
Die Straße lebt
Nach 5-jähriger Pause hieß es am Samstag wieder: Die Sillemstraße tanzt. Rund um die Traditionskneipe Urknall wurde trotz der kalten Temperaturen geklönt, gefeiert und vor allem eines gezeigt: wie bunt und lebendig der Stadtteil sein kann.
Von GastKnapp zwei Wochen nachdem alle Spuren des Osterstraßenfests beseitigt wurden, fand am vergangenen Samstag wieder ein Straßenfest statt. Doch unterschiedlicher könnten diese beiden Ereignisse nicht sein: Das eine nach Hafengeburtstag und Alstervergnügen eines der Großveranstaltungen Hamburgs, das andere ein kleines Fest mit der Nachbarschaft. Seit den 1980er Jahren findet das Sillemstraßenfest immer im Straßenabschnitt zwischen der Methfessel- und Satoriusstraße statt – immer Mitte Mai.
Zunächst noch ausgerichtet von der „Geschichtswerkstatt – Galerie Morgenland“, übernahm Anfang der 90er Jahre ein stets wechselndes Team aus Mitarbeitern der Kneipe Urknall und Anwohnern die Organisation des Fests. Was früher jedes Jahr möglich war, kann heute aus Kostengründen nur noch alle fünf Jahre stattfinden. Mit den runden Geburtstagen des Urknalls, wie in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum, kann die Kneipe zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen und so, Mitorganisator und Urknall-Inhaber Haiko Lux zufolge, „der Nachbarschaft in unserem Viertel auch was zurückgeben“.
Die Straße ist nicht nur ein Weg, um zur Arbeit zu fahren, zum Einkaufen oder zu Freunden. Sie ist auch Lebensraum. Das wollen Lux und die anderen Organisatoren des Sillemstraßenfests zeigen. „In einem immer mehr unter sozialer Isolation leidendem Stadtteil, wollen wir einfach wieder mit Herz und Verstand ein kleines Stück miteinander leben, ohne Ausgrenzung und mit einem kleinem bisschen Zuversicht.“
„Unsere Straße, Unser Fest“
Unter dem Motto „Die Sillemstraße tanzt“ konnten die Besucher auf circa 150 Metern über den Flohmarkt schlendern, eine vegane Waffel oder Deftiges vom Grill essen. Die Besucherzahl lag irgendwo zwischen 500 und 1.000 Gästen. Eine genaue Zahl lag auf Nachfrage bei den Veranstaltern nich vor. Strom- und Wasserversorgung kamen überwiegend direkt von den Anwohnern.
Im Spendencafé wurden gesponserte Kuchen zu Gunsten des Vereins „Ein Rucksack voller Hoffnung“ verkauft. Der Verein engagiert sich für die in Hamburg lebenden Obdachlosen und stattet sie mit einem Rucksack voller alltagstauglicher Dinge aus – von Hygieneartikeln bis zur Flasche Wasser. Ein anderer Stand betrieb eine Tombola, von den 2.000 Losen waren 1.600 kleinere und größere Gewinne. Das eingenommen Geld geht an den Verein „1910 – Museum für den FC St. Pauli“ und soll beim Aufbau und Erhalt einer Ausstellung unterstützen, die sich mit dem Wandel des Vereins und seinem Viertel auseinandersetzt. Ein Bierlaster wurde zur Show-Bühne zweckentfremdet. Lokale Bands, die in Eimsbüttel leben und proben, sorgten für das musikalische Rahmenprogramm von Latin über Folk und Grunge bis hin zu Ska.
Ein Straßenfest im alten Stil sollte es werden. „Noch vor 25 Jahren gab es solche kleinen Strassen- und Nachbarschaftsfeste in jeder zweiten Eimsbütteler Strasse, was im Rahmen des Strukturwandels immer mehr nachließ und zum Erliegen kam. Wir hoffen, dass das Sillemstraßenfest zeigt, dass es auch anders geht“, so Lux. Sein Ziel betrachtet er als erreicht: Durch das Fest bekomme man eine Vorstellung davon, wie viel Lebensraum die Stadt biete und, dass Hamburg genug Platz zum Leben und Ausleben auf seinen Straßen habe.
Text und Fotos: Lina Beling