. Der Antrag mache dem Logo falsche Hoffnungen, warf Ali Mir Agha, Fraktionsvorsitzender der Grünen den Linken vor: „Wir wollen jede Unterstützung gewähren, wenn es rechtlich möglich ist.“
Grundstücksverkauf rückt näher
Der Antrag der Linken wurde abgelehnt – ein seichterer Alternativantrag mit der Mehrheit von Grünen und CDU angenommen. Damit soll geprüft werden, ob Clubs Rücklagen einbehalten und trotzdem gefördert werden können. Außerdem sollen Livestreams finanziell unterstützt werden.
An der Situation des Logo dürfte das wenig ändern. Eigentlich war es Eberhard Gugels Plan, den Club bis er 70 ist weiterzubetreiben und dann in jüngere Hände abzugeben. Doch Corona hat das Ende bedrohlich nahe rücken lassen. „Ich denke ernsthaft darüber nach, das Grundstück zu verkaufen.“ Noch länger warten, sein Privatvermögen im Club versenken – das alles erscheint ihm wenig sinnvoll. Er sei bereits im Gespräch mit Investoren, auch wenn es ihm schwerfalle.
„Fußwippen ist das Tanzen von heute“
Die Hamburger Clubszene stehe vor einschneidenden Veränderungen, prophezeit Gugel. „Ich habe das Gefühl, dass alle etablierten Clubs wegsterben und es dann eine neue Clubkultur geben wird.“ Für ihn sei dann aber Schluss. Eine „Lite-Version“ des Logo mit Sitzplätzen, Abstand und Akustikmusik an einem anderen Standort – weder aus seiner Perspektive als Geschäftsmann, noch aus der des Musikliebhabers kommt das in Frage. „Ich habe die Tische und Stühle hier rausgetragen, als ich den Laden übernommen habe – die bringe ich nicht wieder rein“, sagt er entschlossen.
Vielleicht habe sich sein Verständnis von Konzerten überholt. „Fußwippen ist das Tanzen von heute“, sagt Gugel nachdenklich. Aber bestuhlte Konzerte mit bedachtem Kopfnicken statt Headbangen und Moshpit, das sollen die anderen machen.