Der Mann mit der Propellermütze
Bei Gilg Frick dreht sich alles um Kreativität. Dazu gehört für ihn auch, schlechte Ideen zu haben – oder Nagellack zu tragen.
Von Julia HaasStatt Anzug trägt Gilg Frick bei der Arbeit Propellermütze. Die bunte Kappe ist zu seinem Markenzeichen geworden, sie macht ihn sichtbar und versteckt ihn zugleich – für ihn die ideale Kombination.
Designagentur: Irgendwann reichte das nicht mehr
Gilg sitzt auf einem grauen Sofa im Dachgeschoss des Kleinen Kielort 8, die Knie angewinkelt, sein Blick wandert durch den Raum. In einer Ecke steht eine gelbe Badewanne, in einer anderen stapeln sich Umzugskartons. Co-Working-Space, Ausstellungsraum, Eventfläche, Werkstatt, Kreativraum – keine Bezeichnung wird diesem Ort gerecht. Es ist von allem ein bisschen und mehr.
Ursprünglich war Gilg hier mit seiner Designagentur eingezogen. Irgendwann reichte ihm das nicht mehr. „Wir waren nicht mehr kreativ, wir haben nur noch umgesetzt.” Also beschloss er, sein Unternehmen zu öffnen. Der „Nice Idea Club” war erfunden, der Kleine Kielort sein Spielplatz.
Oft tarnt Gilg seine Workshops, Vorträge oder Gesprächsrunden. „Zu Kreativworkshops kommen nur Menschen, die sich für kreativ halten.” Er will mehr erreichen. Eine Veranstaltung trug den Titel „Deep Talk und Tattoos”, regelmäßig lädt er zum Format „Nice Scheiss” ein, dabei geht es um Ideen, die schiefliefen. Über das Scheitern zu reden, Quatsch zuzulassen – auch das bedeutet für Gilg, kreativ zu sein.
Vor 15 Jahren nach Hamburg gekommen
Woher kommt die ganze Kreativität? Stille. Gilg kaut auf seiner Lippe. Vielleicht ist es so mit manchen Dingen: Sie nehmen alles ein – ohne Anfang und Ende. Dann versucht er es doch und fängt bei seinen Eltern an. Sein Vater Diplomingenieur, seine Mutter Designerin. Zwei Pole, die ihn prägten. Für ihn bedeutet, kreativ zu sein, nicht, Klavier zu spielen oder den Pinsel zu schwingen. „Kreativität passiert im Kopf.” Wenn neue Ideen entstehen und alte Muster bröckeln – das hat er auch von seinen Eltern gelernt.
Nach der Schule studierte er Kommunikationsdesign in Schwäbisch Gmünd, nur wenige Kilometer von seiner Heimat entfernt. Doch er wollte immer weg von dort. Einen Tag nach der Abschlussfeier stieg er in den Umzugswagen und fuhr nach Hamburg. Das war vor 15 Jahren.
Wollte nie sichtbar sein
Heute weiß er: Von der Norm abzuweichen, eröffnet neue Horizonte. Und das wiederum macht – natürlich – kreativ. Manchmal reiche es, sagt Gilg, als Mann Nagellack zu tragen und zu schauen, was passiert. Oder eben eine Propellermütze.
Netzwerken, auf Bühnen stehen, sichtbar sein – darauf hatte er eigentlich nie Lust. Nicht mal zu telefonieren. Vielleicht, weil er als Kind lange Haare hatte, rosa Pullis liebte und die anderen Kinder ihn deswegen hänselten. Mit dem Älterwerden, mit der Selbstständigkeit, vielleicht mit Hamburg änderte sich das.
Wenn er heute die Propellermütze trägt, geht es auch darum, sein inneres Kind herauszulassen. Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Und ein bisschen dient der Hut als Maske, hinter der er sich verstecken kann. Sobald er ihn trägt, kommen die Menschen auf ihn zu, sprechen ihn an – und er muss es nicht tun.
Neue Lösung muss her
In den letzten Jahren hat er seine Kreativität auch beim Grindel e.V. eingebracht – Flyer, Plakate oder die Webseite gestaltet. Als nächstes Projekt steht das Grindelfest an. Und danach? Gilg muss den Kleinen Kielort verlassen: Wasser tropft durch das Dach. Die Umzugskisten sind gepackt. Temporär kann er mit seinen Projekten auf eine Fläche in der HafenCity ausweichen. Danach muss eine neue Lösung her. Vielleicht wieder im Grindel. Hoffentlich.
Aktualisierung vom 24. September 2024, 17:48 Uhr: Gilg Frick ist mit seinen Projekten inzwischen in die HafenCity gezogen.
lokal. unabhängig. unbestechlich.
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