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Trotz Regen draußen sitzen? Im Grindelhof machen das Zelte auf den Gehwegen möglich – wie hier vor "Der Etrusker" und "L’Espresso Bar". Foto: Rainer Wiemers
Magazin #25

Was macht Eimsbüttels Gastronomie?

Im Lockdown zehrten vielen von den Erinnerungen an den letzten Besuch beim Italiener, sehnten sich nach einem Absacker im Pub. Monate nachdem die Gastro­nomie wieder geöffnet hat, stellt sich die Frage: Bleibt nach Corona alles beim Alten? Über Veränderungen in der Eimsbütteler Gastronomie.

Von Julia Haas

Wenige Arbeitskräfte, viele Auflagen und neue Wünsche: Co­rona hat die Gastronomie verändert – auch in Eimsbüt­tel. Im Stellinger Weg haben sich Parkplätze in Terrassen verwandelt, im Grindelhof wurden Gehwege mit Fest­zelten über­dacht. Mit Liefer­konzepten und Take-away-Angeboten haben sich Gas­tronomen über Wasser gehalten. Wie geht es jetzt weiter? Ein Streifzug durch Eimsbüttels Gastro-Meilen zeigt, wo Krisen brodeln und Veränder­ungen gelingen.

Draußen sitzen – bei jedem Wetter

Schirme gegen den Regen, Decken gegen die Kälte: In Eimsbüttel haben Restau­rants und Cafés ihre Über­gangsjacke ausgepackt. Der dünne Schutz kommt an – auch dann, wenn sich der Herbst nicht von seiner goldenen Seite zeigt. „Viele Gäste sitzen bei Wind und Regen draußen, das hätte früher niemand mitgemacht”, sagt Michael Müller.

Während des zweiten Lockdowns haben sie mit Take-away weitergemacht, jetzt zählen vor allem die Außen­plätze, um zu überleben: Thomas Wicht, Restaurantleiter, und Michael Müller, Inhaber von „Cafe Strauss“ (v.l.). Foto: Rainer Wiemers

Seit 17 Jahren leitet er das Cafe Strauss in der Wiesenstraße. Fünf Monate nach Öffnung der Innengastronomie sei die Angst, drinnen zu sitzen und sich anzustecken, bei vielen geblieben, erzählt Müller und ergänzt: „Ohne Außenplätze hast du als Gastronom große Probleme.”

Corona vorbei, Sondernutzung abgelaufen?

Während sich im Cafe Strauss der Wintergarten als Glücksfall entpuppte, weichen die Wirte im Stellinger Weg auf die Straße aus. Vor dem Café Frachtraum stehen zwischen dicht geparkten Autos zwei große Sonnenschirme, sie überdachen Bänke aus Holzpaletten und Tische aus Getränkekisten – umrahmt von Betonblöcken. Seit Oktober kann Inhaber Wilfred Amoah Marfo die Sonderfläche nutzen. Eine Genehmigung hatte er zwar schon früher, aber die vom Bezirksamt vorgeschriebenen Poller nicht. Weil sie schwer zu finden und nicht billig sind, erklärt er. Vorerst hat er sie nur gemietet, die zusätzliche Terrasse möchte er jedoch solange wie möglich nutzen.

Doch schon zum Jahresende soll damit Schluss sein. „Die breitere Sondernutzung mit ‚Augenmaß’ läuft mit dieser Freiluftsaison aus”, erklärt Jan Koriath, Vorsitzender des zuständigen Ausschusses in der Bezirksversammlung. In Eimsbüttel sind nach Angaben des Bezirksamts 251 gas­tronomische Betriebe davon betroffen.

Zurück zum alten Schmea

Grüne und CDU hatten sich vergangenes Jahr in der Bezirksversammlung dafür eingesetzt, dass „auf unbürokratische Weise temporär Flächen für Gastronomen möglich gemacht werden”. Die Sonderregel, die die Nutzung von Parkplätzen als Terrassen oder das Aufbauen von Zelten auf Gehwegen ermöglichte, endet am 31. Dezember 2021 in ganz Hamburg, teilte die Wirtschaftsbehörde mit.

Zwar entfallen die Gebühren für Sondernutzungen noch bis Ende 2022, doch die dafür verfügbaren Flächen fallen voraussichtlich wieder kleiner aus. „Ab 2022 werden Anträge nach altem Schema bewilligt”, sagt Koriath. Das bedeutet: Das „Augenmaß” fällt wieder wie vor Corona aus, als die Nutzung von Parkflächen und Gehwegen nicht zur Regel zählten.

Enttäuschte Gastronome

„Corona ist nicht vorbei, solange ich meine Gäste nach dem Impfpass fragen muss”, meint Rijad von Arian’s Pub. Vor seiner Bar hat er mehrere tausend Euro in eine Terrasse investiert. Er sagt, ohne den Holzbau hätte er die Sonderfläche rund um eine Baumwurzel nicht nutzen können. Jetzt wieder alles abbauen – für ihn keine Option. Er scheue nicht davor, sich mit dem Bezirksamt anzulegen: „Gegebenenfalls ziehen wir vor Gericht.”

Auch im Grindelhof stößt der Auslauf der Sonder­nutzung auf Unverständnis. Die Inhaber von L’Espresso Bar und Der Etrusker haben Zelte vor ihren italienischen Restaurants aufgebaut. „Die Außenplätze kommen gut an”, sagen beide. Trotz Fieselregen und Wind sitzen an einem späten Herbstnachmittag Gäste in den Zelten – in den Innenräumen sind die Tische leer. Dass sie anders als im Vorjahr keine Heizstrahler einsetzen dürfen, kann ein Mitarbeiter nicht nachvollziehen: „Wir haben letztes Jahr in Heizstrahler investiert, dann kam der Lockdown und wir konnten sie nicht nutzen, jetzt dürfen wir es nicht mehr.”

Das Geschäft mit der Lieferung

Was passiert also, wenn es drinnen zu voll und draußen zu kalt wird? Ein paar Häuser weiter im Grindelhof 87 pokern die Inhaber von Mission Pizza auf dieses Szenario. „Delivery wird die Zukunft sein”, glaubt Alexander Wenckstern. Mit Lucas Chatelain betreibt er ein „Hybridkonzept”. 2019 starteten die Inhaber als Pizzalieferdienst, ein Jahr später eröffneten sie ihr Restaurant im Grindel. Rund 6.000 Pizzen backen die Bäcker von Mission Pizza wöchentlich. Einen Großteil davon liefern sie nach Hause: Rund 70 Prozent machen Lieferungen aus, der Rest sind Speisen vor Ort, schätzt der Geschäftsführer.

„Ab und zu stehen wir alle in der Küche oder liefern aus”, sagt Fabian Ziemann-Grage von Pizza Mission. Foto: Rainer Wiemers

Der 22-Jährige arbeitet in der Personalabteilung, Pizza backen kann er trotzdem. Foto: Rainer Wiemers

Dass sich Lieferdienste durchsetzen und die Gastro­nomie verändern werden, glaubt Wenckstern nicht erst seit Corona: „Es wächst eine neue Generation heran, die drinnen bleibt und gerne zuhause isst.” In einer Telefonumfrage von Bitkom Research gaben im Juni letzten Jahres 53 Prozent von rund 1.000 Befragten an, Essen im Internet zu bestellen – vor Corona seien es 40 Prozent gewesen. Auch wenn die Studie keine Repräsentativität beansprucht, bildet sie einen gefühlten und durch Corona verstärkten Trend ab.

Das Geschäft mit dem Essen für Zuhause sei herausfordernd, sagt Wenckstern – mehr als es auf den ersten Blick wirkt. „Jeder kann im Restaurant eine frische Pizza servieren, die Herausforderung liegt darin, diesen Geschmack nach Hause zu bringen.” In ihrem Fall sei der richtige Pizzateig die Basis dafür – und ihn so zu optimieren, dass er auch nach einer halben Stunde nicht matschig schmeckt. Neben dem Liefergeschäft kann sich Wenckstern in Zu­kunft auch einen Standort nur für Take-away-Angebote vorstellen.

Gastronomie in Eimsbüttel: Gegen die Anonymität

Wenn erfolgreiche Lieferkonzepte nicht nur als Zukunftsmusik erklingen, warum sollen die Leute dann noch zum Essen und Trinken in den Standort im Grindelhof kommen? „Wir brauchten ein Gesicht, das die Leute kennen”, sagt Wenckstern. Denn Gastronomie – egal, ob zuhause oder im Restaurant – funktioniere nicht anonym. Vor allem nicht in Eimsbüttel.

Wie im Grindelhof sind es auch in der Osterstraße die Menschen dahinter, die die Gastronomie ausmachen, meint Quartiersmanagerin Arlette Andrae. Das Angebot sei eine „gute Mischung aus kleinen, inhabergeführten Lokalen” – bislang verschont von großen Systemgastronomen. Mit steigenden Mieten wächst ihre Sorge, dass sich das ändert, dass sich die Kleinen nicht halten. Dabei denkt sie an leidenschaftliche Barista wie von Third Room oder eingesessene Eimsbütteler wie Carlos Coffee, die schon bald neben Kaffee-Riese Copenhagen Coffee Lab bestehen müssen.

David gegen Goliath

„Qualität setzt sich immer durch”, sagt Müller von Cafe Strauss. Dennoch: Sich gegen Restaurantketten zu behaupten, das sieht auch sein Restaurantleiter Thomas Wicht auf die Eimsbütteler Gastronomie zukommen. „Noch merken wir das nicht, aber die Kleinen werden kämpfen müssen.” Weil sie mit den Preisen der Großen nicht mithalten können. Wo viel Geld dahinter steckt und riesige Mengen eingekauft werden, kann die Pizza über Jahre hinweg 11,90 Euro kosten, meint Wicht. „In einem kleinen Betrieb geht das nicht.”

Dass sich kleine Betriebe keinen Preiskampf leisten können, zeigt eine im Mai veröffentlichte Studie vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Nachdem die Zahl der Insolvenzverfahren wegen der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht stark zurückgegangen war, rechnen die Wissenschaftler nun mit einem Anstieg der Pleiten – vor allem in stark betroffenen Branchen wie der Gastronomie. Insbesondere kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern sowie Selbstständige und Freiberufler seien betroffen.

Mitarbeiter finden – und binden

Neben finanziellen Herausforde­rungen kämpfen Eimsbütteler Gastro­nomen mit einem weiteren Engpass: Mitarbeiter. Viele haben die Branche gewechselt, sagt Cafe Strauss-Inhaber Müller. Neue Angestellte finden sie nur schwer. „Es ist ein schöner Beruf, nur keiner will ihn mehr lernen”, ergänzt sein Restaurantleiter. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) ergab, dass der Fachkräftemangel für rund 80 Prozent der befragten Restaurants und Hotels ein Problem ist.

Auch im Univiertel bei Mission Pizza läuft die Suche nach neuen Mitarbeitern schleppend. „Wir können nicht mit großen Geldern um uns schmeißen”, sagt Geschäftsführer Wenckstern. Das Gastrogewerbe will er deswegen auf anderen Wegen attraktiver gestalten: Talente fördern, Perspektiven schaffen. Mission Pizza bildet zwei duale Studenten im Fach BWL mit Schwerpunkt Gastronomiemanagement aus, will den beruflichen Weg seiner Angestellten unterstützen – wie den von Max. Er startete vor drei Jahren in der Backstube, heute arbeitet er als Werkstudent in der Marketingabteilung.

Und jetzt?

Immer so weiter: In der Gastronomie funktioniert das nicht mehr. Von der Pandemie herausgefordert, haben Eimsbütteler Restaurantbesitzer Wege gefunden und reagiert – mit Holzterrassen, Teigrezepten und vertrauten Gesichtern. Noch gilt, was Quartiersmanagerin Arlette Andrae sagt: „Hier kann man sich durch die ganze Welt essen.” Nun ändern die Behörden wieder die Spielregeln, verkleinern die Sondernutzungsflächen der Wirte und schaffen neue Herausforderungen für die gastronomische Vielfalt in Eimsbüttel.

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