Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose
In Eimsbüttel bekommen wir an jeder Ecke etwas geschenkt. Doch manches, was dort so freigiebig vor die Tür gestellt wird, hat so seine Tücken. Da lohnt es sich dem Gaul ins Maul zu schauen, weiß unsere Kolumnistin Susanne Gerlach
Von Susanne GerlachEigentlich wundere ich mich ja über nichts mehr, was da heute alles verschenkt wird: Schuhe, Klamotten, Bücher, Schallplatten, Geschirr, Kerzenständer – um nur eine Auswahl zu nennen. Einfach ein Schild oder ein Karton mit der Aufschrift „zu verschenken!“ und ab geht die wilde Fahrt, respektive der fliegende Wechsel. Flohmarkt war gestern – Abholmarkt ist heute.
Die meisten finden es toll, einzig die Stadtreinigung ist nicht so amüsiert, da auch Stühle, Sofas und Lampen einfach vor die Tür gestellt werden. Statt den Sperrmüll zu bemühen, wird Ausrangiertes einfach als milde Gabe deklariert. Findet sich ein Interessent, ist in puncto Nachhaltigkeit natürlich nichts zu beanstanden.
Ich persönlich gucke in jede Kiste, und so manches Geschenk hat meinen Haushalt wirklich bereichert. Kürzlich traue ich kaum meinen Augen: Auf dem Weg zum Kiosk an der Rellinger Straße streift mein Blick in einem Hauseingang einen wunderschönen Rosenstamm im Topf! Auf dem Rückweg steht er noch da, und ich vermute, dass er für jemanden bestimmt ist.
Mein Glück ist perfekt
Als ich nach einer Stunde wieder runtergehe, ist er immer noch da. Flugs greife ich mir die Beute und trage sie selig nach oben. Was für eine schöne Rose! Wo stelle ich sie hin? Sonne oder Halbschatten? Viel Wasser oder wenig? Ich hatte noch nie einen Rosenstamm. Meine Mutter rät zum Düngen – mein Freund zum Umtopfen.
Ich mache erst mal gar nichts – never change a running system –, halte respektvoll Abstand und stelle sie auf den Küchenbalkon. Am nächsten Tag finde ich im hauseigenen Zu-verschenken-Basar eine Gießkanne. Mein Glück ist perfekt! Vier Tage gieße ich meine Schöne jeden Morgen und mache mir Gedanken, ob meine Nachbarin wohl bereit sei, sie zu wässern, falls ich mal im Urlaub bin.
Als ich an Tag fünf mein Geschenk wieder voller Liebe betrachte, beschleicht mich ein komisches Gefühl… Irgendwie verändert sie sich so gar nicht. Ich entere den Balkon, berühre kurz ein Blatt und habe sofort traurige Gewissheit: Fake Rose! Vier Tage lang habe ich Plastik begossen und es nicht gemerkt. Tatsächlich ist sie sehr gut gemacht. Ich schäme mich ein bisschen, muss aber auch lachen. In Zukunft also nicht nur Augen auf bei Fake News, sondern auch bei Fake Flowers. Naja, dafür ist sie pflegeleicht.
In unserer neuen Kolumne „Tag Eims, tagaus“ schreibt Susanne Gerlach über die Dinge, die tagein, tagaus in ihrem Eimsbüttel passieren. Wer Susanne Gerlach ist und was sie an ihrem Viertel besonders liebt.