#therapeutenamlimit: Kreideaktion aus Eimsbüttel
Der Pflegenotstand betrifft auch die Berufsgruppe der Therapeuten. Mit der Kreideaktion #therapeutenamlimit will die Eimsbüttelerin Rieke Guhl auf die Belastungen aufmerksam machen und die gleichnamige Organisation unterstützen.
Von Monika DzialasSeit einigen Wochen bleiben die Blicke der Eimsbütteler an vielen Orten im Stadtteil an den mit Kreide bemalten Asphaltwegen hängen. Mit dem geschriebenen Hashtag #therapeutenamlimit will die Eimsbüttelerin Rieke Guhl über die schwierige Lage der Therapeuten aufklären und die Aktion „Therapeuten am Limit“ unterstützen.
Aktiv gegen den Pflegenotstand
Der Pflegenotstand ist ein allseits bekanntes Schlagwort und gesamtgesellschaftliches Problem. In vielen Pflegeeinrichtungen mangelt es an Personal, das zudem unzureichend bezahlt wird. Dies hat auch Folgen für die Patienten, die oft eine lange Wartezeit für eine Behandlung in Kauf nehmen müssen. Der aktuelle Gesundheitsminister Jens Spahn will sich nun für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte einsetzen. Dabei vernachlässigte er bisher jedoch die Heilmittelerbringer.
Um das zu ändern und über die finanziellen und psychischen Belastungen der Therapeuten aufzuklären, veröffentlichte der Frankfurter Physiotherapeut Heiko Schneider Ende Mai einen Brandbrief, der viel Aufmerksamkeit erregte. Infolgedessen erreichten ihn unzählige Briefe von anderen Therapeuten, die sich mit ihm solidarisierten und ihre Missstände teilten. Mit den gesammelten Erfahrungen und in Begleitung weiterer Therapeuten fuhr er mit dem Fahrrad nach Berlin, um Spahn persönlich die Briefe zu übergeben. Kurz vorm Ziel organisierte Schneider eine Fahrraddemonstration, an der etwa 700 Therapeuten teilnahmen. Es folgten weitere Aktionen vonseiten betroffener und unzufriedener Therapeuten.
Mit Kreide aufrütteln
Auch Guhl wollte ihrem Ärger Ausdruck verleihen und sich für eine bessere Bezahlung und Ausbildungsbedingungen der Berufsgruppe einsetzen, da „viele gar nicht wissen, wie es uns geht“. Auf dem Weg zur Arbeit fand sie an einer der Eimsbütteler Tauschecken eine Box voller Kreide und „meine Idee einer Kreideaktion war geboren“, berichtet die 25-Jährige.
Auf den ersten Versuch in der Großen Bergstraße in Altona folgten unzählige Aktionen an der Osterstraßen und anderen geschäftigen Orten Eimsbüttels. Über eine Facebook-Gruppe organisiert Guhl gemeinsame Unternehmungen mit anderen Therapeuten, die sich vom „Kreidewahn“ haben anstecken lassen, berichtet die Ergotherapeutin.
Arbeiten, um die Arbeit zu finanzieren
Im Vorfeld hatte auch sie einen Brief an den neuen Gesundheitsminister verfasst:
„Ich als Ergotherapeutin wollte auch etwas machen und dann habe ich diesen Brief geschrieben. Das hat mich ein wenig Überwindung gekostet.“
Darin stellt sie dar, dass es ein Unding sei, für die Ausbildung über 18.000 Euro zahlen zu müssen und anschließend einen Bruttolohn von durchschnittlich 2.200 Euro in Hamburg zu erhalten. Zudem kosten notwendige Fortbildungen mehrere Tausend Euro und müssen häufig privat übernommen werden. Darüber hinaus wird lediglich die Behandlung von Patienten bezahlt, nicht aber die Dokumentation und Berichterstattung, weshalb viele Therapeuten die Behandlungszeit verkürzen müssen.
In Bezug auf den Fachkräftemangel betont Guhl die langen Wartelisten, die viele Patienten frustrieren, doch mehr gehe aufgrund der ausgebuchten Praxen einfach nicht, gesteht die Ergotherapeutin. Auch, wenn sie in diesem Berufsfeld ihre Berufung gefunden hat, so „kann ich es nicht unterstützen, dass Leute Ergotherapeuten werden und das tut weh. Ich mache das nur für meine Patienten, um ihnen zu helfen und kann mir keinen anderen Beruf vorstellen.“ Trotzdem hat sie Verständnis für ihre Kollegen, die sich beruflich umorientieren, da sie sich ihre Arbeit nicht mehr leisten können.
Auch in anderen Städten gehen Therapeuten derzeit mit der Kreide auf die Straße. Für den 26. August ist außerdem eine bundesweite Kreideaktion geplant.