
„Das Wichtige ist der Mensch, nicht die Behinderung“
Der Lokstedter Hans-Jürgen Rehder will sein Umfeld positiv gestalten – und die Gesellschaft ein bisschen besser machen. Vor allem im Bereich der Inklusion.
Von GastPositiv – kaum ein Wort fällt im Gespräch mit Hans-Jürgen Rehder so oft wie dieses. „Wichtig ist, wie man etwas macht – mit Überzeugung und positiven Gefühlen“, sagt er. Der Lokstedter ist 72 Jahre alt und Vorstand des Inklusionsbeirats Eimsbüttel.
Die Kraft für seinen Einsatz hat er aus seiner eigenen Krankheit heraus entwickelt. Rehder hat die Glasknochenkrankheit, ist kleinwüchsig und sitzt seit seiner Kindheit im Rollstuhl. Er habe sich entschieden, das Leben positiv anzunehmen und im Rahmen des Möglichen Dinge zu bewegen.
Wer an sich glaubt, kann vieles schaffen
Als Rehder 1952 in Langenfelde geboren wurde, sei die Gesellschaft mit seiner Krankheit, die durch eine Genmutation entsteht, überfordert gewesen. Das zeigte sich in vielen Bereichen, erzählt er. Seine Eltern hätten viele Freunde verloren, weil ein behindertes Kind als Makel angesehen wurde. Auch die Ärzte waren keine Unterstützung. Sie sollen seinen Eltern erzählt haben, dass ihr Kind das Erwachsenenalter nicht erreichen würde. Trotz dieser extremen Belastung hätten seine Eltern alles für ihn getan und ihn immer unterstützt. „Was das für eine enorme Anstrengung war, ist mir erst im Rückblick klar geworden.“
Nach der Mittleren Reife machte Rehder eine Ausbildung im öffentlichen Dienst und wurde später Sachbearbeiter in der Finanzbehörde. Er ist überzeugt: „Man muss fest an sich glauben, dann kann man viele Dinge schaffen.“
Bereits während seines Berufslebens engagierte er sich über die Arbeit hinaus und wurde Vertrauensmann für seine Kolleginnen und Kollegen. Seine soziale Ader sei
familiär geprägt, erzählt er: Schon sein Urgroßvater setzte sich als Vorsitzender einer Laubenkolonie für die Belange der dort lebenden Menschen ein, seine Eltern engagierten sich in der Arbeiterwohlfahrt, sein Vater war jahrelang Abgeordneter der Bezirksversammlung Eimsbüttel.
Suche nach neuer Aufgabe
Nachdem Rehder 2018 in Rente gegangen war, suchte er nach einer neuen Aufgabe. Irgendwann las er in der Zeitung, dass der Inklusionsbeirat in Eimsbüttel neu gegründet werden sollte. „Da habe ich direkt hingeschrieben, dass ich mich als Vorsitzender bewerbe“, erzählt er verschmitzt.
Rehder wurde gewählt und bildet seit Anfang 2023 zusammen mit Jacqueline Laue, der Mutter eines behinderten Kindes, als Doppelspitze den Vorstand.
Die Aufgabe des ehrenamtlichen Inklusionsbeirates ist es, mit den politischen Gremien im Bezirk zusammenzuarbeiten. Diese können ihn etwa zu Fragen der Barrierefreiheit und der Inklusion anrufen. Der Beirat kann aber auch selbst Themen einbringen, etwa in Form von Anträgen. Außer in Eimsbüttel gibt es in Hamburg noch Inklusionsbeiräte in Wandsbek, Nord und Altona.
Inklusion als permanenter Prozess
Rehder lobt den Inklusionsbeirat Eimsbüttel für seine gute Arbeit, auch die Zusammenarbeit mit dem Bezirk laufe sehr gut. Barrierefreiheit etwa werde mittlerweile bei Anträgen direkt mitgedacht und die Verwaltung komme von sich aus auf den Beirat zu und frage nach, wie man Dinge am besten umsetzen könne. „Das ist großartig.“
Eimsbüttel sei der erste Bezirk, in dem öffentliche Veranstaltungen mittlerweile grundsätzlich barrierefrei sein müssen, um eine Genehmigung zu erhalten. Auch die Planung des ersten komplett inklusiven Kinderspielplatzes Hamburgs am Wehbers Park sei „ein Leuchtturmprojekt“.
Überhaupt habe es bei den Themen Barrierefreiheit und Inklusion seit seiner Kindheit in den 50er Jahren einen Quantensprung gegeben, findet er. Trotzdem müsse im Bewusstsein der Menschen noch viel passieren. Es sei ein permanenter Prozess, darauf zu achten, dass Menschen mit Beeinträchtigungen Respekt, Beachtung und noch viel mehr Teilhabemöglichkeiten bekämen. „Das Wichtige ist der Mensch und nicht die Behinderung.“ Aber wie immer will Rehder nicht das Negative in den Vordergrund stellen, sondern da, wo er Einfluss nehmen kann, Dinge besser machen. „Das macht mich zufrieden.“
Gemeinsam Hemmschwellen abbauen
Neben seinem Ehrenamt im Inklusionsbeirat ist Rehder Mitglied im Vorstand des Vereins für inklusiven Sport in Hamburg Alstersport – 1988 gewann er bei den Paralympics in Seoul die Bronzemedaille im Rollstuhltischtennis-Doppel. Zudem besucht er regelmäßig eine Schule in Altona, wo er Fragen der Kinder und Jugendlichen zu seiner Behinderung beantwortet, um Hemmschwellen abzubauen. „Ich habe es im Leben recht gut gehabt und viele positive Dinge erfahren, nun möchte ich zumindest für einen Teil der Menschen etwas zurückgeben.“
Ein Ziel für Eimsbüttel, das er verwirklichen möchte, ist die komplette Barrierefreiheit aller Geschäfte. Sein Herzensprojekt für diesen Sommer: ein vollinklusives Kinderfest am 19. Juli in der Telemannstraße, für Kinder mit und ohne Einschränkungen.
Text: Imke Plesch
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