2G: Kontrolldruck auf Eimsbüttel
Wie die Polizei den 2G-Kontrolldruck freundlich aber stetig auf Eimsbüttels Weihnachtsmärkte und Restaurants bringt. Mit einer Polizeistreife in die Nacht. Eine Fotoreportage.
Von Christian LitzDie Männer werden nervös, richtig nervös, fast ängstlich. Der im roten Poloshirt stammelt ein bisschen. Ein anderer, weiter hinten, nimmt das Handy ans Ohr und meldet dem Boss in italienischem Stakkato, was da gerade passiert in der Pizzeria.
Die Polizistin, Stephanie Antonczyk, groß, in schwarzer Uniform, Pistole an der Seite, Handschellen, Funkgeräte, Handys an der Jacke, entspannt die Situation, indem sie lächelt und den dritten Mann fragt: „Wie ist Ihre Pizza?“ Der antwortet mit breitem italienischem Akzent: „Wir machen die beste Pizza in der ganzen Welt.“
Polizei in Pizzeria – schon knistert es
Die Spannung entweicht aus der Atmosphäre der Pizzeria im Eppendorfer Weg wie Luft aus einem angepiksten Luftballon. Die Hauptkommissarin kontrolliert die Impfausweise der Kellner und Köche mit ihrer Covpass-Check-App, ruhig, einen nach dem anderen.
Ihr Kollege Christian Block geht durch den großen leeren Raum voller Stühle und Tische und Licht, das sich in den bodentiefen Glasscheiben spiegelt.
Weit hinten, um die Ecke, findet der Polizist, der viel lächelt und trotz der schwarzen Uniform Freundlichkeit verstrahlt, die zwei Gäste. Zwei Frauen. Er spricht sie an: Er störe sie ungern, aber… Christian Block muss nicht weitersprechen. Die beiden zeigen ihm ihre Handys mit den digitalen Impfzertifikaten.
Eine braucht etwas länger, um das Handy anzuwerfen, und er nutzt die Zeit, die andere zu fragen, ob sie am Eingang kontrolliert wurden. Ob sie mit der Luca-App eingecheckt seien?
Jetzt noch die Personalausweise, bitte. Die eine Frau erzählt, sie sei aus Lübeck, da gälten andere Regeln. „Alles in Ordnung, lassen Sie es sich schmecken.“ Ein Blick auf den Teller. „Sieht gut aus.“
„Da müssen wir alle durch“
Vorne, auf der beleuchteten Glastheke, liegt ein Zertifikat eines der Köche. Papier ist ja nicht mehr so gerne gesehen bei Kontrollen. Der Mann ist besonders nervös.
Stephanie Antonczyk schaut genau hin und lange und noch mal. „Alles in Ordnung“, sagt sie nach einer langen, wirklich spannenden Pause und zu dem Mann, der vorhin telefoniert hatte, „aber wir werden sie weiter kontrollieren“. Der Mann daneben, der aussieht, als wisse er, wie man gut kocht, sagt: „Das ist gut so.“ Sie: „Da müssen wir alle durch.“ Sie lächelt. Ihr Kollege lächelt. Der Kontrolldruck kommt ganz freundlich nach Eimsbüttel.
Draußen sagt Stephanie Antonczyk: „Die waren aber ganz schön nervös. Schreibst Du das auf?“ Hauptkommissarin Antonczyk und Hauptwachtmeister Block von der Dienstgruppe Operative Aufgaben sind an diesem Sonntag von 14 Uhr bis 21 Uhr unterwegs in Eimsbüttel, kontrollieren, kontrollieren, kontrollieren. Restaurants und Weihnachtsmärkte. Die beiden sind eine von zwei Streifen.
Maschinenpistole dabei – für alle Fälle
Der Kontrolldruck soll die Eindämmungsverordnung durchsetzen. Die verhindert, dass das Coronavirus sich weiterverbreitet. Nur noch Geimpfte und Genesene dürfen in Restaurants, Bars und auf Weihnachtsmärkte, und die Polizei muss kontrollieren.
Im Wagen, einem siebensitzigen Mercedes Minivan, liegt die Maschinenpistole irgendwo eingeschlossen. Das ist Vorschrift um die Weihnachtszeit, wenn die Polizei in die Nähe von Weihnachtsmärkten geht. Seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidtplatz in Berlin 2016 ist die Maschinenpistole immer dabei.
Später, in der Pause im Revier, unterhalten sich die beiden, während sie ihre Kontrollen erfassen, darüber, wann das denn war. Sie müssen googeln. Beide sind Eltern, rufen in der Pause die Kinder an. Stephanie Antonczyks Mann ist auch Polizist und hatte die letzte Nachtschicht und zwei Kinder zu Hause, die ihn jetzt nicht schlafen lassen. Auf dem Polizeikommissariat in der Troplowitzstraße scheppert es laut aus den Lautsprechern: Die Ärztin sei da für die Person in der Verwahrung.
Wir kommen bald wieder, keine Frage
Die beiden Beamten haben alle Kontrollen und Hinweise für die Kolleginnen und Kollegen eingegeben, die in den nächsten Tagen und Nächten Kontrolldruck machen.
Die Streife geht weiter: Sie unterhalten sich über mögliche Weihnachtsgeschenke und sprechen sonst viel mit Abkürzungen. DGOA. DGL. DGF. VP. BFM. AiA. PO. PK. Hat alles was zu bedeuten, der interne Jargon verkürzt die Gespräche. Als wären sie Ärzte.
Beide kommen aus Mecklenburg-Vorpommern, waren mal in Berlin, sind jetzt aber schon lange in Hamburg und kennen das Revier in Eimsbüttel ziemlich genau. „Hier links und dann gleich rechts, ist schneller.“
Die Osterstraße fahren sie in dieser Schicht fünfmal runter, dreimal hoch. Heußweg, Eppendorfer Weg, Stellinger Weg, alle vier Weihnachtsmärkte in Eimsbüttel, Lappenbergsallee, Gärtnerstraße.
Kein 2G-Schild? Geht gar nicht
Hoheluft-Ost, die zweite: Ein kleiner Junge will unbedingt mit der Polizei reden, denkt sich Fragen aus und findet das alles ganz toll. Aber: Nein, nicht alles toll. Stephanie Antonczyk unterhält sich lange mit der Wirtin, die ein Elchgeweih auf dem Kopf hat, während Christian Block die Gäste kontrolliert. Das Problem: kein 2G-Schild. Die Wirtin sagt, klar kein Schild. Warum denn auch. Es gilt doch überall 2G. „Trotzdem.“ Wir platzieren, wir checken die Apps, die Persos. „Trotzdem.“ Aber… Sie müssen sich ein Schild besorgen! Wir kommen bald wieder. Besorgen Sie sich ein Schild! Für Morgen! Es kann teuer werden. 5.000 Euro muss eine Wirtin oder ein Wirt bei Verstößen bezahlen.
Polizeifunk als Hörspiel: spannend wie der Tatort
Antonczyk und Block im Wagen. Polizeifunk läuft. Der liefert das Unterhaltungsprogramm heute Abend, während der Rest Eimsbüttels ausgeht oder zuhause den Tatort aus Dortmund schaut: in Bahrenfeld, außerhalb ihres Bezirks gehen heute, Sonntagnacht, dreißig Jugendliche auf einem Schulhof aufeinander los in der Dunkelheit. Nachbarn rufen die Polizei. Bei jeder Rückkehr nach ein paar Restaurant-Kontrollen gibt es Neuigkeiten aus dem Polizeifunk. Flüchtende Jugendliche. Ein Mädchen verletzt. Die sagt aber, sie habe Blinddarm. Sonst nichts. Personalfeststellungen. Was da draußen passiert, unterhält einen ganzen langen Abend.
In der Osterstraße, das Restaurant ist knallvoll, hat kein 2G-Schild draußen. Das geht nicht. Klare Ansage. Kontrolldruck. Morgen. „Wir schreiben das auf.“
Der trotzige Gast
Die Kontrollen laufen routiniert ab, werden freundlich durchgeführt von den beiden, da kann sich eigentlich niemand dran aufspulen. Höchstens dieser Gast. Er isst und reagiert wie ein trotziges, besserwisserisches Kind und will, wenn er schon sein Impfzertifikat zeigen muss, auch das der Polizistin sehen.
Sie zeigt es ihm, ihr Privathandy, einen Ausweis dazu und ist die ganze Zeit so freundlich, dass es Zuhörern weh tut. Beim Rausgehen sagt Stephanie Antonczyk zum Wirt: „Tschüss, halten Sie durch!“
„Es ist nervig, aber es muss sein“
Kontrolldruck in der Osterstraße: Wie kontrollieren Sie die Kunden? Okay, gut. Luca-App? Sie müssen die Kunden darauf aufmerksam machen, dass sie sich für die Kontaktnachverfolgung mit der Luca-App einchecken. Sonst kann das Geld kosten. Stephanie Antonczyk: „Bitte, darauf achten, kann sonst teuer werden.“ Christian Block, der gerade die Gäste, drei junge Frauen, eine aus Schleswig-Holstein mit den anderen Regeln, kontrolliert hat: „Bitte, ist nervig, aber es muss sein. Denkt dran.“ Draußen sagt er, die Frauen waren nicht eingecheckt, „wir sollten da heute Abend noch mal vorbeischauen“.
Vor der Schichtpause auf dem Revier der einzige wirklich spannende Augenblick des Abends: Stephanie Antonczyk das Abendessen bestellt: Croque mit Schinken, Zwiebeln, Kraut, normales Baguette, kein Vollkorn. Sie geht rein, es dauert, die Preise haben etwas angezogen, kurzes Gespräch über Inflation und als sie rauskommt mit der Tüte Abendessen, ist Christian Block mit dem Polizeiauto weg.
Streifenwagen ist plötzlich weg
Er war zuerst auf der Straße entlanggegangen, vorbei an sechs Autos, die in zweiter Reihe standen. Drei fuhren schnell weg, eines etwas langsamer, an zwei klemmt er an die Windschutzscheibe den Zettel, auf dem steht, dass das gegen die Verkehrsvorschriften verstößt. Sonst nichts. Dann fährt er, „ich kann doch dann nicht in der zweiten Reihe stehen“, den Wagen in die Querstraße und braucht ein paar Minuten, um zu wenden und wieder zu kommen.
War sonst noch was los?
Eine Blaulichtfahrt wegen eines brennenden Autos in die Breitenfelder Straße. Feuerwehr kommt auch. Das Auto brennt nicht. Es steht auf einem Gully, aus dem heißer Dampf kommt. In der Dunkelheit sieht das aus wie die Szene eines Horrorfilms.
Das Auto brennt nicht, es dampft
Weihnachtsmarkt an der Apostelkirche: Der kleine Junge mit dem grünen Helm steht mit seinem Laufrad wie angewurzelt, sein Mund ist weit offen, der Blick geht steil nach oben: „Mama? Was machen die da?“ Die Mutter antwortet ihm: „Die kontrollieren, ob alles ok ist.“ Sie klopft dem Kleinen leicht auf den Helm und sagt: „Komm!“ Der Junge aber bleibt stehen und staunt die beiden Polizisten in den schwarzen Uniformen an: Hauptkommissarin Antonczyk und Hauptwachtmeister Block von der Dienstgruppe Operative Aufgaben gehen jetzt zum zweiten Mal heute auf diesen Weihnachtsmarkt und werden später, Kontrolldruck, noch ein drittes Mal hier ankommen.
Gerade sind die beiden aus dem Polizeiwagen gestiegen und stehen am Eingang des Weihnachtsmarkts. Stephanie Antonczyk dem staunenden Kleinen, dreht sich weg und fragt durch ihre weiße Atemmaske hindurch den kräftigen Riesen mit dem langen Grunge-Bart: „Habt ihr Probleme?“
Probleme, so viel Probleme
Auf den Satz hat der Muskelmann gewartet. Er ist Chef des Wachdienstes am Eingang des Weihnachtsmarkts und jetzt sprudelt er los: „Wir haben Probleme. Wir haben Probleme. Es kommen Leute mit fotografierten Personalausweisen und gescannten Impfpässen. Das Zeug kann man sich bei Telegram runterladen. Für ein paar Euro.“
Sie schaut ihn fragend an, er redet weiter, schnell, eilig, weil er noch mehr Probleme loswerden will. „Wir lassen nur Leute rein, die ein digitales Impfzertifikat und einen Perso haben.“
Christian Block ist inzwischen an der Schlange vorbeigegangen, schaut den Kontrollen zu und nickt in Richtung seiner Kollegin. Der Grunge-Bart-Mann redet weiter: „Probleme auch, weil Kinder oft nicht auf der Luca-App mit drauf sind und Leute, mit Impfzertifikat auf dem Handy. Aber kein Ausweis.“
Weihnachtsmarkt ohne Scanner
Christian Block ist wieder da und fragt: „Habt ihr keine Scanner?“ Nein, der Veranstalter habe keine angeschafft. Sie kontrollieren nur als Männer, die auf Handys starren. Und auf Personalausweise.
„Wir haben schon viele abgewiesen. Das ist echt ein Problem.“ Er bekommt ein Lob, „das mit der Luca-App macht ihr klasse“, sagt Christian Block und deutet auf die Wand mit den vielen QR-Codes hinter der Schlange am Eingang. Ein junger Mann vom Sicherheitsdienst steht da und erklärt den Besuchern, sie sollen sich hier schon einchecken und ihren Perso bereithalten und das Impfzertifikat. Der Ablauf ist gut organisiert.
Aber diese Probleme: „Vorhin war eine Frau da mit Perso und…“
Freundlichkeit in Uniform
Die ganze Schicht, von 14 Uhr am Nachmittag bis 21 Uhr abends, nur Probleme, und die freundliche Reaktion des Mannes und der Frau in Uniform. Sie sagt, „es muss sein“. Er hat morgen Rotlichtkontrolle, ab 7 Uhr, an Ampeln kontrollieren und inzwischen immer mehr, die während der Fahrt, „hey, da“. Christian Block hält an auf der Osterstraße in Richtung Kaifu vor der Haspa, Auto in zweiter Reihe, kaum zu sehen. Stephanie Antonczyk steigt aus und geht hin, ein Mann kommt angerannt. Kurzes Gespräch, sie steigt wieder ein und sagt: „Der Kindertrick.“
Christian Block: „Der zieht bei Dir noch? Du bist ein netter Mensch.“ „Na ja, wenn die Geschichte gut ist. Er hat gesagt, Kind ist krank, er geht in die Apotheke, Hustensaft holen und muss vorher Geld ziehen.“ Christian Block: „Der gute alte Kindertrick.“ Die beiden lachen.