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Andreas Moring, Hamburger FDP-Kandidat für die Europawahl. Foto: Clara Kirchner.
Andreas Moring, Hamburger FDP-Kandidat für die Europawahl. Foto: Clara Kirchner
Europawahl

Fit für die Zukunft? „Wir müssen Innovationen fördern“

Hamburg ist ein starker Wirtschaftsstandort. Trotzdem hinken wir im internationalen Vergleich hinterher, wenn es um Digitalisierung und Innovationen geht. Wie können wir das ändern? Ein Gespräch mit dem FDP-Kandidaten für die Europawahl Andreas Moring.

Von Catharina Rudschies

Eimsbütteler Nachrichten: Die FDP will die Europäische Union (EU) zu einem Innovationsvorreiter machen. Heißt das, wir hinken momentan hinterher?

Andreas Moring: Ja, momentan hinken wir hinterher. Zwar nicht allzu viel, aber gerade im Vergleich von digitalen Anwendungen, Technologien, Künstlicher Intelligenz und Geschäftsmodellen liegen wir deutlich hinter den USA, Israel oder China. Den Vorsprung kann man aber einholen und durchaus auch überholen. Europa hat im Vergleich zu den anderen einen großen Vorteil: die Vielfalt. In den USA, aber auch in China geht es eigentlich immer in eine bestimmte Richtung. In China wird sie vom Staat vorgegeben. Das kann richtig sein. Denn wenn ich mich auf nur eine Sache konzentriere, komme ich schnell zu Ergebnissen. Auf der anderen Seite schränkt es aber auch vieles ein. Das kann man in Europa besser machen.

Wie kann Europa es besser machen?

Zum einen sollten wir uns im Bereich Finanzen miteinander abstimmen, sodass die Koordination in Forschung und Entwicklung zwischen Hochschulen und Instituten sowie Unternehmen besser wird. Zum anderen muss der Ausbau der Infrastruktur in der EU besser und leistungsfähiger werden. Das fängt bei 5G an und geht hin zur klassischen Infrastruktur wie Transportwegen. Die sind in Europa nicht kompatibel. Und dann müssen wir die digitalen Technologien ergebnisoffen fördern, die auch offensichtlich die nächsten 10 bis 15 Jahre bestimmen. Dazu gehört alles, was mit Internet of Things, autonomen Systemen und Künstlicher Intelligenz zu tun hat. Hier sind wir im Unterschied zu anderen Bereichen noch nicht abgehängt. Es würde sich also lohnen, wenn man das fördert.

Welche Rahmenbedingungen brauchen wir noch in der EU, um Innovationen besser zu fördern?

Wir brauchen ein gutes Investitions- beziehungsweise Wirtschaftsklima. Momentan ist es ganz gut, weil die Konjunktur gut läuft. In Europa haben wir zudem den Vorteil, dass wir uns sehr um Persönlichkeitsrechte und Datenschutz kümmern. Das ist in China und den USA nicht so. Weltweit beginnen die Leute zu verstehen, dass es doch nicht so cool ist, wenn Daten gesammelt und ausgenutzt werden und man nicht mehr weiß, wer die Kontrolle darüber hat. Da sind wir in Europa durchaus weit vorne, schon jetzt. In diesem Bereich wäre es sinnvoll, Lösungen zu entwickeln: Produkte und Services, die diesen Schutz als Teil ihres USP [Alleinstellungsmerkmals, Anm. d. Red.] verstehen. Das wäre ein wirtschaftlich erfolgreicher Weg, um Innovationen zu fördern.

Deutschland hängt auch EU-weit in der Digitalisierung weit hinterher. Wie kann man die Digitalisierung voranbringen?

Bei allem, was mit Verwaltung zu tun hat. Das ist ein Bereich, in dem Deutschland weit hinten liegt. Und das ist komplett unverständlich. Länder wie Litauen oder Estland mit 1,5 Millionen Einwohnern haben sich von Agrar-Ostblock-Ländern zu den modernsten digitalisierten, öffentlichen Verwaltungen der Welt entwickelt. Für eine Metropole wie Hamburg mit guter Infrastruktur auf hohem Wirtschaftslevel sollte das doch auch möglich sein. Diesen Ansatz sollte man auf allen Ebenen – Stadt, Land, Staat, Europa – voranbringen. Das würde das ganze deutlich schneller, effizienter, billiger und auch einfach bequemer für alle machen.

Im Wahlprogramm der FDP werden Digital-Freiheitszonen gefordert. Was ist das und warum brauchen wir sie?

Eine Digital-Freiheitszone kennt man aus dem Silicon Valley oder aus Israel. Letztlich ist es eine Form von Gewerbegebiet oder Sonderwirtschaftszone, in denen sich Firmen bestimmter Schwerpunkte ansiedeln und normalen Pflichten und Zwängen nicht unterworfen sind. Zum Beispiel, dass Unternehmen für eine gewisse Zeit von der Umsatzsteuervorauszahlung befreit sind oder die Steuererklärung in der Gründungsphase erst nach zwei oder drei Jahren anstatt im Folgejahr abgeben müssen. Oder dass Firmen einfacher miteinander kooperieren können, ohne dass sie dafür eine notarielle Beglaubigung oder andere Rechtsgrundlage brauchen. Diese Sonderregeln gelten für eine begrenzte Zeit und nur für kleine und junge Unternehmen. Denn die brauchen diese Freiheit und sollten ihre Zeit lieber für ihr Wachstum nutzen, anstatt sich um die Steuererklärung und ähnliches zu kümmern.

Abseits von Start-ups, Innovationen und neuen Technologien gehören auch die traditionellen kleinen und mittelständischen Unternehmen zu einer funktionierenden Wirtschaft. Wie profitieren diese von der EU?

Zum einen profitieren sie von der Währung. Dadurch dass wir den Euro haben, ist es für einen Mittelständler einfacher und sicherer, Geschäfte im Ausland abzuwickeln. Denn es gibt kein Währungsrisiko. Der Mittelstand profitiert auch von Freihandelsverträgen mit Ländern und Regionen außerhalb der EU. Das sehen wir gerade im Handelskrieg mit Trump. Die großen Firmen sind durch die Zölle gar nicht unbedingt betroffen, sondern die kleinen und mittleren. Also die Zulieferer und Servicedienstleister, die in der Wertschöpfungskette irgendwo eingebunden sind. Je mehr Freihandelsabkommen und klare Regeln wir haben, desto besser ist es auch für den Mittelstand in Deutschland und der gesamten EU.

Zum anderen profitieren sie von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Unternehmen haben aufgrund des demographischen Wandels mit Nachwuchsmangel zu kämpfen. Große Unternehmen haben den Vorteil, dass sie bekannt sind und die Leute automatisch kommen. Aber im Mittelstand ist das extrem schwer. Durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit kann aber auch jemand aus Spanien zum Arbeiten herkommen. Das ist für Mittelständler ein Vorteil.

Internationale Großkonzerne lassen sich oft in Ländern nieder, in denen die geringsten Steuersätze gelten, und zahlen zudem weniger Steuern als ein kleines oder mittelständisches Unternehmen vor Ort. Einige Parteien fordern deshalb eine höhere Besteuerung dieser Konzerne sowie Mindeststeuersätze in allen EU-Mitgliedsstaaten. Warum spricht sich die FDP dagegen aus?

Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Besteuerung von Großkonzernen wie Google, Apple oder Facebook, aber wir sind gegen Mindeststeuersätze. Diese würden bedeuten, dass man einen bestimmten Mindestbetrag abgeben muss. Das klingt erst einmal sinnvoll, aber man vergisst dabei andere Steuern und Abgaben. Dazu gehören zum Beispiel Sozial- und Rentenabgaben, Umweltabgaben, Stromsteuer, Versicherungen und so weiter. Und die sind in jedem Land anders. Am Ende werden also nicht alle gleich belastet, sondern vielleicht hat man sogar noch krassere Unterschiede als vorher. Für eine Besteuerung von Google, Apple und so weiter sind wir aber schon. Da sind sich auf europäischer Ebene eigentlich fast alle einig, bis auf die Länder, wo diese Unternehmen sitzen. Die Frage ist, wie lange das noch durchhaltbar ist. Denn es ist nicht mehr vermittelbar, dass so große Konzerne, die auch einen großen Einfluss auf das Gemeinwohl haben, nichts für das Gemeinwohl tun sollen.

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