
Rechtsextremismus bekämpfen: Polizei gründet Spezial-Team
Gewalttaten und Terror verhindern: Fünf Polizeibeamte kümmern sich darum, Hinweise auf rechtsradikale Einstellungen und Verhaltensweisen aufzunehmen und zu verfolgen.
Von Anne ReisDie Reihe rechtsextremistischer Gewalttaten in Deutschland reißt nicht ab. Nach den Morden in Kassel, Hanau und Halle hatte zuletzt die Attacke auf einen jüdischen Studenten vor der Synagoge in Eimsbüttel ganz Hamburg erschüttert. Das Landeskriminalamt richtete nun eine Hinweisstelle für Rechtsextremismus ein.
Rechtsextreme Netzwerke frühzeitig entdecken
Fünf Beamte nehmen Hinweise auf Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung entgegen. Im Anschluss soll das Team die Beobachtungen der Bürger zusammenführen, ihre Dringlichkeit bewerten und gegebenenfalls dafür sorgen, dass die Gemeldeten überprüft oder überwacht werden. Die Polizei erhofft sich dadurch, rechtsextreme Strukturen und Netzwerke schneller zu erkennen. So soll die Gefahr, die von ihnen ausgeht, rechtzeitig abgewendet werden.
Lagebild erfasst 330 Rechtsextremisten
Das jüngst vom Landesamt für Verfassungsschutz veröffentlichte „Lagebild Rechtsextremismus“ verzeichnet 330 bekannte Rechtsextremisten in Hamburg. Über 130 von ihnen gelten als gewaltbereit. 120 werden einem „unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial“ zugerechnet, das sich in losen Gruppen formiert und zumeist über soziale Netzwerke Kontakt hält. Aktuell stehen Versuche, im Rahmen der Corona-Proteste rechtsextremistische Ideologien zu verbreiten, besonders im Fokus.
Schwere Gewalttaten abwenden
„Es geht nicht darum, zu denunzieren“, sagte LKA-Chef Mirko Streiber bei der Landespressekonferenz am 10. November. Ziel sei es, durch die Meldung von einschlägigen Beobachtungen im eigenen Umfeld „schwere Gewalttaten“ abzuwenden. Innensenator Andy Grote (SPD) betonte, die Anschläge des vergangenen Jahres hätten deutlich gemacht, welches Gefahrenpotenzial von Tätern ausgehe, die vorher nie polizeilich aufgefallen seien. Der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Torsten Voß, sagte, das aktuelle Lagebild beweise, dass rechtsterroristische Bedrohungen „jederzeit und an jedem Ort“ entstehen können.
Oppositionsparteien sehen Verbesserungsbedarf
Die Oppositionsparteien äußerten sich kritisch. Die Linke wies auf das „krasse Versagen“ der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung rechter Gewalt und rechten Terrors hin. Dieses habe sich besonders deutlich an der Mordserie des NSU mit zehn Todesopfern gezeigt. Die Hinweisstelle werde solche Ermittlungsfehler weder verhindern noch beheben können. Die CDU betonte, die neue Stelle könne nur ein „kleiner Baustein“ in der polizeilichen Reaktion auf den gewaltbereiten Rechtsextremismus sein. Die Sicherheitsbehörden brauchen vor allem mehr Personal und bessere Technik. Die AfD forderte, Islamismus und Linksextremismus müssten gleichermaßen bekämpft werden.
187 Todesopfer seit 1990
Seit 1990 haben rechte Täter in Deutschland jahrelangen Recherchen von Zeit online und Tagesspiegel zufolge 187 Menschen getötet. Die offizielle Statistik der Sicherheitsbehörden verzeichnet seit der Wiedervereinigung 109 Opfer von Rechtsradikalen. Täter aus dem linken Spektrum haben in dieser Zeit acht Menschen getötet. Islamistische Täter sind für 17 Todesopfer verantwortlich.
Die zentrale Hinweisstelle des Landeskriminalamts ist von Montag bis Freitag von 8 bis 15 Uhr besetzt. Sie ist telefonisch unter der Telefonnummer 040 4286 76767 und per E-Mail unter hinweise-rechtsextremismus@polizei.hamburg.de zu erreichen.
Rechtsextremistische Angriffe
Laut einer internationalen Studie, die das Londoner Institute for Economics and Peace am 24. November vorlegte, haben rechtsextremistische Angriffe weltweit massiv zugenommen. In Nordamerika, Westeuropa und Ozeanien ist die Zahl dieser Taten seit 2014 um 250 Prozent angestiegen. Die Zahl der Todesopfer stieg um mehr als 700 Prozent.