Im Fokus der Linse
Thomas Gottschalk, Sybille Berg, Udo Lindenberg, Diana Krall – Anatol Kotte hatte schon viele berühmte Gesichter vor der Linse. Der Wahl-Hamburger lichtet Promis und Politiker in seinem Studio im Grindelhof ab.
Von Eimsbütteler Nachrichten„Wir machen heute kein Porträt“ – ein Satz, den Porträtfotografen ungern hören. Doch mit diesen Worten begrüßte Angela Merkel vor zwölf Jahren Anatol Kotte. Trotz ihrer „extrem schlechten Laune“, wie Kotte Jahre später erzählt, gelang ihm ein ikonisches Foto der damaligen Bundeskanzlerin – in nur zweieinhalb Minuten.
Regen und (Blitzlicht)gewitter
Kotte, 61 Jahre alt, sitzt an einem gewittrigen Nachmittag in seinem Studio im Grindelhof. „Ich brauche nicht viel Zeit für ein Porträt”, erzählt er. Wenn jemand in Eile ist, kommt ihm das entgegen. In der Regel hat er eine grobe Idee für das Bild im Kopf und steuert darauf zu. „Da ist noch Platz für Spontanität, aber nicht viel. Ich glaube nicht, dass es besser wird, je mehr Zeit man hat.”
Der Regen prasselt auf die Oberlichter und zeigt, wie turbulent es draußen ist. Hier im loftartigen Studio im Hinterhof ist es gemütlich. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken: Fotografien und Bücher, kleine persönliche Andenken, alte Kameras und Objektive, Miniatur-Autos und Motorradhelme – dazu ein knalloranges Telefon mit Schnur und Wählscheibe. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten: Kottes Büro und das ganze Studio sind wie eine kleine Zeitreise. Hier könnte man ein paar Stunden verbringen und hätte nicht jedes Detail erfasst.
Vom Großen Burstah in den Grindelhof
Der gebürtige Hesse entdeckte früh seine Leidenschaft für die Fotografie. Mit 18 Jahren startete er als Fotoassistent in der Werbebranche durch und machte sich 1988 selbstständig. Er begann seine Karriere mit Porträtfotografie, später zog es ihn in die Werbewelt, wo er vor allem Autos ablichtete. Sein großes Talent: Autos und Menschen in einem Motiv zu vereinen. „Das gab es damals kaum, entweder konnten Fotografen Autos in Szene setzen oder Menschen.“ Die Jobs wurden größer, die Kunden namhafter. Irgendwann war er 300 Tage im Jahr unterwegs – knipste in Berlin, München, Barcelona, aber auch in Argentinien oder China.
Der immense Workload trieb ihn 2014 in einen Burnout. Im Krankenhaus kam der Sinneswandel, Kotte besann sich zurück auf seine Wurzeln: Porträtfotografie. Fortan lockte er wieder mehr das Besondere aus Politikern und Promis heraus und immer weniger aus Autos.
Anatol Kotte lebt seit 1992 in Hamburg. Sein erstes eigenes Studio inklusive Galeriefläche war im Großen Burstah in der Altstadt Hamburgs, mit hohen Decken, Eichendielen und Fenstern zum Kanal hin. Als er 2004 spontan ausziehen musste, machte ihn seine Managerin auf die unscheinbaren Räume in einem Hinterhof des Grindelviertels aufmerksam. „Früher bauten hier jüdische Geschäftsleute Kutschen und später Autos, vor mir war jahrzehntelang ein Buchbinder drin.“ Auf eigene Kosten wandelte er die großräumige Fläche in ein gemütliches Loft inklusive Fotostudio um.
In der Nachbarschaft verwurzelt
Das Grindelviertel schätzt er wegen seiner Unaufgeregtheit. Manchmal sei es fast schon ländlich. „Wenn ich vor die Tür gehe, grüße ich bekannte Gesichter.“
Viele noch bekanntere Gesichter lichtete Kotte bereits in seinem Studio ab: Angelique Kerber, Michael Ballack, Thomas Gottschalk, Johannes B. Kerner, Judith Rakers, Linda Zervakis und viele mehr. Auf dem Weg in seine Räumlichkeiten müssen seine Gäste durch den Innenhof und am kultigen Musikladen „Plattenrille“ vorbei. Einige machten nach dem Shooting ein Abstecher ins Vinyl-Paradies. „Einmal habe ich den legendären Jazz-Gitarristen Al Di Meola fotografiert und ihn danach nochmal in die ‚Plattenrille‘ geschickt. Die Besitzer flippten vor Freude total aus und kramten jegliche Platten von ihm hervor, damit er sie signiert.“
Wie geht es weiter?
In diesem Jahr feiert sein Studio im Grindel 20. Geburtstag. Wie lange er noch hier bleibt, weiß Anatol Kotte nicht. Dass der Umzug ins Grindelviertel die richtige Entscheidung war, dessen ist er sich aber sicher: „Ich dachte früher, ich müsste unbedingt ins Schulterblatt, wo andere namhafte Fotografen ihre Studios hatten. Aber ich bin heilfroh, dass ich hier gelandet bin.“
Text: Erik Klügling
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