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Am Tauschhaus am Stellinger Weg sind schon viele Eimsbütteler in einen Tauschrausch geraten. Foto: Harald H. Haase
Kolumne - vogelfrei

Tauschrausch am Tauschhaus

Harald H. Haase ist süchtig. Unseren Kolumnisten hat der Tauschrausch gepackt. Täglich zieht es ihn zum Tauschhaus am Stellinger Weg. Voller Vorfreude auf das nächste Schätzchen, das seinem Leben den ultimativen Kick versetzt.

Von Harald H. Haase

Kuckuck Eimsbüttel!

Der Anlass ist ein trauriger. Abschiedsschmerz. Menschen müssen sich trennen. Menschen wollen sich trennen. Nicht vom Partner oder schlechten Angewohnheiten. Nein, von ihren Töpfen, ihren Klamotten, ihren Büchern. Von ihrem Nippes. Die Töpfe sind nicht angebrannt. Die Klamotten nicht befallen von Motten. Und die Bücher haben keine Würmer. Alles auf keinen Fall ein Fall für den Abfall. Die sozialverträgliche Lösung lautet: Destination Tauschtisch im grünen Hexenhaus. Am Stellinger Weg an der Ecke zum Hellkamp.

Welch Freude, man könnte die ganze Welt eintauschen! Sogar seinen Dackel. Die Idee dahinter ist so einfach und so gut, gerade auch weil sie so einfach und so gut ist. Der eine hat´s satt, der andere ist hungrig drauf. Eine Gewinnt-Gewinnt-Geschichte. Das Strahlen in den Augen derer, die kostenlos erstehen, was ihnen gut zu Gesicht steht. Das erfüllende Gefühl der Abgebenden, Gutes zu tun und die Gebühr für den Flohmarktstand zu sparen. Mancher hat grad kein Kleingeld, sich ein Sparschwein zu kaufen. Es reicht nicht mal für eine Vase. Sie finden das Gewünschte auf dem Tauschtisch und die Blume auf der nächsten Wiese. Tischdeko zum Nulltarif – ganz genau keinen Cent dazu bezahlt.

Tauschen macht süchtig

Doch Vorsicht: Tauschen macht süchtig und sehr schnell abhängig. Viele Eimsbütteler suchen sich ihren Friseursalon mittlerweile nach dessen Lage aus. Kommen sie nicht auf dem Hin- und Rückweg am Tauschtisch vorbei, suchen sich einen anderen Salon. Bewohner stellen sich mitten in der Nacht den Wecker und schlafwandeln im Bademantel und in Pantoffeln beim Tauschtisch vorbei, um ja kein Angebot zu verpassen. Sie haben schon eine fortgeschrittene Stufe der Sucht erreicht, wären Kandidaten für einen ersten Termin bei der Suchtberatung gegen Tauschzwang. Aber die Sorge der Schlafwandler ist nicht unbegründet, viele Sachen im Angebot sind Schnelldreher, verschwinden schneller vom Tauschtisch als sie dort aufgetaucht sind. Die Schnelldreher überbietet nur die sogenannte Staffelübergabe. Der Bringer will gerade die Sache auf den Tisch des Hauses legen und der Holer nimmt sie ihm direkt aus der Hand. Im Handumdrehen getauscht.

Tauschrausch am Tauschhaus

Finger und Hände weg – der Bereich hinter dem Tauschhaus ist Sperrbezirk für Sperrmüll. Foto: Harald H. Haase
Plakatieren erlaubt! Die Rückseite des Tauschhauses. Foto: Harald H. Haase
Krims Krams bis zum Abwinken wartet auf einen neuen Besitzer. Foto: Harald H. Haase
Der nächste Sommer kommt bestimmt. Ein T-Shirt in trendigem Orange. Foto: Harald H. Haase

Der ultimative Adrenalinkick vor den meist gut gefüllten Regalen und Kleiderstangen im Tauschhaus. Der Suchenden schlägt das Herz bis zum Hals, die Vorhöfe beginnen zu flimmern: Ist das begehrte Objekt dabei? Das langersehnte Negligé in rosé? Leider nicht, aber der Strampler da unten passt doch dem Neugeborenen Leon. Gerade wer nicht suchet, der findet trotzdem. Spaß macht die erschwerte Suche in der Dunkelheit, hat das Tauschhaus doch keine eigene Beleuchtung. Erst leuchten die Handylampen der Suchenden, dann oftmals ihre Augen. Gäbe es mehr Tauschhäuser, könnte der Euro abgeschafft werden.

Die Tauschfamilie

Nicht selten drängeln sich die Suchenden im und vor dem kleinen Tauschhaus, gehen aber sehr rücksichtsvoll miteinander um. Es ist eine richtige Tauschhaus-Familie gewachsen. Interessenten bringen eine Thermoskanne mit Kaffee mit, verteilen Kekse und halten einen Klönschnack vor dem grünen Haus mit dem spitzen Dach. Erlebnisse von früheren Errungenschaften machen die Runde. Weißt du noch damals der Rasenmäher? Jo, und erst das Schaukelpferd für den Gerd!

Man mag sich, gibt Lesetipps bei Büchern, obwohl man ja strenggenommen in Konkurrenz zueinander steht. Immer auf der Suche nach dem nächsten Volltreffer. Wie der junge Mann und die ältere Dame. Er darf schließlich die Musil-Gesamtausgabe mitnehmen, auf die auch die Dame ein Auge durch ihre Lesebrille geworfen hat. Auf das Angebot des Mannes, bald die zweibändige gebundene Ausgabe von Musils „Mann ohne Eigenschaften“ im Tausch auf den Tisch zu legen, wartet die Tauschfamilie heute noch. Vielleicht ist es in einer der nächsten Nächte soweit. Der frühe Vogel fängt den Bücherwurm.

Schönen Tag noch. Ich hab jetzt frei.

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