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Brezel und Brotzeit: Mit einem typisch deutschen Dinner hat unsere Autorin Julia Haas die Ukrainerin Kateryna (v.l.) in Hamburg willkommen geheißen. Foto: Julia Haas
Brezel und Brotzeit: Mit einem typisch deutschen Dinner hat unsere Autorin Julia Haas die Ukrainerin Kateryna (v.l.) in Hamburg willkommen geheißen. Foto: Julia Haas privat
Magazin #28

„Welcome Kateryna!“

Einen fremden Gast im eigenen Wohnzimmer begrüßen – das ist die Idee von „Welcome Dinner“. Der Verein bringt Hamburger und Menschen, die aus dem Ausland in die Hansestadt gezogen sind, zusammen. Unsere Autorin Julia hat es ausprobiert. Über einen Abend, der mit Aufregung begann und in einer Umarmung endete.

Von Julia Haas

Als es an der Haustür klingelt, weiß ich nicht, was der Abend bringen wird. Seltsame Stille, gute Gespräche? Seit einer Stunde tigerte ich durch die Wohnung, räumte den Brotkorb von einer Tischecke zur anderen, um ihn kurz danach wieder zurückzustellen. Jetzt war sie da – fünf Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit. Überrascht, als hätte ich nicht die ganze Zeit darauf gewartet, sprinte ich zur Gegensprechanlage. „Hier ist Kateryna.“

Ich kenne Kateryna nicht – noch nicht. Was ich weiß: Sie ist Ukrainerin, 42 Jahre alt, isst alles, trinkt gerne Tee.

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Vor knapp vier Wochen hatte ich mich aus Neugier bei „Welcome Dinner“ angemeldet, einem Verein der Hamburger und Neuankömmlinge in der Stadt vermittelt. Die Idee: Menschen, die aus dem Ausland nach Hamburg ziehen, die Ankunft erleichtern. Und: Hamburgern wie mir die Möglichkeit geben, ihre neuen – wenn auch nicht unmittelbaren – Nachbarn kennenzulernen. Seit 2015 hat der Verein über 10.000 Menschen aus 78 Herkunftsländern zusammengebracht. An diesem Donnerstagabend führte das „Welcome Dinner“ Kateryna zu mir und meinem Freund in die Bismarckstraße.

Die Begrüßung

Bis die freundliche Stimme vom Hauseingang das vierte Stockwerk erreicht, vergehen zwei, vielleicht drei Minuten. Immer wieder tapse ich zum Treppengeländer, beuge mich darüber, versuche einen Blick auf die näherkommenden Schritte zu erhaschen. Ähnlich unruhig dreht sich das Gedankenkarussell in meinem Kopf: Was, wenn wir uns nicht verstehen? Sprachlich, zwischenmenschlich oder wegen des fast 20-jährigen Altersunterschieds.

Ich stehe im Türrahmen, als Kateryna die letzte Stufe erreicht. Die blonden Haare fallen ihr über die Schultern. Graue Lederjacke, weißes Shirt, schwarze Culotte. Am linken Ringfinger blitzt ein goldener Ring auf. In ihrem Blick versuche ich abzulesen, für welche Begrüßungsakrobatik wir uns entscheiden – Corona hat die Möglichkeiten grenzenlos gemacht. Wir geben uns die Hand. Ich bin erleichtert.

Nach Angaben der Stadt haben sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs bis Ende Juni 26.598 Schutzsuchende aus der Ukraine in Hamburg registriert. Kateryna und ihre Familie kamen Anfang März. Ihr Weg führte sie über Moldawien und Dresden, jetzt leben sie zu fünft nahe der Holstenstraße.

Das Gespräch

Kateryna, mein Freund und ich stehen im Wohnzimmer, umrunden den Esstisch, auf dem eine Brotzeit wartet: Brezeln, Käse, Tomaten, Oliven. Als mir der Geruch frischer Brezeln in die Nase steigt, knurrt mein Magen. Ich klammere mich am Stuhl fest, versuche mich zu fokussieren.

Kurz unterhalten wir uns auf Deutsch, dann stockt Kateryna, ein Wort fehlt. Wie selbstverständlich wechseln wir auf Englisch – und bleiben dabei. Während ich noch etwas gehemmt am Stuhl hänge, die Situation auf mich wirken lasse, scheint Kateryna diesen Punkt übersprungen zu haben. Sie plaudert, als würden wir uns jeden Donnerstag treffen. Ihre offene Art lässt meine Anspannung verfliegen.

Foto: Julia Haas

Kateryna erzählt von ihren beiden Söhnen im Teenager-Alter, die lieber zeichnen oder trainieren als das Haus zu verlassen. Von ihrer Schwester, die Anwältin ist. Von ihrer 67-jährigen Mutter, die mit der deutschen Sprache hadert und dennoch Übungsbücher verschlingt. Kateryna erzählt all das, als wäre es selbstverständlich, dass sie ihre Lebensgeschichte mit uns teilt. All die schönen Momente, die sie seit ihrer Ankunft in Hamburg erlebt hat. Und von ihrem Mann und Hund, die sie in Odessa zurücklassen musste.

In den letzten Monaten habe ich viele Nachrichten über den Ukraine-Krieg gelesen, Fernsehbeiträge verfolgt, Interviews gehört. So nah wie an diesem Abend war mir der Krieg und die Menschen, deren Heimat er raubt, aber noch nie.

Wir reden an diesem Abend kaum über die Flucht, wenig über den Krieg. Dafür über Katerynas Leben zu Hause. Über das Ferienhaus direkt am Meer. Über die Kinobesuche mit ihrem Mann. Über ihren Berufs­wechsel von der Bank­mit­arbei­terin zur Englischlehrerin. Über ihr Leben, das sie von heute auf morgen zurücklassen musste.

Ich bewundere ihre Stärke und Kraft. Kein einziges Mal bricht ihre Stimme, einmal vermute ich Tränen in ihren Augen zu sehen. Sie hält sie zurück. Ich spüre, wie Gänsehaut meinen Körper überzieht. Ein Schwall voller Gefühle überrollt mich, ich weiß, kein einziges in Worte zu fassen.

Stille

Draußen verdunkelt sich der blaue Abendhimmel, an einzelnen Stellen blitzt das Rot der untergehenden Sonne durch. Ein leichter Luftzug schwappt durch das offene Fenster, verteilt den Duft des getrockneten Lavendels, der in der Mitte des Tisches steht, im Raum. „Ich vermisse die Orte, die ich liebe“, sagt Kateryna auf Englisch. Sie greift zum Lavendel, verreibt einen kleinen Zweig zwischen ihren Fingern. Der Geruch erinnert sie an ihren Garten in Odessa. Für einen kurzen Moment wird es still.

Eine Weile sitzen wir noch zusammen, reden über den Geburtstag ihres Sohnes, über unsere Wochenendpläne. Lachen und lauschen einander.

Kurz bevor Kateryna nach knapp zwei Stunden aufbricht, verabreden wir uns für ein Treffen in ihrer Wohnung, um ihre Söhne, ihre Schwester und Mutter kennenzulernen. Das Konzept „Welcome Dinner” ist aufgegangen: Ich habe einen Menschen kennengelernt, den ich auf anderem Weg womöglich nie getroffen hätte. Die eigene Aufregung vor dem Unbekannten zu überwinden, sich auf Neues einzulassen, sich zu öffnen, es lohnt sich. Zum Abschied umarme ich Kateryna. Dass ich vor drei Stunden noch darüber geknobelt habe, wie wir uns begrüßen, scheint jetzt surreal.

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