A7-Deckel drauf: Hamburg verbannt den Verkehr unter die Erde
Der Ausbau der A7 in Hamburg ist Teil einer großen Entwicklung in der Verkehrsplanung. Carsten Gertz, Professor für Verkehrsplanung an der TU Hamburg-Harburg, beschreibt im Interview die wichtigsten Umbrüche in der Straßengestaltung und blickt in die Zukunft der Verkehrsplanung.
Von GastEimsbütteler Nachrichten: Herr Gertz, geben Sie uns eine kleine historische Einführung: Wie hat sich die Verkehrsplanung in Großstädten seit den 1960er Jahren verändert?
Carsten Gertz: Bis Mitte der 60er Jahre hat die Motorisierung stark zugenommen. Da hat man zum ersten Mal die Probleme wahrgenommen. Der erste Schritt war die Einführung von Fußgängerzonen in den Innenstädten. Was für uns heute selbstverständlich ist, war zum damaligen Zeitpunkt hoch umstritten. Es herrschte der Gedanke, dass man dem Verkehr so viel Platz einräumen muss wie möglich.
Die Geschäftsleute waren gegen die autofreien Zonen, weil sie sich nicht vorstellen konnten, wie die Kunden zu ihnen kommen. Es bedurfte einiger positiver Beispiele, bis Mitte der 70er Jahre dann alle großen Städte die Weichen für Fußgängerzonen gestellt hatten.
Konnte sich der Gedanke der autofreien Zonen in den Folgejahren durchsetzen?
Der Ansatz wurde weitergedacht. Die Einrichtung der Fußgängerzonen hat zu einer Verdrängung des Verkehrs in die Randbereiche geführt. Im nächsten Schritt rückten daher die zentrumsnahen Gründerzeitquartiere in den Blick. Dort begann langsam das Zeitalter der Verkehrsberuhigung, das seine Hochphase in den 80er Jahren hatte. Das Ziel waren Wohnquartiere mit wenig Verkehr, sodass der Durchgangsverkehr sich auf die Randbereiche beschränkte.
Die Inspiration für die Verkehrsberuhigung kam aus den Niederlanden. Dort gab es schon viele Straßen, die einheitlich gepflastert waren, heute bezeichnet man das bei uns als Spielstraße. Man hat angefangen, einzelne Straßen nach niederländischem Vorbild umzugestalten. Man hat aber gemerkt, dass der nachträgliche Umbau sehr teuer ist. Deshalb hat man mit punktuellen Maßnahmen experimentiert, zum Beispiel mit Pollern auf der Straße, damit die Leute langsamer fahren. Die Provisorien haben der Verkehrsberuhigung einen schlechten Ruf eingebracht.
Würden Sie sagen, dass der Platzmangel in Großstädten der Grund für Tunnelprojekte ist?
Nein, ich glaube das ist nur ein Aspekt. Sehr viel dominierender ist das gesamte Thema Lärmschutz, in dem die EU strikte Grenzwerte vorgibt. Die heutigen Tunnelprojekte zielen vor allem auf Lärmschutz ab und die Reduzierung der Trennwirkung, wie man planerisch so schön sagt.
Man darf sich dabei aber keine Illusionen machen. Es geht auch um die Beibehaltung der Leistungsfähigkeit der Straßen. Man kommt schneller ans Ziel, wenn man durch einen Tunnel fährt und nicht an jeder Kreuzung an einer roten Ampel anhalten muss. Der A7-Deckel in Altona ist ja auch eine Verbreiterung der Autobahn. Tunnel sind extrem teuer, deshalb kann man sie nur vereinzelt einsetzen.
Beim Projekt A7-Deckel weicht Verkehrsraum neuem Wohnraum und Grünanlagen. Muss sich der Verkehr zunehmend der Schaffung von neuem Wohnraum unterordnen?
Pauschal kann man das nicht sagen. Aber wir haben schon die ersten Beispiele dafür. Eines ist die Leipziger Straße in Berlin, die auf den Potsdamer Platz zuführt. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann hat in den Neunziger Jahren dafür gesorgt, dass die zu DDR-Zeiten unheimlich breite Leipziger Straße schmaler gemacht wurde. Die entstandene Fläche wurde bebaut. Man hat da durchaus die Chance genutzt, die frühere Verkehrsfläche zu bebauen. Das ist sicher eine neuere Entwicklung. Das wäre so in den 70er oder 80er Jahren nicht machbar gewesen.
Welche Aspekte sind Ihrer Meinung nach in Zukunft wichtig bei der Verkehrsplanung in Großstädten?
Eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre wird der Umgang mit Hauptverkehrsstraßen sein, weil dem Thema Leistungsfähigkeit im Autoverkehr nicht mehr alles andere untergeordnet werden kann. Themen wie Lebensqualität, Lärmgrenzwerte und Luftschadstoffe sowie die Reduzierung von Barrierewirkungen werden eine größere Rolle spielen. Das wird sicher schwierig werden, das erfordert eine eindeutige Positionierung.
Mit Positionierung meinen Sie die Politiker?
Ja. Im Einzelfall bedeutet das einen mühsamen Aushandlungsprozess zwischen Politikern und allen Beteiligten. Das kann die Politik natürlich nicht alleine, da müssen viele andere mitspielen. Ansonsten sind wir in einer Phase, die in Zukunft geprägt sein wird von sehr drastischen Veränderungen: Zum Beispiel durch den Umstellungsprozess auf alternative Antriebe, und dadurch, dass autonome Fahrzeuge keine spinnerte Idee mehr aus dem Science-Fiction-Film sind, sondern in den Bereich des Möglichen rücken.
Man konnte das Aufkommen von Carsharing in den letzten Jahren schon beobachten. Da entsteht ja ganz viel, allein durch die Vernetzung und die Informationsbereitstellung. Da verändert sich das gesamte Spielfeld. Wir haben nach wie vor große ungelöste Probleme, wie der CO2-Ausstoß im Verkehr und die Einhaltung von Grenzwerten. Die Besonderheit der Zukunft wird sein, dass ganz viele Entwicklungen parallel laufen werden.
Interview: Sonja Wurtscheid
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