Zwölf Apostel für Eimsbüttel
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Apostelkirche auf einer freien Wiese erbaut. Heute liegt sie mitten im Herzen von Eimsbüttel. Auffällig sind der abgeflachte Kirchturm, der verglaste Eingang an der Seite und der Altar im Obergeschoss. Doch das ist längst nicht alles.
Von Jannika GrimmEin seltener Sommertag in Hamburg. Der blaue Himmel spiegelt sich im großen, runden Kirchenfenster der Apostelkirche. Der unübliche Eingang an der Seite des Kirchenschiffes ist verglast. Unten befindet sich nicht, wie in anderen Kirchen, der Kirchensaal, sondern ein Foyer und Gruppenräume für verschiedene Veranstaltungen. Eine Etage höher ist der Altarraum. Nach Holzbänken sucht man vergeblich. Gepolsterte Stühle stehen in einer Reihe. „Der Kirchensaal kann durch die beweglichen Stühle zu jeder Zeit anders aussehen“, sagt Gundula Döring. Seit ungefähr zwei Jahren gehört sie zum sechsköpfigen Pastorenteam in Eimsbüttel. Der Kern des Christentums liegt für sie darin, nicht nur zu essen, zu trinken, zu schlafen und in den Urlaub zu fahren, sondern nach dem Sinn des Lebens zu fragen. „Diese Frage hat in jeder Religion Platz – nicht nur im Christentum.“
Das Besondere an der Kirche sind die zwölf Apostel aus dem 20. Jahrhundert. „Apostel gibt es zu jeder Zeit. Im Sinne von Glaubenszeugen, die vorbildlich gelebt haben.“ Dazu zählen zum Beispiel Sophie Scholl, Martin Luther King oder Herrmann Stöhr, der als einer der ersten Männer den Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg verweigerte. Die Kirche wurde 1894 erbaut und brannte 1977 komplett aus. Im darauffolgenden Jahr begann der Wiederaufbau. „Damals traf man eine sehr mutige Entscheidung“, sagt Döring. Die 68er-Bewegung hatte die Gesellschaft stark verändert und der Architekt entwickelte ein anderes Kirchenbild. „Das Seitenschiff hat man geöffnet, was ein Zeichen der Öffnung gegenüber der Welt sein soll“, erklärt Döring. Im Turm befinden sich heute die Büros. Es wurde eine Zwischendecke eingebaut. Um in den Altarraum zu kommen, müssen die Gläubigen in den ersten Stock gehen. Ein neues modernes Kirchenbild wurde mit dem Neubau der Apostelkirche geschaffen.
Nach Jesus-Abbildungen sucht man in der Apostelkirche vergeblich
Der Kirchensaal fällt besonders auf. Der Raum wirkt nach allen Seiten offen. Rechts und links sind große Glasfenster, die ohne die typischen Kirchenfenster auskommen. Die Decke scheint kein Ende zu kennen. Und auch die weiße Orgel hinter den Stühlen scheint zu schweben. Die Stühle können jederzeit verrückt werden. Somit kann der Saal an die Bedürfnisse der Gemeinde angepasst werden. Der Alter besteht aus Glastischen. Dahinter zu sehen sind die zwölf Apostel. Kein Jesus, der am Kreuz hängt, keine hölzerne geschnitzte Kanzel. Und auch das Taufbecken passt sich seiner Umgebung an. Der Stein, aus dem das Becken entstanden ist, kommt aus Israel. Eingemeißelt ist der See Genezareth.
Die Kirchengemeinde Eimsbüttel engagiert sich durch verschiedene Projekte im Bezirk. Neben der Flüchtlingsarbeit gibt es ein Jugendberatungszentrum und ein wöchentliches Friedensgebet. Auch der Dialog mit anderen Religionen liegt der Kirchengemeinde am Herzen. „Seit der Jahrtausendwende findet ein interreligiöses Silvesterfest mit mindestens fünf verschiedenen Religionen in der Christuskirche statt,“ sagt Döring. Jedes Jahr gibt es ein Motto und jede Religion spricht über die Bedeutung des Mottos in ihrem Glauben. Zudem gibt es offene Meditationsangebote. Die spirituelle Praxis wird häufig dem Buddhismus zugeordnet. In der Christuskirche ist es auch möglich, an Schweigemeditationen teilzunehmen.
Religion soll verbinden
Für Gundula Döring wäre es ein Trübnis, wenn der Ausdruck Gott nur noch mit Gewalttaten in Verbindung gebracht würde. Für sie wäre es nicht denkbar, eine Verbindung zu Gott aufzubauen, wenn wir selber keine Verbindung zueinander hätten. „Religion könnte heutzutage eine entscheidende Rolle einnehmen, allerdings nur, wenn sie nicht fundamentalistisch handelt und sich über andere stellt.“ Für viele Menschen gehöre der Glaube zum Alltag dazu und habe einen entscheidenden Stellenwert. Es liege an uns, was wir daraus machen. „So eine Stadt wie Hamburg bietet viele Möglichkeiten dazu. Ein Raum mit vielen verschiedenen Religionen.“
Mehr Kultur.