Uniwahlen: AStA abgewählt – weitere Manipulationen
Nach der Manipulation: Unter verschärften Sicherheitsbedingungen fand am Mittwoch die erneute Auszählung der Wahl zum Studierendenparlament an der Uni Hamburg statt. Grobe Unregelmäßigkeiten hatten diesen Schritt notwendig gemacht.
Von Moritz GerlachDer Altbau der Staatsbibliothek ist ein gut versteckter Ort. Nur durch einen einzigen Durchgang im ersten Stock des von 1960-1982 errichteten „Neubaus“ kommt man in das alte Wilhelmgymnasium. Von 1885 bis 1945 war hier eine der wichtigsten Bildungsstätten des Hamburger Bürgertums.
Ein von Arkaden umgebener Lichthof beherbergt unter einem Glasdach auf drei Stockwerken Bibliotheken, die den meisten Studierenden wahrscheinlich unbekannt sind. Und genau hier, zwischen der Theatersammlung, der Homöopathischen Bibliothek und dem Nachlass des Zuckerbarons Carl Linga, fand am Mittwoch die erneute Auszählung der Wahlen zum Studierendenparlament statt.
Mit Absperrungen und Notar
Abgesperrt mit roten Kordeln und Messingbeschlag thronten die 18 Urnen als Stars der Veranstaltung auf einer kleinen Bühne im Innenhof. Innerhalb dieses Sperrgebiets wurden Separees mit Zähltischen abgesteckt. Warnhinweise machten deutlich: „Zutritt nur für Wahlhelfer“. In der Mitte des Saals wanderten die wachsamen Augen des eigens beauftragten Notars durch den Saal. Auf einem Schreibblock vermerkte er alle Vorkommnisse für sein Protokoll.
Weitere Zählungsmanipulationen aufgedeckt
Die Auszählung unter notarieller Aufsicht brachte weitere Unregelmäßigkeiten zu Tage. Wieder war das Stimmergebnis durch einen oder mehrere Unbekannte zu Lasten der AStA-Koalition auf das linke Lager „umverteilt“ worden. Der oder die Täter hatten dabei insofern Fairness walten lassen, dass die zweckentfremdeten Stimmen dem linken Lager gleichmäßig zu Gute kommen sollten.
Neuauszählung – ein teures Vergnügen
Der neue Termin war kein billiges Unterfangen. Mehr als 5000 Euro Kosten verursachten die bisher unbekannten Wahlbetrüger mit der notwendig gewordenen Neuauszählung der Stimmen.
Langsam, aber gewissenhaft
Ein paar neue Spielregeln wurden aufgestellt: Ein Wahlvorstand überwacht die Veranstaltung, der Zugang in den Zählbereich wird dauerhaft überwacht und die Personalien der Wahlhelfer werden kontrolliert. Die Zwischenergebnisse werden nicht mehr bekanntgegeben, sondern direkt in das Auszählungsprogamm eingegeben. Mehrere Pappkartons mit belegten Broten warten auf die helfenden Hände. Alkohol spielt an diesem Tag keine Rolle. Statt Bier gibt es Mate-Tee, Limonade und Cola. Während Zuschauer den Zählbereich von allen Seiten einsehen können, werden Urnen bewegt und Listen ausgegeben. Mitglieder von Opposition und Koalition bilden dauerhafte Pärchen. Vertrauen ist gut, ein genaues Verfahren besser.
CampusGrün: Keine Beteiligung an Spekulationen zum Wahlbetrug
In den offiziellen Pressemitteilungen der Grünen hielt man sich in Sachen Manipulation bedeckt, auch um sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. Moritz Lamparter ergänzte dazu auf Nachfrage: „Ich bin bestürzt über die Fehler bei der Auszählung. Wir verurteilen den Versuch der Manipulation einer Wahl, denn das widerspricht elementar unserem Demokratieverständnis. Jegliche Schuldzuweisungen vor offiziell bestätigten Tatsachen lehnen wir ab.“ Sonja Lattwesen, die grüne Wahlhelferin, die den Betrugsversuch aufgedeckt hatte, widersprach der Darstellung eines Auszählungsfehlers deutlich. Sie kann auf eine langjährige Erfahrung bei der Organisation der Wahlen zurückblicken. Ein Versehen könne ihrer Meinung nach nahezu ausgeschlossen werden. Eine einzelne Person hätte diesen Anschlag auf die Demokratie nur schwer verwirklichen können. Ohne Komplizen sei dies kaum möglich gewesen.
Das Tempo der Auszählung ließ einen langen Abend erwarten. Um 20 Uhr konnte den Anwesenden ein Endergebnis bekanntgegeben werden.
Endlich ein Wahlergebnis – Klatsche für den AStA
Bei einer Wahlbeteiligung von 18,7 % gaben gerade einmal 7743 der rund 40.000 Studenten ihre Stimme ab. Immerhin stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zum Vorjahr um 0,8%. Das AStA-Lager ist nach dieser Wahl nicht mehr in der Lage seine Koalition fortzuführen.
Gefahrengebiet Campus – Jusos großer Verlierer
Die Juso-Hochschulgruppe wurde auch für die vorherrschende Stimmung unter den Studenten gegenüber der Mutterpartei abgestraft. Ihre stark betonte Parteibindung hatte es ihnen zuvor möglich gemacht, die Abschaffung der Studiengebühren durch die SPD für sich zu nutzen. Sich nicht von der Politik der Sozialdemokraten zu distanzieren, war letztlich konsequent und trug mutmaßlich zum schlechten Wahlergebnis bei. Ohne den beherzten Wahlkampf des stellvertretenden Juso-Landesvorsitzenden Timo Hempel (errang ein Direktmandat mit 124 Stimmen) wäre das Ergebnis wohl noch drastischer ausgefallen.
AStA-Referentin Anna-Lena Groß bedauerte, dass es nicht gelungen sei, Erstsemester und Wechselwähler von der tollen Arbeit zu überzeugen. Zur versuchten Manipulation des Wahlergebnisses fand sie klare Worte: „Wir sind erschüttert über die Wahlfälschungen zu unseren Ungunsten und hoffen, dass diesen antidemokratischen Vorgängen künftig kein Raum mehr bei StuPa-Wahlen gelassen wird.“ Auch der RCDS verurteilte diesen Angriff auf die Demokratie scharf.
Wo gewählt wird, fallen Späne
Zeit für einen Rückblick auf die turbulente Wahlwoche blieb trotzdem: Wahlhelfer berichteten einhellig von einem rüden Ton, der gegenseitigen Respekt komplett vermissen habe lasse, einer vergifteten Stimmung und chaotischen Zuständen. Ein Blick in das Wahlprotokoll unterstützt diese Einschätzung.
Wie geht es weiter? Campusgrün stärkste Kraft an der Uni
Mit zehn Sitzen und einem klaren Auftrag zur AStA-Bildung findet sich CampusGrün mit zehn Parlamentariern zwischen zwei verfeindeten Blöcken. Auf der einen Seite stehen die Rudimente der von Fakultätslisten, Jusos und Liberalen geprägten „Vernunft“-ASten und dem RCDS auf der anderen Seite. Die letzten Koalitionspartner der Grünen, waren SDS, die Reste des vormals einflussreichen „Regenbogen“ und das sogenannte „Bündnis für Aufklärung und Emanzipation“ um die Liste LINKS.
Einen neuen AStA kann man erwartungsgemäß ohnehin frühestens zum Ende der Semesterferien erwarten. Dann tagt das neu zusammengesetzte Parlament erstmalig.