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Ein Haus im WM-Fieber. Foto: Tim Eckhardt
Im Heußweg 75 erkennt man das Fußballfieber der Bewohner bereits aus großer Entfernung. Foto: Tim Eckhardt
WM 2014

Das Haus mit den Fahnen

Im Heußweg zwischen La Paz und Huberts Getränkeladen geht es zur Zeit richtig ab: Ein ganzes Haus feiert Weltmeisterschaft auf der Vorgartentribüne unter den Fahnen aller 32 WM-Teilnehmer (zwei sind leider schon geklaut worden).

Von Gast

Das ist etwas Schönes, ein Haus, dessen Mieter zusammenhalten und überwiegend miteinander gut befreundet sind. Bei mir im Haus war das bis Mitte der 90er Jahre auch so. Seitdem sind viele mittelbetuchte Auswärtige zugezogen, die Eimsbüttel als neuen Spielplatz entdeckt haben. „Schöner Stadtteil, nehm‘ ich. Wo ist mein Parkplatz?“

Im Heußweg 75 stimmt aber noch alles. Das gilt vor allem dann, wenn eine Wohnung frei wird. Da stehen morgens nicht Dutzende von Wohnungsinteressenten für eine Besichtigung vor der Tür, die gibt es nämlich gar nicht. Hier gilt: „Du kommst hier nicht rein, außer wir erlauben es Dir.“ Die Mietergemeinschaft sieht sich diejenigen, die im Haus gerne wohnen würden, genau an. Das heißt – nicht ganz, die wurden schon angesehen, denn die Warteliste ist lang. Also keine Chance, mal eben eine Wohnung in angenehmem Umfeld abzugreifen.

Eine Hausgemeinschaft, die zeigt, was Zusammenhalt bedeutet

„Der Zusammenhalt der Mieter, die intakte Hausgemeinschaft hat sich nach und nach entwickelt. Die Leute wohnen hier schon lange und kennen sich. Wir verstehen uns gut. Es gibt keinen Stress untereinander“, erzählt Frau Brammer. Und lange bedeutet hier richtig lange. Eine Mieterin wohnte schon in dem Haus, als noch keine Badezimmer eingebaut worden waren. Und weil sie gern weiterhin eine geringe Miete bezahlen wollte, hat sie auch heute noch kein Badezimmer.

Vor ein paar Jahren hat alles angefangen, als in Eimsbüttel Hauseigentümer begannen, die brachliegenden Vorgärten zu bepflanzen. Das Ergebnis war nicht immer schön. Frau Brammer, St. Pauli-Fan, und Herr Riemer, HSV-Fan, die hausmeisterlich guten Geister des Heußweg 75 und Eheleute, beschlossen, auf bessere Weise den Vorgarten zu nutzen: Da und dort wurde eine Pflanze verwurzelt, eine Einfriedung aus Kantsteinen und ein Boden aus gebrochenen Natursteinfliesen kamen hinzu. In diesem ungewöhnlichen Steinensemble fallen sogar die grausigen Eimsbütteler Mülltonnenkästen kaum auf, zumal einer davon dauerhaft begartenzwergt wurde.

Fußball, Glühwein, Feuerteufel

Mit der Zeit wurde die Terrasse immer häufiger für gemeinsame Unternehmungen der Hausgemeinschaft genutzt. Bei hohen Anlässen des Balltretens wie Weltmeisterschaften und Europameisterschaften, manchmal aber auch bei Bundesligaspielen, werden zwei große Pavillons aufgestellt und dann gibt sich die Schiedsrichtergemeinde die Ehre. Jeder bringt etwas zum Essen und Trinken mit, Knabberalien jeder Art sind willkommen. Wer nichts dabei hat, für den steht ein Sparschwein zur Regulierung des Schadens am Buffet bereit. Weil nicht immer genug Platz auf den Bänken ist, kümmere man sich besser um seine eigene Sitzgelegenheit. Das kann der einfache rote Klappstuhl sein, aber auch der luxuriöse Gartensessel mit Fußstütze und Flokati.

Im Winter, bevor es schneit, wird ordentlich auf die Lampe gegossen – beim Glühweinfest Anfang Dezember geht es heiß her. Das Osterfeuer, das der hauseigene Pyrotechniker entfacht, erfreut den Feuerteufel in jedem von uns genauso wie das gelegentliche Grillen im Verlaufe des Sommers. Die Akzeptanz ist groß und zwar nicht nur innerhalb des Hauses, sondern auch in der unmittelbaren Nachbarschaft. Man macht eher mit, als dass man nach dem Ordnungshüter ruft. Für die Vorbereitungen der jeweiligen Feste gibt es viel Anerkennung aus der näheren Umgebung. Es kommt sogar vor, dass Nachbarn ein paar Tage später sich noch einmal für die Ausrichtung der schönen Feier bedanken.

Heußweg Royal

Dienstag nun der vorläufige Höhepunkt des WM-Spektakels. Deutschland gegen Brasilien. Im Flur des Hauses  – dem engen Eimsbütteler Hausflur! – war ein Buffet aufgebaut mit leckeren Happen: filetiertes Obst, messertechnisch verändertes Gemüse und unterschiedlich belegte Baguette-Stücke. Vieles von den Köstlichkeiten hatte Frau Brammer unter sicher erheblichem Zeitaufwand zubereitet, andere hatten auch etwas mitgebracht. Herr Riemer hatte sich um die Fernsehtechnik für den Abend gekümmert. Und weil die Erfahrung gezeigt hatte, wie notwendig es ist, war vor einiger Zeit schon im Keller „für die Jungs“ eine Extra-Toilette eingebaut worden. Schließlich gab es reichlich Bier, Wein und Sekt, auch einen Sektcocktail, ich weiß nur gerade nicht welchen. Kir Royal war es jedenfalls nicht. Vielleicht Heußweg Royal.

Die Halbzeitpause hatte vor etwa zwei oder drei Minuten begonnen – beim Pausenpfiff kam ich auf dem Hinweg eben am La Paz vorbei. Also war ich zur rechten Zeit da. Alle waren gut drauf – klar bei dem Halbzeitstand! Einer hatte wohl nach jedem Tor den Kopp in’n Nacken gelegt, daran war auch nichts auszusetzen. Immerhin schien er hier der Chefkicker zu sein, der alle Ergebnisse und Besonderheiten der vorangegangenen Spiele tadellos aus dem Gedächtnis hervorkramen konnte.

In der zweiten Halbzeit versuchten die Brasilianer mehr Druck zu machen, setzten sich aber nicht durch. Chefchen meinte, „Ich geh mal auf Klo. Immer wenn ich auf Klo geh‘, fällt ein Tor“. Und genauso kam es auch. Kaum war er weg, war Deutschland zum sechsten Male lässig. Die ersten Zuschauer stapften nun langsam bettwärts, schließlich mussten sie am nächsten Tag arbeiten. Und am Ergebnis würde sich jetzt wohl nichts mehr ändern. Naja, man weiß nie und soll es nicht beschreien. Das 7:0  wurde mit Genugtuung aber ohne besonderes Ausrasten zur Kenntnis genommen. „Jetzt fehlen nur noch drei Tore“, tönte Hinten-Links. Insgesamt nahmen Zweiergespräche zu. Kommentare hier, Privates da. Hinter mir weissagte eine Bundestrainerin: „Die kriegen auch noch einen rein“.

Die 90. Minute. Was war das denn? Foto: Matthias Münchow
Die 90. Minute. Was war das denn? Foto: Matthias Münchow

Das Orakel von der letzten Bank

Die Brasilianer konnten es schon zwanzig Minuten nach Spielbeginn nicht glauben, in Belo Horizonte flossen gelb-grüne Tränen. Spieler der brasilianischen Auswahl fragten in der zweiten Halbzeit nicht einmal mehr, ob sie liebenswürdig sein dürften, sie holzten einfach ohne Sinn und Verstand drauf los. Das meiste spielte sich jetzt in der deutschen Hälfte ab. Das Orakel von der letzten Bank hatte recht gehabt: Gegen Ende der 90. Minute waren einige deutsche Spieler nicht so ganz bei der Sache. Manuel Neuer, der ansonsten unglaubliche Paradestücke abgeliefert hatte, konnte hier nichts mehr ausrichten. Oje. Im Heußweg zerfielen nachgerade zuvor freudige Gesichter. Das Ergebnis stand fest. Nach einer kurzen Nachspielzeit gab es zum Abschluss dann aber doch schönen Eimsbütteler-Jubel, Getröte aus der Dose und – der Pyrotechniker feuerte eine ganze Batterie von Raketen ab. Während die verbliebenen Zuschauer noch die Expertenkommentare zum Spiel über sich ergehen ließen, ging ich nach Hause. Zum Glück hatte der Regen aufgehört.

Text von Gastautor Matthias Münchow

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