
Pretty Woman
Seit 22 Jahren arbeitet Vivi* als Prostituierte – auf der Straße, in Sex-Kinos oder zu Hause. Zwischenzeitlich war sie Ehefrau und Mutter. Jetzt ist sie wieder Prostituierte. Diesmal in Eimsbüttel.
Von Gast*Name von der Redaktion geändert
Ein Teppich aus Zigarettenstummeln, Laub und Müllresten führt zum Eingang des gelben Klinkerbaus. Im Hintergrund das Verkehrsrauschen der Autobahn. Neben »Jenny Jugs« und »Krissie« findet sich auf einem der zwölf Klingelschilder fein säuberlich mit schwarzem Stift der Name »Vivi« geschrieben. Von der Eingangstür führt eine lange Holztreppe hinauf zu den Apartments. Es ist neun Uhr morgens. Vivian steht bereits am Kopf der Treppe. Sie trägt einen leopardengemusterten Fleece-Morgenmantel, dazu graue Strickhausschuhe. Ihre langen schwarzen Haare sind zerzaust, das Make-up vom Vortag liegt noch auf. Hastig winkt sie nach oben. Sie flüstert, entschuldigt sich für ihr Auftreten –„leider verschlafen“ – und für die Hektik – „die anderen Frauen sollen das bloß nicht mitbekommen“. Zügig schleicht sie in ihr Zimmer.
Es riecht nach Karamell und frisch gebrühtem Kaffee. Der Duft vermengt sich mit kaltem Rauch und Patschuli. Vivi macht sich einen Kaffee mit Karamellsirup. Den mag ihr Freund besonders gern. Beerentöne dominieren den sonst weiß gestrichenen Raum. In jeder Ecke findet sich eine pinke Orchidee. Ein großes Wand-Tattoo ihrer Lieblingsblume klebt an der Wand. „Die hier habe ich von einem Verehrer bekommen“, erzählt Vivi und kichert. Sie zeigt eine Tasse mit der Aufschrift »Wann kommt eigentlich der Prinz mit dem Pferd?«. „Es gibt viele, die sich verlieben. Die schenken mir Blumen und wollen mich dann oft sehen.“ Vorsichtig stellt sie die Tasse zurück an ihren Platz. „Man merkt, dass die Männer einen wertschätzen und nicht nur die Hure in einem sehen“, fügt sie hinzu und lächelt.
Pink und lila
Mitten im Raum steht ein großes Bett. Körperlotion, Lippenstift, Haarspray, Kosmetiktasche und Aschenbecher sind darauf verteilt. Über dem Bett hängt ein großer, rechteckiger Spiegel. Vivi betrachtet sich kurz darin, dann greift sie zu Kosmetika: Sie zeichnet sich einen schwarzen Lidstrich und trägt pinken Lippenstift auf. Ihre Bewegungen sind schnell, routiniert und präzise. Zwischendurch geht sie immer wieder im Zimmer auf und ab, sucht unter Kissen und Decken mal ihre Kleidung, dann ihr Glätteisen oder ihr Handy. Vivi redet viel, hastig und euphorisch. Während sie sich anzieht, erzählt sie kleine Anekdoten aus ihrem Arbeitsalltag. Kürzlich habe sie etwa bei einem Freier vergessen einen Orgasmus vorzutäuschen. „Ich bin ja auch nur ein Mensch.“ Mit einem Augenzwinkern ergänzt sie: „Manchmal ist es taktisch klug, es vorzuspielen. Wenn du aber nichts merkst, vergisst du selbst das.“
Vivi setzt sich auf ihr schwarzes Ledersofa unter der lila gestrichenen Dachschräge. Sie trägt nun schwarze Baumwollshorts, ein enges, pinkes Oberteil, ein schwarzer Spitzen-BH blitzt hervor. Ihr Haar ist zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Für die Liebe ist sie seit knapp einer Woche in Hamburg. Für den Job ist sie in Stellingen. Vivi kommt ursprünglich aus …
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Text: Anna Gröhn