Niels Böttcher mit 57 Jahren gestorben
Er war da, wenn Eimsbüttel ihn brauchte: als Politiker, Initiator, Kämpfer. Nun ist Niels Böttcher überraschend verstorben. Nachruf auf einen, der seinen Stadtteil auf so vielen Ebenen geprägt hat.
Von Vanessa Leitschuh„Höllenglocken, sie dröhnen durch den Himmel.“ Wie die Spieler des FC St. Pauli ins Millerntorstadium einlaufen, wird der Sarg zu Hell’s Bells auf den Sportplatz von Grün-Weiß Eimsbüttel getragen. Familie, Freunde und Weggefährten haben am Samstag Abschied von Niels Böttcher genommen. Im Alter von 57 Jahren ist der Eimsbütteler Politiker und Gastronom unerwartet und aus ungeklärter Ursache am 1. August gestorben.
Der Stoff, aus dem Sieger gemacht sind
Ein bunter Flickenteppich liegt auf dem Rasen, er ist Ausdruck Böttchers Einsatz für Eimsbüttel. Bei einer Stadtteilwette gegen den NDR hatten Eimsbütteler 2013 Stoff gesammelt und vernäht. Bis in die Morgenstunden surrten die Nähmaschinen. Niels Böttchers Eltern, Frau und Töchter packten mit an, denn: „Wenn ein Böttcher ein Ziel hat, ziehen alle Böttchers mit an einem Strang“, erzählt Til Bernstein vom Osterstraße e.V. bei der Trauerfeier.
Eimsbüttel gewann die Wette. 150 Quadratmeter Stoff kamen zusammen, ein Achtel davon hätte für den Sieg gereicht. Beim Osterstraßenfest wehte die Decke an der Karstadt-Fassade. Sieben Jahre später rollt Eimsbüttel den Teppich für Niels Böttcher aus.
So bunt wie dieses Flickwerk war auch Böttchers Engagement. In der Politik, im Sport oder der Wirtschaft: Er wurde nicht müde, Verantwortung für seinen Bezirk zu übernehmen.
Anwalt der Bürger
Schon früh war er in der Politik aktiv: Mit vierzehn Jahren trat er der jungen Union bei. War viele Jahre erst stellvertretender dann Vorsitzender der CDU Eimsbüttel. “Er hat damals frischen Wind in den Altherrenverein gebracht”, erinnert sich Rüdiger Kuhn, langjähriger Freund und Parteikollege.
Er nahm sich Zeit, für jeden, der zu ihm kam, und ging selbst zu den Menschen. Ob eine neue Straße geplant oder ein Haus gebaut wurde – Niels Böttcher wusste, was die Eimsbütteler davon hielten. Er wollte Beteiligung, keine Hinterzimmerpolitik. “Er war eine Art Anwalt der Bürger“, so Kuhn.
2001 wurde er Mitglied in der Bezirksversammlung Eimsbüttel und rückte 2004 sogar in die Bürgerschaft nach. Vier Jahre später wurde er wieder in die Bezirksversammlung und zu deren Präsidenten gewählt. In der Bürgerschaft wie in der Bezirkspolitik, Böttcher war Fairness wichtig. Er stritt auch mal mit Parteikollegen, wenn es sein musste. Sein Credo: Man kann sich inhaltlich hart streiten und trotzdem hinterher ein Bier zusammen trinken.
Mit Leidenschaft und Sportgeist
Bei diesem Sportgeist überraschte es nicht, dass seine Leidenschaft dem Sport galt. Eimsbüttel lag ihm am Herzen. Er engagierte sich in vielen Bereichen, hatte für soziale, kulturelle und städtebauliche Aspekte ein Ohr, aber der Sport blieb seine Domäne. Denn dort, wo so viele Menschen in ehrenamtlichen Tätigkeiten zusammenkommen, werde viel Gutes für die Stadt getan, fand er.
Vom Judo bis zum Fußball: Niels Böttchers Kontakte reichten in alle Sportarten und Vereine. Er setzte sich als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion oder als Mitglied im Sportausschuss der Bürgerschaft für das Vereinsleben ein. Selbst als Gastronom unterstützte er zunächst den Niendorfer TSV und später Grün-Weiß Eimsbüttel. Dort war er nicht nur im Vorstand, sondern nahm sich auch am Tresen des Clubhauses „Heimspiel“ den Belangen der Vereinsmitglieder an.
Die Ämter fanden ihn
Ob Elternbeirat oder Vereinssitzung – die Ämter fanden ihn. “Ich kann nicht alles verändern, will aber auch nicht tatenlos zusehen”, sagte er 2018 im Interview, als die Eimsbütteler Nachrichten ihn zum Eimsbütteler des Monats kürten. “Wenn ich es selbst mache, weiß ich, was passiert und kann mich im Nachhinein nicht aufregen.”
Sein Talent war es, Menschen zusammenzubringen. Als Erster Vorsitzender des Osterstraße e.V. förderte er über Jahre die Gemeinschaft im Stadtteil. Unterstützte im triefenden Regen beim Laternenumzug, führte das Weiße Dinner mit ein und wirkte bei der Entstehung des Weinfests mit.
“Ich will, dass es Eimsbüttel gut geht”, sagte er im Interview vor zwei Jahren. Und das zeigte er. Ohne sein Engagement wäre Eimsbüttel heute wohl ein anderes.
Auf seinem letzten Weg durch Eimsbüttel trägt Niels Böttcher St. Pauli-Trikot und zerrissene Hosen. Es konnte nur diese Garderobe sein, hatte seine Familie entschieden. Die Axthose erinnert an den Tag, an dem er sich beim Holzhacken eine Axt ins Bein stieß. Stark blutend kam er ins Haus, doch die einzige Sorge galt seiner neuen Hose. Seine Frau Marion brachte ihn ins Elim-Krankenhaus. Die Ärzte musste das Bein flicken, seine Mutter die Hose.
Als der Sarg hinausgetragen wird, erklingt die Fan-Hymne „You’ll Never Walk Alone“. Wie ein Sieger verlässt Niels Böttcher ein letztes Mal den Platz.