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Niels Annen im Interview
Niels Annen konnte das Direktmandat in Eimsbüttel bereits dreimal für sich gewinnen. Foto: Alana Tongers
Bundestagswahl 2021

Niels Annen im Interview: „Eimsbüttel hat gute Voraussetzungen voranzugehen“

Aus Eimsbüttel in den Bundestag – wofür stehen die Eimsbütteler Direktkandidaten? SPD-Abgeordneter Niels Annen im Interview über Kontraste in Eimsbüttel, Verantwortung für Afghanistan – und warum ihn Scholz‘ Erfolg nicht überrascht.

Von Alana Tongers

Er gilt als Favorit im Rennen um das Eimsbütteler Direktmandat – und wirkt dementsprechend zuversichtlich: Niels Annen empfängt zum Interview in seinem Wahlkreisbüro nahe des Bezirksamts. Hinter ihm liegen aufreibende Wochen. Als Staatsminister im Auswärtigen Amt ist er der Mann hinter Heiko Maas und für Afghanistan zuständig.

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Auf Twitter stand Annen in der Kritik, als er inmitten der Krisentage auf Instagram Fotos seiner Sommertour postete. Für den Eindruck entschuldigte er sich – die Kritik am Versagen in der Afghanistan-Krise bleibt. Ganz im Kontrast dazu der SPD-Wahlkampf: Hier läuft es für Annen und Kolleginnen blendend.


Eimsbütteler Nachrichten: Sie waren schon einige Male Bundestagsabgeordneter – warum tun Sie sich das nochmal an?

Niels Annen: Ich bin dreimal in Eimsbüttel direkt gewählt worden. Das ist etwas sehr Besonderes. Ich habe das Gefühl, dass ich viele Dinge anstoßen konnte, wir haben viel für unsere Stadtteile erreicht. Genau diese Arbeit möchte ich nun fortsetzen. Ich habe immer Wert darauf gelegt, einen direkten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern aufzubauen – zum Beispiel durch meine Bürgersprechstunden. Aber bei dieser Wahl geht es auch um die Frage: Wer wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Angela Merkel? Wir sind in einer Umbruchszeit. Und ich möchte gerne meinen Beitrag dazu leisten, dass Olaf Scholz Bundeskanzler wird. 

Sind Sie auch nach drei Direktmandaten noch nervös vor dieser Wahl?

Auf jeden Fall! Wenn man irgendwann keine Nervosität mehr spürt, ist das ein Zeichen dafür, dass man den Respekt vor unserer Demokratie verloren hat. Dann sollte man aufhören. 

Stichwort “direkter Draht”: Wie schaffen Sie den Austausch mit den Eimsbüttelerinnen und Eimsbüttelern?

Das ist meine Hauptaufgabe. Das steckt schon in dem Wort Abgeordneter: Man ist „abgeordnet“. Eigentlich war das erste politische Amt, in das ich gewählt wurde, Klassensprecher. Dabei ging es darum, anderen gegenüber zu vertreten, was uns in der Klasse wichtig war. Jetzt geht es natürlich um größere Weichenstellungen. Aber das ist es, was ich jeden Tag mache – und deswegen ist mir meine Sprechstunde und sind mir meine Veranstaltungen sehr wichtig. Ein Großteil der Arbeit meines Bundestagsbüros betrifft die Bearbeitung von Bürgeranfragen.

Umbruchphase, Weichenstellung – was passiert in den nächsten vier Jahren? Für welche großen Ziele stehen Sie ein?

Wir müssen in den nächsten vier Jahren die entscheidenden Schritte gehen, um Deutschland klimaneutral zu gestalten. Dafür müssen wir unsere gesamte Art der industriellen Produktion umstellen.

Niels Annen: „Müssen gesamte Art der industriellen Produktion umstellen“

In den letzten Jahren haben wir – beginnend noch unter Rot-Grün mit dem Erneuerbare Energiengesetz – schon viel auf den Weg gebracht. Aber wir wissen: Das reicht noch nicht aus, um unsere Ziele zu erreichen. Es ist noch nicht zu spät, aber wir haben wenig Zeit. Deswegen sind die nächsten vier Jahre so entscheidend. Wir brauchen eine Regierung, die sich zutraut, in einem Land mit zum Teil langwierigen Verfahren schnelle Entscheidungen zu treffen.

Als Sozialdemokrat bewegt es mich, auch die einzubeziehen, die Angst vor den Veränderungen haben. Es gibt viele in meinem Wahlkreis, die sich für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimaneutralität einsetzen – denen geht der Wandel eher zu langsam. Das ist großartig, aber ich bekomme bei vielen auch die Sorgen mit vor dem, was kommt. Zusammengefasst: Es geht darum, Klimaneutralität durchzusetzen und es richtig zu machen. Und dabei alle mitzunehmen, die sich unbeachtet fühlen.

Welche klimapolitischen Maßnahmen streben Sie konkret für Eimsbüttel an?

Auf bezirklicher Ebene haben wir bereits eine Klimapolitik mitentwickelt. Da sind wir als Bezirk ziemlich weit vorne. Im Bereich der nachhaltigen Mobilität müssen wir weitere Fortschritte machen. Dabei geht es zum Beispiel um klimaneutrale Antriebe von Bussen. Wir brauchen auch mehr Investitionen in Ladesäulen. Wir können nicht sagen “Steigt auf E-Mobilität um” und dann gibt es keine Infrastruktur dafür. Außerdem werden wir Sharing-Angebote ausbauen.

Im Bereich Wohnungsbau müssen wir die Klimaziele erreichen, zum Beispiel durch die richtige Wärmedämmung. Viele haben noch Ölheizungen, die müssen in den nächsten Jahren umgestellt werden. Aber die Kosten dürfen nicht einseitig bei den Mieterinnen und Mietern landen.

Natürlich können wir die großen Fragen nicht allein in Eimsbüttel entscheiden. Aber Eimsbüttel hat gute Voraussetzungen, um voranzugehen. Wir haben hier viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die in ihren Quartieren schon heute Klimaneutralität vorleben und eigene Initiativen nach vorne bringen.

Warum engagieren sich aktuell so viele Menschen in Eimsbüttel? Was liegt in der Luft?

Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger erkennen – und manchmal schon vor der Politik erkannt haben – dass wir nicht mehr viel Zeit haben, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Trotzdem würde ich immer Wert darauf legen, auch die Leute politisch miteinzubeziehen, die nicht zu den Demonstrationen gehen und die den Eindruck haben, man wolle ihnen ihre Art zu leben wegnehmen. Wenn das Auto zum Leben dazugehört, weil man es mag oder braucht, muss die Politik damit umgehen.

Wie erleben Sie zwischen den Eimsbütteler Stadtteilen diese Kontraste? 

Sehr stark. Die Verkehrspolitik ist ein gutes Beispiel. Während hier im Kerngebiet die Rückmeldung lautet “Die Fahrradwege sind nicht ausreichend ausgebaut“ und „Das geht nicht schnell genug”, höre ich in den äußeren Bezirken häufig “Uns hat keiner gefragt, was ist mit den Parkplätzen?”.

Ich habe manchmal das Gefühl, die einzige Partei, die sich wirklich darum kümmert, ist die SPD. Die anderen sind häufig gar nicht da und hören sich die Klagen nicht an. Das betrübt mich ein bisschen. Wenn wir alle mitnehmen wollen, muss man diese Prozesse so gestalten, dass sich alle angehört und ernst genommen fühlen. 

Als Staatsminister sind Sie für Afghanistan zuständig. Inwiefern fühlen Sie sich für die Katastrophe vor Ort verantwortlich?

Wenn man ein Amt hat, trägt man immer Verantwortung. Das ist ein Grundprinzip unserer Demokratie. Ich fand es sehr wichtig, dass Heiko Maas klar gesagt hat, dass wir uns alle geirrt haben. Das geht übrigens allen Ländern so, die sich in Afghanistan engagiert haben, keiner hat diesen schnellen Zusammenbruch vorausgesehen. Und überall wird dieselbe Diskussion geführt.

Deswegen wundere ich mich über die Rigorosität und Selbstgewissheit, mit der jetzt manche sagen, Heiko Maas sei daran Schuld. Das befremdet mich. Es muss noch aufgearbeitet werden, warum sich die gesamte internationale Gemeinschaft an dieser Stelle so geirrt hat. 

Niels Annen im Gespräch mit den Eimsbütteler Nachrichten. Foto: Alana Tongers

Die schlimmsten Fälle, mit denen ich zutun hatte, waren Familien aus Eimsbüttel, die auseinandergerissen wurden. In einem Fall hat ein Familienmitglied wenige Tage vor dem Sturz von Kabul einen kranken Verwandten in Afghanistan besucht und kommt jetzt nicht zurück. Das geht mir sehr nahe, zeigt aber auch, dass viele Afghanen selbst nicht mit dieser Geschwindigkeit der Ereignisse gerechnet haben. 

Für Ihre Partei sieht es aktuell gut aus. Sie kennen die SPD in ganz verschiedenen Konstellationen und Koalitionen – haben Sie eine Präferenz?

Ich möchte, dass Olaf Scholz Bundeskanzler wird. Eins ist klar: Je stärker die SPD ist, desto größer ist die Chance, dass wir den Kanzler stellen und unser Programm umsetzen können. Aber eine Partei, die durch ein so tiefes Tal gegangen ist, sollte nicht vor dem Wahlabend über Regierungskonstellationen spekulieren. 

Über die aktuellen – für die SPD positiven Umfrageergebnisse – sind viele überrascht. Sie auch?

Ich war immer dafür, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat wird. Weil ich daran geglaubt habe, dass das, was wir jetzt sehen, möglich ist. Ich gebe zu, es gab Monate, da war ich echt frustriert über die Zahlen. Aber ich habe auch geglaubt, dass dieses Angebot mit Olaf Scholz auch viele Wählerinnen und Wähler erreichen kann, die Angela Merkel gut fanden und deswegen CDU gewählt haben. Ich bin zuversichtlich und erfreut, jedoch nicht ganz überrascht. 

Vielen Dank für das Gespräch.


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