Till Steffen im Interview: „Mir war klar, dass wir Gegenwind bekommen“
Aus Eimsbüttel in den Bundestag – wofür stehen die Eimsbütteler Direktkandidaten? Till Steffen, Direktkandidat der Grünen, über Justiz und Klima, Verkehr in Eimsbüttel und seinen Glauben an eine Kanzlerin Baerbock.
Von Julia HaasTill Steffen kommt mit dem Fahrrad zum Interview in die Methfesselstraße. Genau damit fährt er später zu einem weiteren Termin ins Rathaus. „Na klar“, sagt er. Wie auch sonst?
Steffens politische Karriere nahm im letzten Jahr eine unerwartete Wendung. Als Justizsenator erfuhr er Kritik – musste den Posten aber letztlich an Parteikollegin Anna Gallina abgeben, damit die Partei ihre eigens vorgenommene Frauenquote erfüllt. Nun soll es nach Berlin gehen. Dort kann sich Steffen vielleicht sogar Hoffnungen auf einen Ministerposten machen.
Eimsbütteler Nachrichten: Sie waren mehrmals Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft – warum wollen Sie jetzt nach Berlin?
Till Steffen: Ich war nicht nur in der Bürgerschaft, sondern war auch Justizsenator und als solches Mitglied des Bundesrats, der Justizministerkonferenz. Deswegen habe ich rund um den Bundestag schon viel gemacht. Aber im Herzen unserer Demokratie zu sitzen, das ist natürlich herausfordernd. Viele Themen kenne ich, aber auf die eigentliche Arbeit bin ich sehr gespannt.
Könnte ein langfristiges Ziel dann auch Justizminister sein?
Es gibt viele interessante Aufgaben in Berlin. Ich werde meine Fähigkeiten bestimmt einbringen. Das lasse ich auf mich zukommen.
Für welche Ziele treten Sie in diesem Wahlkampf an?
Ich bin von Haus aus Rechtspolitiker – meine Rolle sehe ich darin, zu schauen: Welchen Beitrag muss das Recht leisten, damit wir die Klimawende hinkriegen? Ich habe einen Vorschlag gemacht, die Ökologie als Grundprinzip unseres Staates ins Grundgesetz aufzunehmen. Oder ganz konkret: zum Beispiel Containern zu legalisieren.
Welche Ziele haben Sie konkret für Eimsbüttel?
Natürlich stellt sich die Frage, ob wir hier die Verkehrswende mit Rückenwind aus dem Bund vorantreiben können. Ein anderes Thema ist die Synagoge am Bornplatz. Und was auch eine große Rolle spielt: Wie bekommen wir das mit dem Wohnungsbau, der Verdichtung hin?
Wenn wir direkt auf das Klimathema zu sprechen kommen: Das Ziel ist, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten. Worauf müssen wir in Zukunft verzichten, damit dieses Ziel realistisch ist?
Der wichtigste Faktor ist, dass wir den Kohleausstieg deutlich früher machen, als ihn die Große Koalition derzeit plant. Das kriegen wir hin, indem wir hundert Prozent auf erneuerbare Energien umstellen und mehr Flächen für Solar finden. Insbesondere auf den Dächern soll das zum Standard werden. Das andere ist die Umstellung des Verkehrs von fossilen Brennstoffen zu Elektromobilität. Da müssen wir uns 2030 nach unserer Vorstellung vom Verbrennerauto verabschieden.
Till Steffen: „Müssen uns vom Verbrenner verabschieden“
Ich glaube aber auch, dass wir uns im Verkehr anders organisieren müssen. Es ist nicht sinnvoll, weiterhin stark auf private PKWs zu setzen. Gerade in so einer Stadt wie Hamburg müsste das anders gehen. Es gibt spannende Ansätze: der Ausbau des ÖPNV, der Ausbau des Radverkehrs, aber auch Ride-Sharing. Es wird Flexibilität in der Mobilität brauchen.
Worauf müssten wir verzichten, wenn in Sachen Klimaschutz nicht genug passiert?
Das ist tatsächlich die Frage, vor der wir stehen. Wir haben ein Problem. Darauf kann man auf zwei Arten reagieren. Entweder man sagt: Ich halte fest, was ich habe und will mich nicht bewegen. Das ist das, was CDU und SPD im Ergebnis machen. Wir Grüne sagen: Das kann man schaffen.
Aber klar ist: Wenn man das jetzt nicht angeht, müssen wir mit wesentlich mehr Extremwetterereignissen rechnen. Hamburg weiß, was heftige Fluten bedeuten. Das ist eine Gefahr für Leib und Leben. Haben wir längere Trockenperioden, kann so etwas wie Obstanbau nicht mehr stattfinden. Wir erleben eine starke Veränderung in der Landwirtschaft, aber auch, dass sich die Lebensqualität deutlich verschlechtert.
In nahezu jedem Wahlprogramm spielt Klimaschutz eine Rolle. Wie bewerten Sie das? Ist das eine Farce oder Fortschritt?
Den Kampf gegen den Klimawandel kann man nur gewinnen, wenn viele Leute mitmachen. Deswegen ist es gut, dass sich das viele Parteien zu eigen gemacht haben. Trotzdem ist Klimaschutz für die meisten anderen Parteien nur ein Thema unter vielen. Das kann man gut an der Frage zum Kohleausstieg ablesen: Die SPD sagt, Klimaschutz sei wichtig, aber sie wollen erst 2038 aussteigen. Wenn es hart auf hart kommt, ist es ein Thema, das sich bei SPD und CDU nicht durchsetzen wird.
Was ist mit FDP und Linken?
Die FDP macht das schlicht und sagt: Wir regeln alles über den CO2-Preis. Wenn man ein entschiedenes Umsteuern alleine über den Preis regelt, werden alle möglichen Dinge, die CO2 auslösen, sehr teuer. Das werden sich nur Reiche leisten können und die, die nicht so viel Geld haben, gucken in die Röhre. Das kann nicht sinnvoll sein. Bei den Linken ist es immer eine Milchmädchenrechnung. Die deklinieren nicht durch, was das gesamtgesellschaftlich heißt, und setzen immer noch einen oben drauf. Aber wenn man konkret reinschaut, fehlen die Konzepte, das umzusetzen.
Und trotzdem entstehen immer wieder Fronten. Sei es zwischen Radfahrern und Autofahrerinnen oder Verbrenner und E-Mobilität – wie kann man das verhindern?
Zunächst ist es gar kein Verzicht – gerade wenn wir uns Eimsbüttel anschauen. Der Umstieg aufs Fahrrad wird von vielen angenommen. Mit dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in Hamburg schaffen wir für diese Nachfrage überhaupt erstmal das richtige Angebot. Es kann nicht sinnvoll sein, dass diejenigen, die einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten, im Nachteil sind. Ich glaube, viele haben das kapiert und leben genau diese Form von intelligentem Mobilitätsmix. Die fahren mal mit dem Auto, sind aber nicht darauf festgelegt. Vieles bewegt sich in den Köpfen und diese Auseinandersetzung muss man führen.
Vor kurzem waren wir im Gespräch mit „Quartiere für Menschen“. Sie meinen: Politik fehlt in Sachen Verkehr der Mut zu Veränderung. Was entgegnen Sie?
Es sind oft große Hemmnisse, die eine Rolle spielen. Das Rechtliche ist das eine. Dass Tempo 30 nur als Ausnahme eingesetzt werden kann, ist mühselig. Aber es im ganzen Quartier umzusetzen, geht nach jetzigem Bundesrecht nicht. Will man es anders machen, sind damit häufig heftige Umbauten verbunden.
Wir haben für die Methfesselstraße eine fertige Planung. Dort haben wir gesagt: Diese Straßenbreite vor dem Else-Rauch-Platz brauchen wir nicht. Stattdessen können wir den Verkehr auf weniger Fläche abwickeln und dafür sorgen, dass es eine vernünftige Radspur gibt und mehr Platz auf den Gehwegen. Aber die Umsetzung hängt, weil wir noch keine Finanzierung haben.
Die aktuelle Zeit ist von Krisen geprägt. Corona, die Hochwasserkatastrophe, aber auch Afghanistan. Das verlangt viel ab von Politikern. Was zeichnet Sie als Politiker in Krisenzeiten aus?
Man braucht für solche Situationen starke Nerven. Es gibt Situationen, in denen man Entscheidungen vertreten können muss, die nicht populär sind. Was mich auszeichnet: Ich bin sehr beharrlich, und für viele Probleme kommt man nur zu Lösungen, wenn man die Dinge langfristig im Blick behält. Politik ist vielfach davon geprägt, dass man kurzfristig Highlights setzt. Das ist nicht meine Baustelle. Mir ist es wichtig, langfristig an Zielen zu arbeiten und zu erklären.
Wie schätzen Sie den Grünen-Wahlkampf bisher ein?
Mir war von vorneherein klar, dass uns harter Gegenwind entgegenkommen würde. Manche in meiner Partei dachten, dass man bei 28 Prozent in den Umfragen bequem durchläuft. Es sind viele Interessen berührt und die Leute versuchen, dagegenzuhalten. Gelingt es auf dem einen Weg nicht, dann eben auf dem anderen – dann werden die persönlichen Sachen rausgekramt.
Schaut man sich zum Beispiel das Triell an, war Annalena Baerbock meiner Meinung nach sehr präsent und bei sich. Olaf Scholz und Armin Laschet haben ein bisschen “Wer ist denn Schuld?” gespielt. Aber sie hat das Angebot für diese Veränderung gemacht, die wir Grünen anstreben. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir den Rest des Wahlkampfes gut über die Bühne bringen.
Also glauben Sie noch an eine Kanzlerin Baerbock?
Ich halte es immer noch für gut möglich, aber es ist ein sehr enges Rennen. Die Kurven gehen hoch und runter, und wer am Ende an der Spitze ist, ist fast gar nicht auszurechnen.
Vielen Dank für das Gespräch.