War die Absage des Grindelfests richtig – und wie geht es weiter?
Am kommenden Wochenende hätte das jüdische Kulturfest im Grindelviertel stattfinden sollen. Doch nach dem Attentat in Solingen sagten die Veranstalter das Fest ab. Eine gute Entscheidung?
Von Christiane TauerDie Absage des Grindelfests durch den Veranstalter stößt bei der Jüdischen Gemeinde Hamburg auf Unverständnis. Ihr Geschäftsführer David Rubinstein erklärt auf Nachfrage der Eimsbütteler Nachrichten, die Absage sei ein Fehler. Dadurch würden die gewinnen, die solche Feste verhindern wollen.
Grindelfest abgesagt, aber andere Stadtteilfeste nicht
Das Grindelfest hätte am kommenden Wochenende in Form eines jüdischen Kulturfests stattfinden sollen, wurde jedoch nach dem Attentat in Solingen durch den Grindel e.V. aus Sicherheitsgründen abgesagt.
War die Entscheidung im Rückblick richtig? Aus David Rubinsteins Sicht nicht. Er weist unter anderem darauf hin, dass andere Stadtteilfeste in Hamburg nicht abgesagt wurden. Das Uhlenhorster Stadtteilfest hätte sogar direkt am Wochenende nach dem Attentat in Solingen stattgefunden, so Rubinstein.
Wegen Shabbat keine Veranstaltung am Samstag
Ob sich die Jüdische Gemeinde vorstellen könnte, das Grindelfest im nächsten Jahr alleine zu organisieren, will Rubinstein aktuell nicht beantworten. Jedoch sei zu bedenken, dass die Gemeinde wegen des Shabbats, dem wöchentlichen Ruhetag im Judentum, keine Veranstaltung am Samstag ausrichten könne.
Demnach wäre nur ein Fest am Sonntag möglich. „Wäre das noch ein Stadtteilfest?“, fragt Rubinstein.
„Riesenfehler“ und „falsches Signal“
Auch Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg, spricht von einem „Riesenfehler“ und „falschen Signal“. Er trat vergangene Woche beim Sommerfest des ETV auf und thematisierte in seiner Rede unter anderem die Absage des Grindelfests.
Klar wurde dabei: Viele Jüdinnen und Juden müssten ihr Leben bereits jetzt aus Sicherheitsgründen massiv einschränken, solche Absagen würden weitere Einschnitte darstellen.
SPD hofft auf baldigen Nachholtermin
Zweideutige Signale kamen aus der Politik. So teilte die Eimsbütteler SPD-Fraktion in einem Statement mit, sie bedauere den Entschluss sehr. „Gleichzeitig respektieren wir die Entscheidung des Grindel e.V., die Sicherheit aller Beteiligten in den Vordergrund zu stellen“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Gabor Gottlieb.
Er machte klar: „Wir lassen uns weder unsere Feste noch den öffentlichen Raum nehmen. Wer glaubt, unsere Lebensweise durch Angst und Schrecken einschränken zu können, irrt.“ Die SPD hoffe, dass das Fest bald nachgeholt werde.
Grüne: Muss möglich sein, solche Feste zu veranstalten
Till Steffen, Eimsbüttels Bundestagsabgeordneter der Grünen, zeigte in einem Video in den Sozialen Medien ebenfalls Verständnis für die Absage durch den Veranstalter.
Zugleich betonte er: Islamisten düften es nicht schaffen, „unser vielfältiges Leben“ einzuschränken. Es müsse möglich sein, solche Feste zu veranstalten – nämlich indem Veranstalter und Polizei im Vorfeld eng zusammenarbeiten.
Polizei war von Absage überrascht
Die Polizei macht auf Anfrage deutlich, dass es diese Zusammenarbeit gegeben habe. „Wir waren wir in guten Gesprächen mit dem Veranstalter“, sagt Pressesprecher Thilo Marxsen. Die Absage sei für die Polizei überraschend gekommen.
Die Polizei bewerte die Sicherheitslage fortwährend. „Konkrete Hinweise auf eine Gefährdung Hamburger Veranstaltungen liegen nicht vor“, so Marxsen. „Gleichwohl gilt unverändert eine abstrakt hohe Gefährdungslage.“
Ohne Jüdische Gemeinde hätte Fest stattgefunden
Und was sagt Jimmy Blum, Vorsitzender des Veranstalters Grindel e.V., im Nachgang zu seiner Entscheidung? Er bereue nichts, teilt er auf Nachfrage mit. Die Absage sei richtig gewesen – auch im Rückblick. Dieser Meinung sei der gesamte Vorstand des Vereins. Auch hätten ihn persönlich „zum allergrößten Teil“ verständnisvolle Reaktionen erreicht.
Blum erklärt auch, dass er das Fest ohne die Beteiligung der Jüdischen Gemeinde nicht abgesagt hätte – dann hätte die Sicherheitslage anders ausgesehen.
Was ihn verwundere, sei die Tatsache, dass die Absage so hohe Wellen schlug. Unter anderem hatten bundesweit erscheinende Medien wie das Nachrichtenmagazin Spiegel über die Entscheidung berichtet.
Absage fiel schwer, weil Programm schon stand
Gerüchte in der Öffentlichkeit, dass der kurze Planungszeitraum bei der Absage eine Rolle gespielt habe, widerlegt Blum. Es sei ihnen trotz der knappen Zeit gelungen, ein tolles Programm auf die Beine zu stellen – umso schwerer sei die Absage gewesen.
Mit Blick auf das Jahr 2025, wenn es voraussichtlich einen neuen Anlauf für ein jüdisches Kulturfest gibt, wünscht sich Blum von Anfang an mehr Unterstützung. „Wir wollen nicht alleine verantwortlich sein“, sagt er. Deshalb sollte man sich rechtzeitig mit Politik und Behörden zusammensetzen.
Sondermittel nicht abgerufen
Für das diesjährige Fest hat der Verein vom Bezirk Eimsbüttel außerdem Sondermittel in Höhe von 60.000 Euro erhalten. Ob diese im nächsten Jahr erneut bereitstehen, wird sich zeigen.
Zurückzahlen müsse er das Geld jedenfalls nicht. „Weil wir die Summe gar nicht abgerufen haben“, sagt Blum.
Mit den mitwirkenden Dienstleistern sei noch nichts schriftlich festgehalten gewesen. „Wir arbeiten mit allen seit vielen Jahren zusammen, deshalb lief alles ,auf Zuruf‘.“ Somit seien auch keine Kosten entstanden. „Nur die Einnahmen werden uns jetzt fehlen“, sagt Blum.
Grindelfest aus Angst vor Nachahmungstat abgesagt
Das Grindelfest hätte vom 13. bis 15. September als Straßenfest rund um den Grindelhof stattfinden sollen. Veranstalter waren der Grindel e.V. in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde und den Hamburger Kammerspielen.
Nachdem es auf einem Stadtfest in Solingen Ende August jedoch zu einem islamistisch motivierten Attentat kam und ein Mann mehrere Besuchende mit einem Messer angriff und drei Menschen starben, entschied Jimmy Blum als Vorsitzender des Grindel e.V., die Reißleine zu ziehen. Am 28. August sagte er das Grindelfest aus Angst vor einer Nachahmungstat ab.
Mitarbeit: Julia Haas
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