Schatten der Vergangenheit: Ungelöste Verbrechen in Eimsbüttel
Es gibt Orte in Eimsbüttel, die wir täglich passieren, ohne zu wissen, welche Geheimnisse sie hüten. Viele von ihnen wurden nie gelüftet. Ein Spaziergang durch Eimsbüttels Tatorte.
Von Lilly PalmbachDie gestohlenen Diamanten – Johnsallee, 1977
Geschäftlich läuft es gut für Willi W. Der 42 Jahre alte Schmuckhändler ist auch als Diamanten-Willi bekannt. Im September 1977 reist er zu einer Messe nach Hamburg. Tagsüber bewirbt und verkauft er Schmuck am Messestand, abends kehrt er mit seiner Frau und zwei Angestellten ins Hotel Vorbach in Rotherbaum ein.
Dort werden sie alles andere als herzlich empfangen: Drei Personen überfallen die Hotelgäste, bedrohen sie mit einer Waffe und fordern sie auf, die Koffer herauszugeben, die sie bei sich tragen. Einem der Angestellten von Willi W. rammen die Räuber eine Spritze in den Arm, vermutlich mit Betäubungsmittel gefüllt, dann schnappen sie die vier Koffer und verschwinden mit einem gestohlenen Auto.
Drei der Koffer sind mit Schmuck im Wert von drei Millionen Mark gefüllt. Der vierte enthält die Tageseinnahmen: 65.000 Mark in bar und einen Scheck über 25.000 Mark.
In Stellingen finden die Ermittler einen Tag nach dem Überfall leere Schmuckschatullen, einen Koffer, eine Handtasche und zwei Schmuckstücke. Die Suche nach den Tätern bleibt hingegen erfolglos.
Die Kriminalpolizei ist sich sicher, dass die Täter Insiderwissen hatten. Willi W. hilft das nicht – er steht nach dem Überfall vor dem geschäftlichen Aus. Die Beute war wohl nur mit 500.000 Mark versichert.
Die bequemen Räuber – Osterstraße, 1977
Als am 20. September gegen drei Uhr zwei Räuber in die Bank für Gemeinwirtschaft an der Osterstraße einsteigen, haben sie nur ein Ziel: den Tresor knacken.
Weil die Banken von Geldinstituten damals noch nicht alarmgesichert sind, können die Räuber es sich bequem machen und abwarten.
Kurz vor acht Uhr kommt Filialleiter Wilfried B. in seine Filiale – und blickt in den Lauf einer Schrotflinte. Die Eindringlinge zwingen ihn, den Alarm des Tresors auszuschalten und den Schlüssel herauszugeben. Als drei weitere Angestellte in die Bank kommen, fesseln die Täter sie und rauben in aller Ruhe den Tresor aus. Mit 308.000 Mark verlassen sie die Bank.
Zurück bleibt die Schrotflinte, aber keine Fingerabdrücke. Die Täter trugen Handschuhe. DNA-Spuren sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht Teil der polizeilichen Ermittlungen.
Mindestens zwei weitere Male schlägt das Räuber-Duo mit der gleichen Taktik zu und erbeutet insgesamt 640.000 Mark. Irgendwann endet die Raubserie – ohne jede Spur.
Die tödliche Explosion – Eimsbütteler Chaussee, 1986
In der Eimsbütteler Chaussee, wo heute eine Edeka-Filiale steht, stirbt am 14. Mai ein junger Mann bei einer Bombenexplosion. Der 23-jährige Rolf B. absolvierte gerade seinen Wehrdienst in Cuxhaven und hat an diesem Tag Urlaub. Er besucht die Kneipe „Colony” in der Eimsbütteler Chaussee, trinkt ein paar Bier, unterhält sich mit dem Wirt und verlässt schließlich gegen drei Uhr morgens die Kneipe.
Als er eine Stunde später mit einer Plastiktüte zurückkehrt, hat die Kneipe eigentlich schon geschlossen. Widerwillig zapft ihm der Kneipeninhaber ein letztes Bier. Währenddessen zieht Rolf B. neugierig eine grüne Kassette der Marke „Burgwächter” aus der Tüte – und öffnet sie.
Eine Entscheidung, die Rolf B. das Leben kostet. Zwei Rohrbomben, die in der Kassette waren, explodieren. Rolf B. stirbt noch im Lokal. Der Wirt überlebt mit schweren Verletzungen im Gesicht.
Bis heute ist unklar, wo Rolf B. die Kassette gefunden hat. Damals explodierten jedoch in verschiedenen Stadtteilen mehrmals Rohrbomben mit selbst gemischtem Sprengstoff. Meist waren Briefkästen und Telefonzellen betroffen.
Der brennende Arzt – Magdalenenstraße, 1995
Der Arzt Jens-Peter L. wohnt in der Pöseldorfer Magdalenenstraße. Als er am 23. Mai die Haustür öffnet, überwältigen ihn zwei Männer mit einer Messinglampe. Sie legen in der Wohnung ein Feuer und zünden Jens-Peter L. an. Sein Nachbar bemerkt den Rauch, tritt die Wohnungstür ein und rettet ihn aus der brennenden Wohnung.
Jens-Peter L. überlebt und wird noch vor Ort von einem Notarzt versorgt. Doch dreißig Prozent seiner Haut sind verbrannt. In einer Spezialklinik für Brandverletzte verschlechtert sich sein Zustand. Zwei Wochen nach dem Überfall stirbt Jens-Peter L. Von der Polizei konnte er davor nicht mehr vernommen werden.
Zwei Jahre nach der Tat führt eine Spur die Ermittler zu einem Berliner Unternehmen für Wärmeanlagen. 1991 war die angeblich marode und verschuldete Firma an ein Schweizer Unternehmen verkauft worden. Doch dahinter steckten westdeutsche Manager, die die Firma schließlich in den Ruin trieben. Leer gingen sie dabei nicht aus: Rund 200 Millionen Mark aus der Firma schoben sie auf Konten weltweit. Darunter soll auch das Konto von „Hotel Marbella Sch. KG” gewesen sein. Jens-Peter L. saß im Beirat dieses Unternehmens. Womöglich fürchtete Jens-Peter L. Ermittlungen gegen sich und wollte den Betrug aufdecken, was zwei Auftragskiller zu verhindern versuchten. Ob es wirklich so war, konnte nie aufgeklärt werden.
Das anonyme Treffen – Christuskirche, 1999
Am 27. Januar 1999 will die zehnjährige Hilal Ercan kurz in die Elbgaupassage, um Süßigkeiten zu kaufen, doch sie kehrt nicht zurück. Zwei Wochen nach ihrem Verschwinden meldet sich ein anonymer Anrufer bei ihrer Familie. Er scheint etwas über Hilals Verbleib zu wissen. Die Familie soll ihn an der Christuskirche treffen.
Doch das Treffen platzt, der Anrufer erscheint nicht am vereinbarten Treffpunkt. Möglicherweise wegen eines Polizeieinsatzes in der Nähe der Kirche.
Der Anrufer konnte bis heute nicht ausfindig gemacht werden. Im Jahr 2018 nahm die Ermittlungsgruppe Cold Cases der Hamburger Polizei die Suche erneut auf. An der Fassade der Elbgaupassage brachten sie eine „dauerhafte Fahndungserinnerung” an. Die Suche blieb jedoch erfolglos. Hilal Ercan gilt bis heute als vermisst.
Der Fotograf am Tatort – Hamburg, seit 1976
Wenn die Polizei kam, war Mopo-Reporter Thomas Hirschbiegel nicht weit. Fast vierzig Jahre arbeitete er als Polizeireporter bei der Hamburger Morgenpost – und war einer der ersten Fotografen an Tatorten. Die Fotos, die in dieser Zeit entstanden sind, hat der heutige Chefreporter der Zeitung in seinem Buch „Tatort Hamburg” veröffentlicht.
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