Kirche kündigt Mietvertrag – Kinder müssen raus
Seit 30 Jahren gibt es die „Kindervilla“ in der Fruchtallee – eine Inklusionskita. Jetzt müssen Kinder und Erzieherinnen ausziehen, weil die „Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Eimsbüttel“ den Mietvertrag gekündigt hat.
Von Julia Haas„Wer bist du?“, fragt ein kleiner Junge an der Tür – abmarschbereit für den Ausflug in die Turnhalle. Trotz Trubel zwischen Schuhe anziehen und Jacke finden, fällt ihm ein unbekanntes Gesicht sofort auf. Für ihn und die 49 anderen Kinder ist die Kindervilla in der Fruchtallee mehr als eine Kita. Vielmehr ein zweites Zuhause, Erzieherinnen und Eltern das vertraute Umfeld. Von Montag bis Freitag verbringen die Kinder hier ihren Alltag – angefangen beim Frühstück bis zum Nachmittagssnack.
Doch wie lange noch? Die „Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Eimsbüttel“ hat den Mietvertrag mit der Kindervilla gekündigt. Im Frühjahr 2023 muss die inklusive Kita ausziehen. Wie es dann weitergeht, weiß Kitaleiterin Anke Wortmann nicht. Im schlimmsten Fall bedeute das Ende des Mietvertrags auch das Ende des 30-jährigen Bestehens.
Gebäude von der Kirche auf dem Grund der Stadt
1991 gründeten mehrere Eltern den Verein Kindervilla Fruchtallee e.V. – eine inklusive Kita für Kinder mit und ohne Entwicklungsauffälligkeiten. Kitaleiterin Wortmann beschreibt das Konzept als besonders in Eimsbüttel: „Inklusion ist für uns ein Lebensmodell und ein Anker für die Kinder.“ Es gibt 50 Kita-Plätze, davon zehn für Kinder mit Behinderungen.
Seit ihrer Gründung hat die Kindervilla in der Fruchtallee 22 ihr Zuhause – ein altes Pastoratsgebäude gegenüber der Christuskirche. Das Gebäude gehöre der „Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Eimsbüttel“, das Grundstück der Stadt, erklärt Wortmann. Deswegen fließt die Hälfte der Mieteinnahmen an die Stadt. Lange war das kein Problem. Im Jahr 2013 sicherte die Kirche ein langfristiges Mietverhältnis zu, sagt Wortmann. Woraufhin die Kita für rund 150.000 Euro die Räume sanierte.
„Kindervilla“: „Wirtschaftliches Kalkül“
Drei Jahre später änderte sich das – „langfristig“ ersetzte die Kirche plötzlich durch „befristet“ für fünf, maximal sieben Jahre. Weniger Mitglieder, weniger Kirchensteuern. „Wir müssen schauen, wie wir unsere Gelder einsetzen“, sagt Claudia Dreyer, Vorsitzende des evangelischen Kirchengemeinderats in Eimsbüttel. Weil sich die Vermietung der Fruchtallee 22 nicht mehr rentiert, will die Kirche mit eigenen Institutionen einziehen. „Dadurch werden andere Immobilien frei, die wir lukrativer vermieten können.“
„Wirtschaftliches Kalkül“, sagt Wortmann von der Kindervilla dazu, fragt nach dem sozialen Auftrag der Kirche. Die wiederum betont: „Wir wollen niemand rausschmeißen.“
„Kindervilla“ sucht nach neuen Räumen
Seit der Kündigung sind fünf Jahre vergangen, zwei Jahre bleiben bis zum Auszug. Genug Zeit, um eine neue Immobilie zu finden, dachte die Kirche. Dachten auch die Vertreter der Kindervilla. Zwischenzeitlich sah es danach aus: Nur wenige Meter weiter hätte die Kindervilla in den Weidenstieg 26 ziehen sollen. Doch das Neubauprojekt am Bunker ist gescheitert, das neue Zuhause verloren, bevor es gebaut wurde.
Eltern und Erzieherinnen stehen wieder ganz am Anfang. „Es ist schwer, eine passende Immobilie zu finden und dann auch die Genehmigung für eine Kita zu bekommen“, sagt Wortmann. Voraussetzung dafür sei unter anderem eine Außenfläche von mindestens 100 Quadratmeter. Wo? Am besten in Eimsbüttel. „Die Kindervilla gehört ins Viertel“, sagt Kerstin Biel, ihre Tochter besucht die Kita. Für die Eltern sei es wichtig, dass ihre Kinder weiterhin in der Umgebung und im gleichen Umfeld betreut werden: „Es ist ein total schönes Miteinander, Freundschaften zwischen Kindern, Eltern und Erziehern sind entstanden.“
Für 40 bis 60 Kinder sucht die Kindervilla:
Immobilie mit 215 bis 315 Quadratmeter, bis ca. 20 Euro pro Quadratmeter, mindestens 100 bis 150 Quadratmeter Außenfläche, zwei bis drei feste Parkplätze in der Nähe.
Die Kindervilla freut sich über Tipps an kontakt@kivifruchtallee.de.
Zurück zur Kirche?
Bislang gestaltet sich die Suche nach geeigneten Räumen schleppend. Wer am Ende noch helfen könnte: die Kirche. Durch den Umzug eigener Institutionen in die Fruchtallee 22 ergeben sich woanders freie Räume. Kann die Kindervilla dort einziehen? „Wir stehen in einem guten Austausch und suchen gemeinsam nach Lösungen“, sagt Dreyer vom Kirchengemeinderat.
„Wir hoffen auf eine Möglichkeit“, sagt Kitaleiterin Wortmann. Denn auch wenn sie und die Kinder am liebsten in ihrem alten Zuhause bleiben würden, könnte ein Umzug in die Nachbarschaft ihre größte Sorge lindern: Die Angst, die Kindervilla für immer zu schließen.