Musik nicht für Geld, sondern für die Seele
Axel Thomas bündelte 2001 die fünf Standorte seiner Musikschule an einem Ort – zu Abenteuer Musik an der Gärtnerstraße. Nebenbei betrieb er den Music Club Live an der Fruchtallee. Doch bald stellte er fest: Ich muss unbedingt mal wieder schlafen.
Von Christian LitzEs war um das Jahr 2000. Axel Thomas weiß nur noch, wie er verzweifelt aus der Wohnung in der Heckscherstraße kam, dachte: Bitte, bitte, Universum, irgendwie muss eine Lösung her.
Er betrieb seine Musikschule in Eimsbüttel mit Räumen an fünf verschiedenen Standorten. Er hatte eine Band. Organisierte die Proberäume für Musiker im Bunker an der Apostelkirche. Fühlte Stress. „Zwischen 1994 und 2001 bin ich nur rumgelaufen, Schüler begrüßen an fünf Standorten.”
Er war fertig. So konnte es nicht weitergehen. Gestresst stieg er aufs Rad, fuhr auf die Gärtnerstraße, kam an der Zahnarztpraxis an der Ecke Unnastraße vorbei. Die Wahrscheinlichkeit, den kleinen Zettel wahrzunehmen, war gering. Aber, Fügung, er sah ihn: Die Räume waren zu vermieten. Er schaute um die Ecke, das Gebäude ging die Unnastraße entlang. Es war groß genug für seinen Traum: die gebündelte Musikschule.
Arbeit für ein ganzes Jahr
Also wählte er die Nummer. Der Mann am anderen Ende sagte trocken, gut, er kontaktiere den Besitzer. Der lebe in Florida. Aber er wolle nicht so viel Hoffnung machen. Der Zahnarzt, der zuvor drin war, war verschwunden, hatte die Praxis abgeschlossen und alles zurückgelassen. Keine neue Meldeadresse hinterlassen. Doch: Axel Thomas bekam die Praxis, obwohl er überzeugt ist, Auto Pötter hätte von anderen mehr Miete bekommen.
Es war viel zu renovieren, Arbeit für ein ganzes Jahr. Tagsüber organisierte er seine noch standortreiche Musikschule, nachts renovierte er. An Wochenenden hatte die Band Auftritte. Ein Kumpel half, sie schlugen Wände durch, legten Platten und Fliesen, strichen und tapezierten. Schliefen im Morgengrauen in Schlafsäcken ein.
Organisator, Bassist, Pädagoge
Axel Thomas ist Bassist, seit er 13 Jahre alt ist. Spielte immer in Bands. War gut. Aber den ganz großen Schritt, Vollprofi-Musiker, den traute sich der Junge aus Altona, der seit dem sechsten Lebensjahr in Eimsbüttel lebt und in Musikschulen immer litt, nicht zu. Er studierte Systematische Musikwissenschaften, Numerus Clausus 0,9.
„Da sammeln sich viele, die es nicht geschafft haben, so gut zu spielen, dass es für eine Profikarriere reicht, oder für ein Studium eines Instruments.” Musikpsychologie spielte eine Rolle, Resonanz, Pädagogik, Wahrnehmung, Klang, Tontechnik, Frequenzen, Organisation. Er studierte 22 Semester.
Er war immer ein Organisator, hatte das Drumherum im Blick. Bassisten seien meist diejenigen, die sich um die Verwaltung kümmern. Er netzwerkte und machte die Verträge, fand Auftrittsorte, hielt die Band zusammen. Er kam mit Größenwahn und Wahnsinn zurecht. Er beruhigte die Freundinnen des Leadsängers, wenn dem weibliche Fans am Hals hingen. Bearbeitete die Starallüren der Gitarristen. Glich aus und hielt das Boot auf Kurs trotz allen Schaukelns. Und im Hinterkopf hatte er die Idee: eine Musikschule, die den Schülern Spaß macht, wo Lehrer nicht drillen, sondern neugierig machen. Der Name Abenteuer Musik stehe für all das, sagt Axel Thomas.
Ist ein Traum erfüllt, wird der zweite wichtiger
Sein zweiter Traum, neben einer Musikschule: ein Musikclub. Als der erste Traum erfüllt war, ging er den zweiten an. Er gründete 2003 den Music Club Live an der Fruchtallee 36, in dem kleinen flachen Bungalow nahe der Ecke zum Eppendorfer Weg. In dem Häuschen war zuvor ein Irish Pub gewesen, davor, daran erinnert er sich aus Jugend und Kindheit, eine polnische Kneipe und ein japanisches Restaurant.
Der Club musste einfach perfekt werden. War ja ein Traum, ein Vergnügen neben dem Arbeitsstress mit den Proberäumen, der Musikschule, der Band. Nein, es waren zwei Bands. Und dann noch die andere Musikschule, die er in Barmbek dazu gekauft hatte. Und die andere irgendwo in Schleswig-Holstein, die er für die Witwe des Besitzers umbaute, aus reiner Nettigkeit.
„Das Problem war, für mich blieb nichts übrig“
Es war anstrengend. Aber er eröffnete den Club. „Die Soundanlage war Rolls-Royce-mäßig teuer. Verrückt teuer. Aber eine gigantisch gute Anlage.” Ein Gitarrist kam über den Atlantik und bat, nachts zehn Minuten auf seiner Gitarre auf der Anlage diesen einen Ton spielen zu dürfen. Endlich habe er den Ton gefunden, so wie er ihn immer habe hören wollen. Axel Thomas ist heute noch voller Stolz.
Er nahm nur 5 Euro Eintritt, auch wenn Stars spielten. Hatte sechs Tage die Woche Live-Musik. Im Music Club Live gab es 42 Sitzplätze, 80 Leute gingen stehend rein. Wenn mehr als 100 drin waren, kam das Bier von der Bar nicht mehr zu den Leuten. „Das Problem war, für mich blieb nichts übrig. Ich hab viel Geld in den Sand gesetzt.” Zumal er sich an die selbstauferlegte Regel hielt: „Bands kriegen 100 Prozent der Abendkasse.” Die Musik vor allem: Blues, Soul, Bluegrass. „Die Bluegrass-Musiker kamen aus der ganzen Bundesrepublik, um im Club zu spielen.” Er beschreibt ihn als Pilgerstätte und zählt große Szene-Namen auf. Der Ruf war gut, der Klang super, aber es kam die Zeit, in der ihm klar wurde: „Ich muss unbedingt wieder schlafen.”
„Inzwischen kommen die Enkel der ersten Schüler”
Er ließ los, holte einen Manager, und irgendwann war der Traum zu. Aber es sei schön gewesen, 2003 bis 2007. Heute ist in dem Club meist nichts. Pächter wechseln. Inzwischen ist eine Musikschule drin, die Musikstation. Aber Axel Thomas sitzt in seiner Musikschule Abenteuer Musik und weiß, er hat vieles richtig gemacht, gute Musik ermöglicht, „handgemachte Musik” in einem „Wohnzimmer für Hamburger Musikliebhaber”. Er hat Träume gelebt. Er bietet jetzt auch Musiktherapie an, Klangschalen-Sound. Aber da gibt es natürlich starke Konkurrenz am Ring in der Alten Wache.
Ach ja, sagt er, klar, wie versprochen, die Zahlen: 11 Räume hat die Musikschule, 30 Lehrende, ein paar hundert Schülerinnen und Schüler, also die hier in Eimsbüttel. Dazu komme noch die in Barmbek. „Inzwischen kommen die Enkel der ersten Schüler.”
Noch mehr Zahlen? „Nee”, sagt er, „wir machen Musik nicht für Geld, sondern für die Seele.”