Das „Logo“: Wie ein Rockschuppen dem Clubsterben trotzt
Während Hamburgs Clubszene in der Krise steckt, feiert das Logo in der Grindelallee sein 50. Jubiläum. Wie funktioniert das? Ein Besuch.
Von Michael BurkhardtDas Logo ist komplett ausverkauft. Rund 450 Gäste sind gekommen, um Strange Kind of Women, eine Deep Purple Tribute-Band aus Italien, live zu sehen.
Der Aushang am Eingang, dass sich ein Bandmitglied verspätet, kann die Stimmung nicht trüben. Das Bier kostet 4 Euro – die Gäste unterhalten sich und lachen.
Starkregen in Wien, Konzertausfall in Hamburg
Als Geschäftsführerin Lea Goltz die Bühne betritt, wird es still. Die Sängerin der Band folgt ihr. Beide wirken angespannt. Die Nachricht, die sie verkünden, verrät warum: Die Gitarristin werde es aufgrund von Starkregen in Wien nicht pünktlich zum Auftritt schaffen. Das Konzert kann nicht wie geplant stattfinden.
Dabei wollte das Logo eigentlich den gesamten September sein 50. Jubiläum feiern.
Am 6. September 1974 begann der Holzschuppen, ehemals ein Möbelgeschäft, seine Karriere als legendärer Veranstaltungsort für Live-Musik, zunächst vor allem für Rockmusik.
Hier traten Bands auf, die später ganze Stadien füllten: My Chemical Romance, The White Stripes, Queens of the Stone Age, Florence + the Machine, Weezer, Rammstein und Silbermond. Sogar Oasis gaben 1994 hier einen Auftritt – Eberhard Gugel, der ehemalige Eigentümer des Logo, war nicht begeistert.
Erst Rockschuppen, dann Testzentrum, dann Werbefläche
„Wir sind extra aus Wien für das Konzert angereist“, schallt es aus dem Publikum. Für einen Moment scheint die Stimmung zu kippen. Lea Goltz verspricht, man könne die Tickets umtauschen oder für das Nachholkonzert behalten.
Sie hat ihre Ausbildung im Logo gemacht. Während der Pandemie schloss sie diese ab und stieg in die Geschäftsführung ein.
Damals stand das Logo kurz vor dem Aus. Getrieben von der Geldnot verwandelte sich der Rockschuppen zunächst in ein Testzentrum, später in eine Werbefläche für Alpro. Nur dank eines Crowdfunding blieb das Logo am Leben.
10.000 Jahre Logo
Als Eberhard Gugel, der das Logo 27 Jahre leitete, 2021 kurz davor war, zu kapitulieren und einem Investorenangebot nachzugeben, kaufte Karsten Schölermann ihm die Anteile am Grundstück ab, um das Logo zu retten. Anschließend gründete er zusammen mit Lea Goltz und Chris August, verantwortlich für das Booking und seit 25 Jahren dabei, eine neue Betreiberfirma.
Warum haben die beiden sich das nach dem Stress der Pandemie-Zeit angetan? „Es ist schwer, einem völlig euphorisierten Karsten Schölermann abzusagen“, sagt Goltz und lacht. 10.000 Jahre Logo habe Schölermann ausgerufen.
Dennoch fordert das fortgeschrittene Alter des „Holzschuppens“ regelmäßig seinen Tribut – in Form von Reparatur- und Renovierungsarbeiten. Erst vor kurzem erhielt die „lauteste Sauna Hamburgs“ eine Klimaanlage. All das kostet Energie, Zeit und Geld.
Inflation und Individualisierung führen zu Clubsterben
Geld, das viele Hamburger Clubs nicht haben. Die Inflation der vergangenen Jahre bekamen die Clubs doppelt zu spüren. Einerseits auf der Ausgabenseite in Form von hohen Rechnungen, andererseits auf der Einnahmenseite durch abnehmende Besucherzahlen. Gerade junge Leute gehen inzwischen weniger aus.
Hinzu kommt laut dem Sozialwissenschaftler Bernhard Heinzlmaier die gesellschaftliche Individualisierung, die bereits vor der Inflation zum sogenannten Clubsterben geführt hat: Der Trend führe weg von Massenunterhaltung hin zu Individualunterhaltung, sagt Heinzlmaier. Er spricht von einer Krise der Massenkultur.
Ein weiteres Problem: Viele Clubs werden zugunsten renditeträchtiger Bauprojekte verdrängt. Zuletzt traf es das Molotow auf dem Kiez, das Ende des Jahres für ein Hotel weichen soll. Der Protest gegen die Pläne zeigte, dass es um mehr als einen Club geht. Es geht um das, was eine Stadt wie Hamburg ausmacht.
Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass Schölermann Grundstückseigentümer und Vermieter zugleich ist, ein Segen für das Logo. Der Club, verkündete er noch 2022, habe Bestandsschutz.
„The Show must go on“ – auch ohne Gitarristin
Zurück im Logo: Strange Kind of Women kann den Abend am Ende retten. Die Band sucht im Publikum einen Ersatzgitarristen. Nach anfänglichem Zögern meldet sich ein Freiwilliger, den das Publikum lautstark in seiner Entscheidung bekräftigt. Mit ihm spielt die Band zwei Lieder.
Nach seinen Minuten des Ruhms und einem Gitarrensolo steigt er wieder hinab ins Publikum. Dort wird er frenetisch gefeiert. Jeder will ihm zu seinem spontanen Auftritt gratulieren.
Zum Abschluss verabschieden sich die vier Italienerinnen mit dem Deep Purple Klassiker Child in Time ebenfalls unter tosendem Applaus.
Davon, dass sich die Hamburger Clubszene in einer Krise befindet, ist an diesem Abend wenig zu spüren – trotz Konzertausfall.
Vielleicht zeigt der Abend exemplarisch, worauf es ankommt, damit ein Club heute überleben kann: auf das Zusammenspiel von Veranstaltern, Musikern und Publikum – allen Widrigkeiten zum Trotz.
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