Der Keksbäcker Hamburg
Hier wird fast alles noch per Hand gefertigt. Und das passt in den Trend „Regional und selbstgemacht schmeckt besser“. Jetzt läuft die Produktion beim Keksbäcker in Lokstedt auf Hochtouren: Denn das Weihnachtsgeschäft beginnt.
Von Lea Z. FreistIn der Backstube „Der Keksbäcker Hamburg“ duftet es nach frischem Teig und süßem Gebäck. Eine Maschine spritzt den Teig für die Bärentatzen auf die Bleche, sie werden gebacken, dann dreht eine Mitarbeiterin die Gebäckstücke zur Hälfte, spritzt einen Nougattropfen in die Mitte, setzt die beiden Hälften zusammen und legt sie auf die Schokoladenmaschine, dort ruckeln die Bärentatzen durch die Schokoladendusche. Eine andere Mitarbeiterin hebt sie zum Schluss vom Gitter und verpackt sie. Nebenan rollen zwei Bäcker Teig aus, stechen Herzen aus und füllen die halbgebackenen Plätzchen mit Marmelade.
Drei Tonnen Kekse werden in einer Woche in der Keksbäckerei in Lokstedt hergestellt. Rund 40 verschiedene Sorten gehen an Kunden in ganz Deutschland. Mit Mandeln verzieren, mit Nougat füllen oder Nussgrieß bestreuen – alles ist Handarbeit.
Bäckereibetrieb seit mehr als 100 Jahren
Hinter dem Keksbäcker Hamburg steht der Bäckermeister Jürgen Tandetzki. Seit 1914 wird in dem Gebäude am Sorthmannweg gebacken. Damals war es eine klassische Bäckerei, 1992 hat sich der Betrieb auf Kekse spezialisiert. 2002 übernahm Tandetzki das Geschäft von seinem Schwiegervater Jürgen Sander. Es ist ein Familienbetrieb: Seine Frau arbeitet im Verkauf, seine ältere Tochter kümmert sich um Büroarbeit und Personal, die jüngere um das Marketing und die Pflege der Facebook-Seite.
Mittlerweile arbeiten 35 Festangestellte in der Keksbäckerei. Das war mal anders. Begonnen hat der Betrieb mit fünf Mitarbeitern, man kam über die Runden, musste aber kämpfen. Damals habe es noch 150 Bäcker und Konditoren in Hamburg gegeben, die aus Zeitgründen Kekse nicht mehr selbst backten, aber ihren Kunden weiterhin feines Gebäck anbieten wollten. Sie tüteten die Kekse vom Keksbäcker um und verkauften sie unter eigenem Namen, erzählt Tandetzki.
Spezialisierung wird zum Aushängeschild
Als einziger Bäckereibetrieb in Norddeutschland hat sich Jürgen Tandetzki auf die Herstellung von Keksen spezialisiert, in Deutschland gibt es vier solcher Keksbäckereien. „Kleinspezialisten“, wie Tandetzki sie nennt, gibt es kaum noch. Schlachtergeschäfte, kleine inhabergeführte Lebensmittelläden sterben aus, Groß-Filialisten dominieren die Einkaufsstraßen. Doch der Trend geht zurück zum Handwerklichen und zum Regionalen. Nicht mehr billig soll es sein, sondern vor allem individuell. Immer mehr Menschen legen Wert auf regionale Lebensmittel, wollen lokale, kleine Unternehmen stärken.
Tandetzki lernte schnell, wie wichtig gutes Marketing für die Nischenproduktion von Keksen ist. 2003 wurde das erste Mal aktiv Werbung geschaltet, Geld in eine neue Website investiert, man lud Medienvertreter für einen Blick hinter die Kulissen in die Backstube ein.
Keks zum Kaffee kommt aus Lokstedt
Die Keksbäckerei liegt etwas abgelegen in einer Seitenstraße, trotzdem ist sie bekannt geworden, im Café sitzen ein paar Gäste. Aber davon kann man nicht leben: Privatkunden, die im Laden oder über den Onlineshop kaufen, machen nur rund 5 Prozent des Umsatzes aus, der jedes Jahr um 10 Prozent wächst.
Dabei profitiert der Keksbäcker davon, dass auch der Anspruch der Großabnehmer sich geändert hat. Keine Standardkekse aus Dosen sollen auf Konferenzen stehen, mehr und mehr setzt man auf hochwertiges und handgefertigtes Gebäck. Über die Jahre sind Großkunden wie Beiersdorf und Blockhaus dazugekommen, der Keksbäcker beliefert Lufthansa, Otto Versand, Unilever und Hermes. Auch bei den gehobenen Hamburger Hotels wie Alsterkrug, Atlantic und Park Hyatt kommt das Gebäck zum Kaffee vom kleinen Keksbäcker in Lokstedt.
Hochwertige Zutaten und kurze Lieferwege
„Mit der Hand ist alles einfach feiner zu formen“, sagt Tandetzki. Die bewährten Keksrezepte stammten noch vom Großvater und würden weiterhin in vielen Schritten von Hand verarbeitet. In der Massenproduktion dagegen stehe nur ein Kontrolleur am Anfang der Maschine und ein Mitarbeiter am Ende des Prozesses, der die Verpackungsmaschine überwache.
Bei Tandetzki kommt die Marmelade aus dem Schwarzwald, das Marzipan aus Lübeck, Butter und Mehl aus Schleswig-Holstein. Das schätzen die Kunden. Und man sieht es: In einer der bunten Tüten sehen alle Kekse einer Sorte ein bisschen unterschiedlich aus. Qualität hat ihren Preis: 125 Gramm Butterherzen kosten 2,85 Euro.
Morgens steht Tandetzki immer noch die ersten drei Stunden in der Backstube. Danach muss er sich um die Außendarstellung seines Betriebes kümmern. Er präsentiert auf Messen und auch im Fernsehen – eine Rolle, die ihm gefällt.
Zu Weihnachten brummt das Geschäft
„Im November machen wir den dreifachen Umsatz“, sagt er, „das ist mit Abstand der wildeste Monat, den wir im ganzen Jahr haben“. Der Hauptteil der Produktion sei bis Nikolaus durch, dann hätten die Firmenkunden ihre Präsente verschickt und die Endverbraucher für den ersten Advent eingekauft. Das Verpackungsmaterial ist längst fertig, die ersten Weihnachtsbestellungen sind bereits Ende August an einen großen Kunden in Frankreich versandt worden. Die Schicht fängt üblicherweise morgens um 7 Uhr an und endet um 15.30 Uhr – außer in der Hauptsaison, die jetzt im September so langsam anläuft: Dann wird an sechs Tagen in der Woche im Zweischichtsystem bis 21 Uhr gebacken.
In den letzten Jahren hat die Keksbäckerei die ursprüngliche Backstube erweitert und eine Halle dazu gemietet, trotzdem platzt sie in der Weihnachtsproduktion aus allen Nähten. Aber größer will Tandetzki nicht werden. Sonst gehe etwas verloren. Er hat sich auch dafür entschieden, keine großen Supermarktketten zu beliefern. Die Keksbäckerei wolle sich nicht abhängig machen – das passe auch nicht zum Image.