Jugend in die Politik
Das Thema Jugendbeteiligung in der Bezirkspolitik wird immer wichtiger. Eimsbüttel ist in Hamburg der erste Bezirk, für den ein Konzept entwickelt wurde. Noch verharrt es in den Startlöchern.
Von Nora HelblingDas Schiff heißt „Partizipia“ und es ist bis oben beladen mit Containern voller Wünsche und Ideen. Noch liegt es im Hafen und wartet bis es in See stechen kann.
„Partizipia“ ist in Wirklichkeit kein echtes Schiff. Aber ein schönes Bild für das Projekt „Partizipia“ und es passt zu Hamburg. „Partizipia“ ist ein politisches Modell – genauer gesagt, eine Beteiligungsstruktur für Kinder und Jugendliche an der Bezirkspolitik Eimsbüttel.
Seit 2001 gibt es das Radio Funkstark, ein Kinder und Jugendradio in Eimsbüttel. Dessen Team um die Gründerin Ragna Riensberg (NaSchEi-Agentur) organisierte 2005 und 2009 zu den Bundestagswahlen U18-Wahlen. Jugendliche trafen dabei auf Politiker aller Parteien, konnten Fragen loswerden und diskutieren. Anschließend gaben sie ihre Stimme in der Wahlkabine ab. Die Stimme zählte zwar noch nicht, aber die Erfahrung für die Jugendlichen sehr wohl.
Weil das Projekt so gut angenommen wurde, bekamen die Initiatoren vor gut drei Jahren einen Auftrag für ein weiteres politisches Projekt: Sie sollten für die Bezirksversammlung ein Modell entwickeln, das Schülern die Mitgestaltung an Verwaltung und Politik des Bezirks Eimsbüttel ermöglicht. „Das ist keine Spielwiese“ sagt Ragna Riensberg. „Es geht darum, die eigenen Ideen und Wünsche umzusetzen. Es soll eine Legislative für Kinder und Jugendliche geschaffen werden.“
Ein fester Platz in der Bezirkspolitik
Mit geschulten Moderatoren wurden Jugendliche in verschiedenen Schulen und Jugendeinrichtungen angesprochen. Dabei ging es vor allem um die Fragen: Wie können Jugendliche an der Bezirkspolitik beteiligt werden? Welche Wünsche haben die Jugendlichen in Bezug auf ihre eigene Lebenswelt und den eigenen Stadtteil? Auch die Bezirksverwaltung und Kommunalpolitik waren eingebunden.
Es wurde diskutiert, ein Demokratietraining besucht. Und es wurde gemeinsam gegessen. Das, erklärt Ragna Riensberg, ist wichtig: „Bei uns gibt es immer etwas zu essen. Wenn zusammen gegessen wird, dann begibt man sich auf den Boden des Gemeinsamen. Das nimmt einen Teil der Machtkonflikte, die immer wieder entstehen.“ So entstand zwischen 2010 und 2011 die Struktur der Partizipia, die den Anliegen von Kindern und Jugendlichen einen festen Bestandteil in der Bezirkspolitik bieten will.
Politikverdrossenheit?
Jugendliche in der Politik, das ist gerade in Hamburg ein Thema von höchster Aktualität. Im Februar 2013 wurde das Wahlrecht auf Landes- und Kommunalebene auf 16 Jahre gesenkt. Die Diskussionen in der Hamburger Bürgerschaft waren hitzig. Die zentralen Gegenargumente: In diesem Alter seien die Jugendlichen nicht reif genug, könnten sich von rechtspopulistischen Parteien verführen lassen. Und sowieso: Unter Jugendlichen herrsche ohnehin nur Politikverdrossenheit.
Davon ist bei einem Treffen mit einigen Schülern, die bei der Entwicklung von Partizipia mitgearbeitet haben, nichts zu spüren. Während auf einem Grill vor dem Radioladen allerlei Köstlichkeiten vor sich hin schmoren, wird vor allem diskutiert – ganz selbstverständlich auch über Politik.
Beim Thema Partizipia fangen bei den Schülern die Augen an zu leuchten. So viele Dinge haben sie mitgenommen und gelernt, erzählen sie. Alle möchten sie, dass Partizipia, das Schiff voller Wunschcontainer, endlich auslaufen kann: „Wir wollen, dass nachkommende Schüler genauso erleben können, dass Politik Spaß machen kann.“ sagt die 16jährige Katharina.
Vor allem der Austausch mit den Kommunalpolitikern war eine positive Erfahrung. „Wir sind uns auf Augenhöhe begegnet und es war gegenseitiger Respekt da“, erzählt Alina. Aber auch für die Politiker sei es eine wichtige Erfahrung gewesen, von den Kindern gehört zu werden. Und zu sehen, wie klar diese ihre eigenen Wünsche formulieren können.
Und was können die Politiker von den Kindern lernen? Ragna Riensberg sagt: „Sehr viel!“ Vor allem aber: Kompromisse machen. „Bei Kompromissen muss ich ja immer was von Meinem abgeben, für Kinder ist das kein Problem. Und sie verlieren ihren eigenen Wunsch dabei nicht aus den Augen. Das ist das Wichtige.“
Das letzte Hindernis: Die Finanzierung
Was fehlt ist das Geld für die Umsetzung. „Partizipia“ steht unter der Schirmherrschaft der Hamburger Bürgerschaft, die Finanzierung ist aber noch nicht gewährleistet. Geld wird beispielsweise für die Ausbildung der Moderatoren, die Verwaltungsarbeit und Betreuung der Jugendforen benötigt. Von Seiten des Bezirksamts heißt es auf die Frage nach der Finanzierung: „Es ist viel versucht worden, doch Stiftungen haben abgesagt, weil die Kofinanzierung durch Kommune oder andere Sponsoren fehlt. Haushaltsmittel der Freien und Hansestadt Hamburg stehen leider nicht zur Verfügung.“
Für Hamburg, vor allem mit Blick auf das neue Wahlrecht, sollte „Partizipia“ jedoch ein zukunftsträchtiges Modell sein, um junge Menschen in frühen Jahren für Politik zu begeistern, und für eine aktive Mitgestaltung des eigenen Umfelds zu schulen.