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Viel Technik. Foto: tc
Viel Technik. Foto: tc

Abschiedsbesuch im Bunker

Es war eine letzte Gelegenheit: Der Luftschutzbunker in der Methfesselstraße soll abgerissen werden. Die Eimsbütteler Nachrichten konnten noch einmal hinter die dicken Mauern des Weltkriegsbaus schauen.

Von Anja von Bihl
Nachbarn seit mehr als 70 Jahren. Foto: Anja von Bihl
Nachbarn seit mehr als 70 Jahren. Foto: Anja von Bihl

Stefan Neuhaus von der Eigentümerfirma Otto Wulff Projektentwicklung hat für eine Handvoll Geschichtsbegeisterter „seinen“ Bunker geöffnet. Die ersten Informationen gibt es, als wir noch vor den einen Meter dicken Außenmauern des Betonklotzes stehen: Der Bunker wurde 1941-42 erbaut, und zwar oberirdisch, weil der Untergrund zu feucht war. Kostenpunkt: 600.000 Reichsmark. Er war für 877 Personen zugelassen, doch bei Luftangriffen waren sicherlich über 1.000 Menschen drin. Eigentlich sind es zwei Gebäude in einem, getrennt durch eine 80 Zentimeter dicke Mauer. Den Grund nennt Ronald Rossig vom Verein „unter hamburg“: „Hätte eine Bombe den Bunker getroffen, hätte so zumindest die Hälfte der dort untergekommenen Menschen eine Chance gehabt, am Leben zu bleiben.“

Und dann die Überraschung

„Nichts von dem, was Sie jetzt hier drinnen sehen, stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg,“ sagt Stefan Neuhaus. Wie das? In den 1960er Jahren, also während des Kalten Krieges, wurde der Bunker komplett entkernt und auf die damaligen Vorstellungen von einem Atombunker umgerüstet. Diese kamen zu der Zeit sehr in Mode und sollten ein sicheres Gefühl vermitteln. Nach dem Umbau hätte der „atomsichere“ Unterschlupf, bedingt durch die umfangreiche Technik, nur noch 600 Menschen gefasst.

Ohne diese Information hätten wir gar nicht verstanden, was wir als erstes nach dem Eintritt durch die luftdicht schließende Stahltür sehen: den bescheiden als Rettungsraum bezeichneten Bereich. Hier hätten ankommende Atomangriffsflüchtlinge mit Chemikalien und einer Dusche aus einem riesigen Wassertank dekontaminiert werden können. Erst dann sollten sie in die allgemeinen Räume gelassen werden.

Fabrikneue Einrichtung

Dorthin gehen wir jetzt auch, zum Glück unter friedlicheren Bedingungen. Der Strom im Bunker ist mittlerweile gekappt, manche Technik schon ausgebaut. Noch intakt sind Leitstreifen an der Wand, die wir nicht anfassen sollen: Die Farbe enthält strahlende Partikel.

Alle Räume sind kleiner, als ich sie mir vorgestellt habe. Der erste Liegeraum, den wir sehen, fasst mehrere Reihen sehr schmaler Metallbetten in drei Etagen übereinander.

Nie benutzt. Foto: tc
Nie benutzt. Foto: tc

Geschlafen werden sollte im Ernstfall in drei Schichten, die Betten wären so rund um die Uhr belegt gewesen. Die anderen sollten inzwischen auf Sitzbänken aus Holz mit hohen Nackenlehnen Platz finden. Alle Möbel wurden natürlich nie benutzt und sehen ganz neu aus.

Fünf Stockwerke zum Überleben

Wir steigen viele steile, aber recht breite Betontreppen an diesem Freitagnachmittag. In den insgesamt fünf Etagen wiederholt sich die Einrichtung: Kammern mit Betten, Sitzbänke überall in den Fluren, auf jedem Stockwerk Toiletten, ordentlich in „Frauen“ und „Männer“ unterteilt. Alles ist sauber beschriftet, alle Wände sind weiß gestrichen, es sollte wohl alles vermieden werden, was die ohnehin in Angst und Schrecken hierher Geflüchteten noch weiter in Panik versetzen könnte.

In einem recht kleinen Raum hatte der Bunkerwart sein Hauptquartier – hier steht sogar noch eine Stereoanlage im Stil der 80er Jahre. Damit konnte beruhigende Musik ins Gebäude gesendet werden, und sie war für Durchsagen eingerichtet. Auch Radio aus der Außenwelt sollte man empfangen können – das war aber nicht für die Menschen drinnen zum Mithören gedacht. Lediglich der Bunkerwart sollte wissen, wie die Lage draußen war.

Technologie der 60er Jahre

Eine Küche mit einem riesigen Suppenkessel und daneben einem Kessel für Heißgetränke sehen wir, die Bedienungsknöpfe wirken nach unserem heutigen Standard überaus klobig und solide. Gekocht und gegessen werden sollten Konserven, dafür war ein ganzer Lagerraum mit Regalen vorgesehen. Auch ein Vorrat an sauber eingewickelten Toilettenpapierrollen sollte angelegt werden, einige liegen tatsächlich herum.

Ganz oben unter dem 1,50 Meter dicken Dach hängen über die ganze Breite Wassertanks für die Toilettenspülung, mit Rohren, die in alle Etagen führen. Es gibt auch eine ausgeklügelte Fäkalienpumpenanlage, die mit der Hand bedient werden kann. Alles sollte in die Kanalisation fließen, im Notfall auch einfach nur nach draußen.

Auf der anderen Seite wieder herunter

Im fünften Stock des Bunkers zwängen wir uns durch eine achtzig Zentimeter tiefe, enge kleine Luke, die beidseitig mit einer Stahltür zu verschließen ist. Denn bisher haben wir ja erst den einen der beiden Zwillingsbunker gesehen. Treppab geht es, die Räume sind uns schon von der anderen Seite vertraut, nur ist alles spiegelverkehrt.

Das Herz des Bunkers

Sechs-Zylinder-Diesel. Foto: tc
Sechs-Zylinder-Diesel. Foto: tc

Wieder unten treffen wir auf einen riesigen grün gestrichenen Dieselmotor, das Herzstück des ganzen Doppelbunkers. Baujahr 1962,  sechs Zylinder, die wohl in der Stunde zwanzig Liter Diesel verbrauchen. Er ist mit 150 kW so leistungsfähig, dass er leicht ein Küstenmotorschiff hätte antreiben können. Der Motor sollte Lüftung und Kühlung antreiben. Denn wenn einige hundert Menschen auf so engem Raum zusammen sind, wird die Luft schnell dick und man gerät ins Schwitzen. Die Frischluft für die Belüftungsanlage sollte von draußen kommen, angesaugt durch eine dicke Schicht ganz feinen Sandes, um die nukleare Belastung auszufiltern.

Und was, wenn der vorhandene Dieseltank dann leer wäre, woher gäbe es Nachschub? Das war nicht vorgesehen, denn, so Ronald Rossig: „Der Aufenthalt im Bunker war auf vierzehn Tage begrenzt. Und dann sollten die Menschen herausgeholt und aus Deutschland evakuiert werden, nach Dänemark und vielleicht weiter nach Norwegen.“ Und weiter führt er aus, dass Ballungsräume mit 200.000 Bewohnern sowieso als nicht evakuierbar galten. Auf uns heute wirkt das unrealistisch und makaber, denn damit wäre Hamburg ja eigentlich mit einem traurigen Achselzucken erledigt gewesen, vierzehn Tage im Atombunker hin oder her.

Einlasskontrolle

Vor dem Ausgang können wir durch ein sehr kleines Fensterchen durch die einen Meter dicke Außenmauer sehen. Der Blick fällt auf zwei im Winkel zueinander angebrachte Spiegel. Vor dem Guckloch eine Sprechanlage. Hier sollte der Bunkerwart neu ankommende Flüchtlinge befragen und begutachten, um dann per Knopfdruck die Stahltür zu öffnen und die Menschen in die Dekontaminierung eintreten zu lassen.

Überhaupt: Wer durfte eigentlich in den Bunker? „Wer zuerst kam,“ sagt Ronald Rossig, „eine Begünstigung von VIPs war nicht vorgesehen.“

Zum Glück ist es zu all dem nicht gekommen. Doch bis ins Jahr 2009 war die gesamte Technik noch funktionsfähig, lief zum Teil noch und wurde, wenn auch in wachsenden Abständen, immer noch gewartet. Erst dann war Schluss. Und in Kürze sollen an der Stelle des Bunkers Wohnungen entstehen.

[cycloneslider id=“2014-03-18-bunkerbesichtigung“]

Fotos: tc

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