Von Level zu Level zu Level
Sie sind 19 und 21 Jahre alt und bereits Chefs ihres eigenen Unternehmens. Über zwei junge Eimsbütteler Gründer und den Mut aufzuhören – und anzufangen.
Von Alana TongersEin typischer Arbeitstag von Emil Woermann und Jacob Leffers beginnt wohl wie der vieler Unternehmer. Mit der obligatorischen Begrüßungsrunde durchs Großraumbüro, Gesprächen mit den Angestellten, langen To-do-Listen – und jeder Menge Kaffee.
Vermutlich hören die Ähnlichkeiten an dieser Stelle schon auf. Denn ansonsten ist im Arbeitsleben von Woermann und Leffers wenig typisch, was nicht zuletzt an den beiden Chefs selbst liegt: Mit 19 und 21 Jahren sind die beiden Freunde bereits Gründer des Taschen- und Rucksack-Start-ups Oak25.
Learning by screwing (up)
Während im letzten Jahr die Welt für viele stillstand, drehte sich die von Woermann und Leffers schnell. So schnell, dass man sich fragt, warum den beiden noch nicht schwindelig geworden ist. In wenigen Monaten haben die jungen Gründer aus einem Zweierprojekt ein kleines Unternehmen gebaut. Ihr Büro wanderte aus der elterlichen Wohnung in ein Fabrikloft in der Eimsbütteler Chaussee. Und sie haben Investoren gefunden, die einen Millionenbetrag in ihre Marke gesteckt haben.
Wenn Woermann und Leffers die letzten Monate Revue passieren lassen, von Umsätzen, Geschäftsmodellen und Investment erzählen, dann klingen sie erfahren. Obwohl sie erst vor etwas mehr als einem Jahr die Schule abgeschlossen haben, könnte man meinen, sie wären schon ewig Teil der noch jungen E-Commerce-Branche.
Und auf gewisse Weise sind sie das auch. Emil Woermann und Jacob Leffers fangen schon mit 15 und 16 Jahren an, gemeinsam an digitalen Projekten zu tüfteln. Statt nach der Schule am Computer zu zocken, programmieren sie lieber selbst. Bringen sich bei, wie man eigene Logos designt und kurze Videos produziert. Und schließlich halten sie ihre digitalen Experimente selbst in einem Buch fest: Zuerst in Eigenregie als E-Book veröffentlicht, verlegt der Carlsen-Verlag 2017 ihr „Secret Book for Digital Boys”.
Sie gründen sogar ein Streetwear-Label. Das sie jedoch aufgeben, weil bereits eine Marke mit ähnlichem Konzept und Namen existiert. „Learnings” nennen die beiden Eimsbütteler das: Lieber wollen sie die Dinge ausprobieren und damit scheitern, als sich in theoretischen Überlegungen zu verlieren. Was bleibt, seien Erfahrungen, die sie in neue Projekte mitnehmen.
Die meisten Ideen kommen Woermann und Leffers, wenn sie selbst auf der Suche nach einem Produkt sind und einfach nichts finden, das ihren Ansprüchen gerecht wird. So entsteht auch Oak25. Beide fahren viel Fahrrad, haben aber wenig Lust, eine grelle Warnweste zu tragen, um im Dunkeln gesehen zu werden. Also entwickeln sie die „Luminant Bag”: einen Rucksack, der tagsüber schlicht aussieht, aber durch seine reflektierende Oberfläche nachts zum leuchtenden Beschützer wird.
Aus Ideen werden Entwürfe, aus Entwürfen ein Produkt – schließlich starten die Freunde eine Crowdfunding-Kampagne, um mit ihrer Marke an den Start zu gehen. „Am Anfang wurde die Idee schon ein wenig belächelt”, erinnert sich Woermann an die ersten Reaktionen von Freunden und Familie. Leuchtende Rucksäcke? Damit konnten viele erstmal wenig anfangen. „Vielleicht auch zu unserem Schutz.” Denn setzen sich Woermann und Leffers Ziele, wollen sie diese zumindest erreichen, noch lieber aber übertreffen.
„Wie viel sind wir bereit aufzugeben?“
Mit der Crowdfunding-Kampagne ist ihnen das gelungen – über 20.000 Euro sammeln sie so in einem Monat. Im März 2020 liefern sie die ersten Luminat Bags aus, seitdem verkaufen sie ihre Produkte über den eigenen Onlineshop. Und so hätte das kleine Unternehmen erstmal als Nebenrolle im Leben der beiden weiterwachsen können. Aber die Jungunternehmer wollen weiterkommen und Oak25 aufs nächste Level heben. Dafür braucht es einen Kapitalschub. Also bauen sie Präsentationen, üben Vorträge und Pitches, begeben sich auf die Suche nach Investoren.
Schließlich überzeugen sie den Gründer eines der größten deutschen Internethändler für Bekleidung – About You –, Tarek Müller, von ihrer Marke. Er investiert einen sechsstelligen Betrag in Oak25. Das Investment bedeutet für Woermann und Leffers aber auch loszulassen. „Wir mussten uns fragen: Wie viel sind wir bereit dafür auf- oder abzugeben?”, so Leffers. Einen Teil der Firma, die bisher aus zwei Eimsbütteler Teenagern bestand, geben sie in fremde Hände.
Seed-Investment
Das Ganze sei ein sogenanntes Seed-Investment gewesen, in der Frühphase der Unternehmensentwicklung: „Da reicht es nicht, nur auf die Zahlen zu gucken, weil die noch nicht ausschlaggebend sind.” Stattdessen werde mehr in die Gründer selbst investiert.
Im Gegenzug erhalten sie eine Menge Know-how von Experten aus der Branche. Vor allem aber ermöglicht das Geld den Gründern, Oak25 in Vollzeit anzugehen. Die Entscheidung für die Firma ist aber auch die gegen andere Lebensentwürfe: Emil Woermann hatte nach der Schule ein duales Studium, Jacob Leffers eine Ausbildung begonnen. Am Ende überwiegt die Lust der beiden, praktisch zu arbeiten, statt Hausarbeiten zu schreiben und für Klausuren zu lernen. Denn am liebsten bringen sie sich die Dinge immer noch selbst bei. Trotzdem kommen kurz vor dem finalen Schritt in die Selbstständigkeit Zweifel auf. „Da war der Gedanke: Wir müssen es jetzt reißen, sonst stehen wir mit nichts da”, erinnert sich Leffers.
Im Ameisenhaufen
Ihr Mut hat sich ausgezahlt – in mehr als bloß Kapital. In einem Alter, in dem ihre Freunde erste Berufserfahrungen in Praktika sammeln, sind Woermann und Leffers nicht nur ihre eigenen Chefs, sondern auch die eines mittlerweile siebenköpfigen Teams. Manchmal vergesse er das, meint Woermann. „Ich würde mich selbst nicht als Chef bezeichnen.” Das liegt wohl auch an den flachen Hierarchien, die sie sich bei Oak25 bewahren wollen. „Wir sitzen alle an einem Tisch und jeder wirft Ideen in den Raum.” Jeder Teil des Teams soll gehört und ernst genommen werden – egal ob Praktikant oder Gründer. Und so passiert es schonmal, dass die Ideen eines Praktikanten an seinem ersten Tag vom Chef persönlich umgesetzt werden.
Auch wenn vieles ausgeklügelt und professionell wirke, gebe es an einigen Stellen Chaos. „Wenn man bei uns ins Büro kommt, ist das wie ein Ameisenhaufen”, lacht Woermann. Teammitglieder wuseln durch den großen Raum, an einer Stelle werden mit dem Handy kurze Clips produziert, an anderer beim Kaffee in der Küche neue Projektideen ausgetauscht. Doch wie es sich für eine fleißige Ameisenkolonie gehört, steht am Ende des scheinbaren Durcheinanders eine Menge Produktivität. Und diese kreative Energie nutzen die Eimsbütteler für das Wachstum von Oak25. „Wir gucken uns gerade schon wieder nach größeren Büroräumen um”, verrät Jacob Leffers.
Bereut haben Emil Woermann und Jacob Leffers ihren Mut zum Schritt in die Selbstständigkeit bis heute nicht. Auch wenn sich in ihren Leben einiges geändert hat: Aus einem Hobbyprojekt ist mittlerweile eine 70-Stunden-Woche geworden. Die beiden Eimsbütteler arbeiten oft auch am Wochenende. Einen richtigen Feierabend haben sie nicht. „Wir können nicht einfach unseren Laptop zuklappen und haben Schluss, wie das bei einem normalen Job der Fall wäre”, sagt der 19-jährige Woermann. Wenn spätabends eine Mail im Postfach landet, wird sie eben noch vom Handy beantwortet.
Workaholics seien die beiden trotzdem nicht. „Ich glaube, wir haben einen Mittelweg gefunden.” Ihren Interessen sind die Freunde übrigens treu geblieben. Statt abends auf dem Laptop eine Serie zu gucken, würden sie lieber programmieren und designen. Denn die nächsten Level wollen sie nicht nur im Spiel auf dem Bildschirm, sondern lieber mit Oak25 im echten Leben erreichen.