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Leerstand in Hamburg Eimsbuettel
Letzte Woche prüften ein Statiker und das Wohnraumschutzamt das Gebäude in der Methfesselstraße 80 - nun soll deren Gutachten entscheiden. Foto: Alana Tongers
Leerstand

Methfesselstraße 80: Droht jetzt der Abriss?

In den kommenden Monaten könnte ein Gutachten über die Methfesselstraße 80 entscheiden. Der letzte Mieter kämpft weiter gegen einen Abriss.

Von Alana Tongers

Der letzte Mieter starrt auf den Boden. Wasser ist unters Holz gekrochen, hat Flecken im Treppenhaus hinterlassen. Die Luft ist feucht und steht unter der Decke. Er hat drei Plastikeimer aufgestellt, in denen sich verdreckte Flüssigkeit sammelt. Das Dach im Treppenhaus ist seit Jahren undicht, manchmal regnet es hinein. „Das müssen sie endlich reparieren, das Dach muss dicht sein“, sagt er. Mehrfach habe er den Vermieter darum gebeten. Keine Reaktion.

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Gebrochene Versprechen

Als Markus Kienast seine Zimmer in der Methfesselstraße 80 bezog, war er gerade 19 Jahre alt. Das Haus, erzählt er, war damals ein Traum. Es wurde 1889 gebaut und Kienast fasziniert die Geschichte der Mauern. Er verliebt sich in die hohen Decken, die alten Böden und Wände. Die rund 35 Quadratmeter im ersten Stock werden sein erstes, eigenes Zuhause. Sie sind es auch heute, fast 33 Jahre später noch. Abgesehen davon ist wenig wie früher. Es leckt im Flur, zieht durch die Fenster. Tapete schält sich von den Wänden, Backstein blitzt hervor. In einer Ecke wuchert Moos. Sein alter Vermieter, sagt Markus Kienast, habe das letzte Mal in den frühen 2000ern etwas am Haus gemacht.

Mit Bannern protestierten die Linke und Markus Kienast gegen den geplanten Abriss.
Mit Bannern protestierten die Linke und Markus Kienast gegen den geplanten Abriss. Foto: Alana Tongers

2018 übernehmen neue Eigentümer das Gebäude. City.21 Real Estate Services GmbH – eine Firma ohne Internetseite, dafür aber mit zwei gemeldeten Adressen. Ruft man an, meldet sich nur die Mailbox. Die neuen Vermieter, Dirk und Andreas Tödten hätten sich freundlich vorgestellt und angekündigt, das Haus zu modernisieren. 2019 sollte es los gehen. „Wir bauen um Sie herum“, erinnert sich Kienast an ihr Versprechen. Er ist davon überrascht, aber glaubt ihnen. Freut sich, dass dem Haus endlich geholfen wird. Doch passiert ist nichts.

Unter 200 Euro Monatsmiete

Stattdessen wollen die Eigentümer die Methfesselstraße 80 abreißen und kündigen den Mieterinnen. Einigen hätten sie Abfindungen gezahlt, meint Kienast. Sie ziehen aus, ihre Wohnungen stehen seitdem leer. Zwei seit September 2018, eine seit Herbst 2019. Zu schlecht ist der Zustand, um sie zwischenzuvermieten, meint das Bezirksamt. Kienasts letzter verbliebener Nachbar ist vor Wochen gegangen. Er hat 44 Jahre hier gewohnt. Seitdem ist Markus Kienast alleine im Haus.

Im Treppenhaus hat Kienast ein Handtuch ausgelegt. Foto: Alana Tongers

Am Dach wurde laut Kienast lange nicht gearbeitet. Foto: Alana Tongers

Durch das Dach tropft Wasser. Foto: Alana Tongers

Eigentlich hätte auch er bis zum 30. April dieses Jahres raus gemusst. Doch Kienast hat Widerspruch gegen seine Kündigung eingelegt. Früher war er selbstständig, doch seit einer schweren Schulterentzündug ist er arbeitslos. Seine zwei Zimmer kosten ihn weniger als 200 Euro monatlich – für gleiches Geld bekommt er heute in Eimsbüttel vielleicht noch einen Garagenstellplatz. Von den Eigentümern hört er seit Monaten nichts mehr. Auf seine letzten Schreiben habe niemand geantwortet. Wie es weitergeht, weiß er nicht.

„Die neuen Besitzer hatten wohl nicht mit dem Widerstand des Mieters gerechnet“, so Peter Gutzeit von der Linken. Der Politiker sitzt im Bauausschuss des Bezirkamts und war bei der letzten Begehung des Hauses auf Wunsch des Mieters dabei. „Normalerweise haben solche Leute die Mieter schnell rausgeekelt – ähnlich wie beim ‚Schimmel-Haus‘ ein paar Straßen weiter.“ Er vermutet, die Besitzer hätten das Objekt nur zur Spekulation gekauft.

Im Widerspruch

Irgendwo in der Speicherstadt führt die Immobiliengesellschaft, die Markus Kienast so verflucht, einen ähnlichen und doch ganz anderen Kampf. Die Eigentümer selbst meldeten sich auf Anfrage der Eimsbütteler Nachrichten zwar nicht zurück. Aber über Auskünfte des Bezirksamts Eimsbüttel lassen sich die letzten drei Jahre aus ihrer Sicht rekonstruieren. Glaubt man Amtssprecher Kay Becker, dann hatten die Eigentümer einmal vor, das bereits verfallene Haus zu sanieren. Sie ließen es näher prüfen, stellten dabei die Unwirtschaftlichkeit des Gebäudes fest. Unter anderem sei das Haus stark von Hausschwamm und Insekten befallen, steht in einem Gutachten. Auch die Standsicherheit des Hauses soll dadurch beeinträchtigt sein. „Sie sind daher nun daran interessiert, den Wohnraum zugunsten eines größeren Wohnhauses zu ersetzen“, so Becker.

Nur: Eine Abbruchgenehmigung wurde im März dieses Jahres von der Bauprüfabteilung abgelehnt. Ein Gutachten hält die Fassade des Altbaus für schutzwürdig. Gegen diese Ablehnung haben die Eigentümer Widerspruch eingelegt: Während ihr letzter Mieter mit Bannern, ausgehängten Zetteln und einer selbstgebauten Internetseite gegen den Verlust seines Zuhauses protestiert, kämpfen sie für den Abriss.

Mit Schildern und Aushängen macht Kienast auf seine Situation aufmerksam. Foto: Alana Tongers

Im Parterre war früher ein Atelier untergebracht. Mittlerweile steht es ebenfalls leer. Foto: Alana Tongers

Am 29. Mai unterstützen die Eimsbütteler Linken Markus Kienast mit einer Aktion. Foto: Alana Tongers

Methfesselstraße 80: Zwischen Schönheit und Verfall

Markus Kienast ist sich mittlerweile sicher, dass die neuen Eigentümer nie vorhatten, das Haus zu modernisieren. „Sie machen Null. Mit Vorwand“, sagt er. Hätten das Haus weiter verfallen lassen, um später mit dem Abbruch durchzukommen. Die kaputten Fenster, das leckende Dach, lockere Balken auf Kosten seiner Sicherheit ignoriert. Noch immer sind Bleirohre verlegt und im ganzen Haus halten Stützpfeiler die Decken.

Kienast forderte deswegen Mietminderung ein, erhalten hat er sie bisher nicht. Wenn er von den Eigentümern spricht, dann jagen sich seine eigenen Worte, überschlagen sich fast. Er ist wütend geworden und ungläubig geblieben. „Wie kann das sein?“, fragt er immer wieder ins leere Treppenhaus. „Es gibt doch eine Instandhaltungspflicht!“ Er kann die Ereignisse der letzten Jahre chronologisch erzählen und Anwaltsschreiben zitieren. Was ihm passiert, begreift er trotzdem nicht. Durch die Wohnung von Kienast zu laufen, fällt vorerst schwer, denn die Pfeiler blockieren den gesamten Flur.

Der Abriss als Symbol

Von dem Gutachten der Eigentümer hat er gehört – Hausschwamm hat er im Gebäude in den 33 Jahren aber noch nie gesehen. Weder im Keller, noch auf dem Dachboden oder bei Nachbarn. Ob die Standsicherheit des Hauses wirklich gefährdet ist, bezweifelt er ebenfalls. „Wirkt das Gebäude auf Sie etwa instabil?“, fragt er, als er die Treppen in den ersten Stock steigt. Nur das Dach sollen sie reparieren. Dann kann er die Eimer wegräumen und wäre schon zufriedener.

Die Eimsbütteler Linksfraktion unterstützt Kienasts Protest. An einem Samstag stehen sie vor der Methfesselstraße 80, haben einen Infostand aufgebaut und verteilen Flyer an Passantinnen. Ein Banner hängt an der Fassade, „Sanieren statt Abriss“ steht darauf. Für sie ist der drohende Abbruch ein Beispiel für das viel zu langsame Handeln der Verwaltung. Ein Symbol für die Spekulation mit Wohnraum im Bezirk. Geht es nach der Fraktion, soll das Bezirksamt härter durchgreifen – Bußgelder verhängen, wenn Wohnungen wie in der Methfesselstraße ungemeldet leerstehen. Aber ob sich das Gebäude, vor dem sie protestieren wirklich noch retten lässt, können auch sie nicht sagen.

Kienast freut sich über die Unterstützung. Die Linke sei die einzige Partei, die sich bei ihm gemeldet habe und er brauche jede Hilfe, die er kriegen kann. Aber er sieht die Dinge realistisch. Weiß, dass sie nach der Aktion erstmal weg sind und er wieder alleine. Für die Linken geht es bei der Methfesselstraße um einen Präzedenzfall. Für ihn um sein Zuhause.

„Es rattert ständig“

Er entdeckt den vergessenen Charme des Altbaus in vielen Ecken des Hauses wieder. Sieht Schönheit, wo andere nur Verfall finden. Er verteidigt das Haus wie einen alten Freund, den nur wenige verstehen. „Nicht alle Wohnungen sehen so aus“, sagt er schnell, als er auf ein großes Loch im Boden der oberen Etage zeigt. Ein Kabel hängt aus der Wand, in der Ecke liegt ein alter Kronleuchter. Aber der letzte Mieter schaut auf die hohen Decken. „Ist doch wunderschön, oder?“

Eine unbewohnte Wohnung im zweiten Obergeschoss. Foto: Alana Tongers

Ein Ventilator in Kienast Wohnung, die mit Stützpfeilern zusammengehalten wird. Foto: Nisse Lassen

Kienast vermutet, dass der Boden der Wohnung aufgebrochen wurde, um nach Hausschwamm zu suchen. Foto: Alana Tongers

Die Küche in der Wohnung von Kienast. Foto: Nisse Lassen

Nun will der Wohnraumschutz über die Unbewohnbarkeit der Methfesselstraße 80 entscheiden. Bei einer Begehung am 28. September prüften Wohnraumschutz und ein Statiker das Haus, um ein neues Gutachten zu erstellen. Draußen wartete die Mutter des letzten Mieters. Sie ist zu alt, um die Treppen des Hauses hochzugehen. „Einen Fahrstuhl gibt es ja nicht“, sagt Frau Kienast. Auch wenn sie bei der Besichtigung nicht dabei sein konnte, unterstützt sie ihren Sohn, wo sie kann.

„Es rattert ständig“, sagt er leise und zeigt auf seinen Kopf. Er will das Haus retten, aber sein eigener Widerstand zehrt an ihm. Seit drei Jahren rechne er jeden Tag damit, das Haus verlassen zu müssen. Anfang des Jahres haben die Vermieter ihm eine neue Wohnung angeboten, in die er umziehen könnte. Damals lehnte er das Angebot jedoch ab. Inzwischen bleibt ihm vielleicht nichts anderes mehr übrig. Denn wo geht er hin, wenn er raus muss? „Das weiß ich nicht“, sagt Kienast und schaut Richtung Tür. Eine endgültige Entscheidung über die Methfesselstraße 80 steht noch aus. Das Gutachten des Statikers und des Wohnraumschutzamts wird in den nächsten Monaten für Klarheit sorgen.


Auf seiner Website informiert Markus Kienast zur Rettung der Methfesselstraße 80. Dort bittet er auch um Spenden zum Erhalt des Hauses.

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