
Müggenkampstraße: Ein Museum für die Nachbarschaft
Manchmal reicht ein kleiner Raum, um Kultur lebendig zu machen – und eine Person, die für sie brennt. In der Müggenkampstraße trifft beides aufeinander: Die Historikerin Sabine Reyeros-Petsch hat das „Haus der Geschichte” gegründet.
Von Julia HaasFrüher ist hier die Straßenbahn entlang gefahren. Bis zum Eimsbütteler Marktplatz – mit Pferden, Karussell und Riesenrad.
„Am liebsten würde ich zurückreisen”, sagt Sabine Reyeros-Petsch. Sie versinkt in den Geschichten vom bunten Marktplatz, der einer grauen Straße gewichen ist, vom alten Eimsbüttel, das sie aus Archiven kennt. Ihre Nachbarschaft möchte sie an all dem teilhaben lassen. Lange fehlte ihr dafür der passende Raum.
20 Quadratmeter für Kunst, Kultur und Geschichte
In der Müggenkampstraße 77 hat sie ihn gefunden. Seit 2018 betreibt sie das „Haus der Geschichte”. Mit einer Ausstellungsfläche von rund 20 Quadratmetern ist es Hamburgs wohl kleinstes Museum.
„Es geht mehr rein als man denkt”, sagt Reyeros-Petsch, zückt ihr Smartphone aus der Jackentasche und scrollt wie zum Beweis in die Vergangenheit. Sommer 2021: Gemälde schmücken die Wände. Damals nutzte eine Künstlergruppe aus Wilhelmsburg mehrere Wochen die Räumlichkeit.
Jetzt sind es Plakate. Menschengroße Texttafeln, die an dünnen Seilen an der Wand baumeln. Deutsche Revolution steht darauf. Historische Bilder ergänzen die Exkursion ins 19. Jahrhundert. Sabine Reyeros-Petsch hat die Informationen zu Papier gebracht.
Links Apartment, rechts Museum
Ihr Anliegen: Kunst und Kultur in den Stadtteil bringen – auf kurzen Wegen. Wenn sie nicht selbst ausstellt – über geschichtliche Themen mit Hamburg-Bezug, zum Beispiel über die deutsche Revolution in Hamburg oder den Eimsbütteler Marktplatz –, bietet sie anderen Projekten eine Bühne. „Der Raum steht allen zur Verfügung”, betont die Historikerin, Kulturmanagerin und Archivarin immer wieder. „Kostenlos.”
Dass das möglich ist, verdankt sie einer Idee in der Corona-Zeit. Damals plant Reyeros-Petsch, im „Haus der Geschichte” Workshops für Kinder anzubieten. Die Pandemie-bedingten Einschränkungen durchkreuzen ihre Pläne. „Ich musste auf anderem Weg Geld reinkriegen”, sagt die 58-Jährige. Sie funktioniert die angemieteten Räume in der Müggenkampstraße 77 um – zumindest teilweise. Links Apartment, rechts Museum.
Museum mit Bett
Doppelbett, Fernseher, Küche, Bad – die Räume neben dem Museum vermietet Reyeros-Petsch seitdem als Domizil für Urlauber, Geschäftsreisende oder spontane Besucher in der Nachbarschaft. Über die Tür, die Apartment und Museum verbindet, hat der jeweilige Gast die Hoheit. „Er kann abschließen oder rüberkommen.”
Obwohl Reyeros-Petsch auf gängige Vermittlungsplattformen verzichtet, läuft der Vermietungsbetrieb – dank des Flurfunks in der Nachbarschaft. Eine Mutter, die ihre Tochter mit Baby besucht, eine junge Frau, die der Corona-infizierten WG entkommen möchte, oder eine Familie, die dem Wasserschaden im Badezimmer entflieht. Die Nachfrage aus der Nachbarschaft, von Verwandten und Freunden ist groß. Die ideale Auslastung, findet die Inhaberin, die gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann den Betrieb organisiert.
Geschichte in die Gegenwart bringen
„Mit den Einnahmen vom Apartment und den Ausgaben fürs Museum komme ich bei Null raus – mehr will ich nicht”, sagt die Eimsbüttelerin. Was es jetzt noch braucht: mehr Aufmerksamkeit für das „Haus der Geschichte”. An der Außenwand würde die Inhaberin gerne ein Schild oder einen Guckkasten anbringen. Die Vermieterin verbietet das. Dadurch wüssten viele Nachbarn nicht, welche Möglichkeiten Hamburgs kleinstes Museum bietet.
Durch regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen, wie eine Martin-Luther-Ausstellung am 31. Oktober, ein Herbstfest mit Kaffee und Kuchen oder einen nachbarschaftlichen Weihnachtsmarkt, versucht Reyeros-Petsch das „Haus der Geschichte” in die Gegenwart zu bringen. Denn trotz aller Begeisterung für das historische Eimsbüttel steht für sie fest: „Das Haus der Geschichte soll im Jetzt lebendig werden.”
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