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Kay-Peter Suchowa leitet die Grabungen an der Bornplatzsynagoge. Foto: Julia Haas
Kay-Peter Suchowa leitet die Grabungen an der Bornplatzsynagoge. Foto: Julia Haas
Jüdisches Leben

Überraschende Funde und emotionale Momente: So läuft die Grabung an der Bornplatzsynagoge

Die Grabungen am Joseph-Carlebach-Platz liefern unerwartete Details zur Bornplatzsynagoge – und geben der Jüdischen Gemeinde ein Stück Geschichte zurück.

Von Julia Haas

Die Vergangenheit liegt in 2,5 Metern Tiefe. Vorsichtig bewegt sich Kay-Peter Suchowa hinunter, verschiedene Erdschichten dienen ihm als Stütze. Unten angekommen, fegt er über die Fliesen von Villeroy & Boch. Florale Ornamente in Rostrot, Olivgrün und Weiß. Ein doppelter Boden, von dem keiner wusste, dass er noch existiert.

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Er zeigt, dass von der alten Bornplatzsynagoge mehr erhalten ist, als lange gedacht. Kay-Peter Suchowa hat mit seinem Team in den letzten Wochen danach gegraben. Besonders berührt haben ihn die Reaktionen der Jüdischen Gemeinde. „Sie haben durch den Holocaust vieles verloren, aber jetzt wissen wir, da ist noch etwas.“

Wie sah die Synagoge aus?

Im Auftrag des Senats untersucht Suchowa vom Archäologische Museum Hamburg derzeit mit einem elfköpfigen Team das Areal der ehemaligen Bornplatzsynagoge. Ihr Auftrag: Herauszufinden, ob überhaupt noch etwas im Boden zu finden ist und wie die ehemalige Synagoge ausgesehen hat.

Was bislang über die Synagoge bekannt ist, basiert hauptsächlich auf Schwarz-Weiß-Fotografien. Aussagen zu Farbe, Struktur und Baumaterial erlauben diese kaum.

Überreste vorhanden?

Anfang September begann Suchowa mit seinem Team, die Bodenschichten abzutragen. Ob er wirklich auf Überreste des Gotteshauses stoßen würde, war zu Beginn nicht klar, denn aus Dokumenten ging hervor, dass das Gebäude bis zu den Grundmauern abgerissen wurde.

Doch Suchowa wusste: Bereits in den 80er Jahren fand eine Grabung im Bereich des Heiligen Bads der Synagoge – der Mikwe – statt. Damals seien Teile des Mauerwerks freigelegt worden.

Synagoge in Keller geschoben

Das Ausmaß dessen, was das Grabungsteam fand, überraschte dennoch. Überall, wo die Archäologen gruben, fanden sie Mauerwerk, so dass sie davon ausgehen, dass es fast im gesamten Bereich der Synagoge noch vorhanden ist.

Suchowas Vermutung: Als die Jüdische Gemeinde die Gebäudereste um 1940 auf Anordnung der Stadt abtragen musste, hat sie wohl einen Großteil des Bauwerks in den Keller geschoben.

Bunte Glasscherben zeugen von alter Pracht

Unter den Funden befinden sich Fassadenteile aus rotem Sandstein mit Rußspuren. Während letzteres vom Feuer der Pogromnacht zeugt, verrät der Sandstein, dass die Bornplatzsynagoge rot gewesen sein könnte. Bislang ist man von einer gelben Fassade ausgegangen, wie auch nachträglich kolorierte Bilder der Synagoge zeigen.

Die Bornplatzsynagoge war wohl aus rotem Sandstein gebaut. Foto: Julia Haas
Die Bornplatzsynagoge war wohl aus rotem Sandstein gebaut. Foto: Julia Haas

In einem Container zwischen den Grabungsstellen bewahrt Suchowa die Fundstücke auf. Was ihn während der Grabungen am meisten berührte, verteilt sich auf mehrere Tüten: Glasscherben, sortiert nach Farben.

Er zieht jeweils ein Bruchstück heraus: grün, blau, violett, mit oder ohne Ornamente. Wie ein Fächer präsentiert er die Teile in seiner Hand und hält sie ins Sonnenlicht. So ungefähr muss es ausgesehen haben, wenn das Licht in die Synagoge fiel. Anders als es die Fotografien der ehemaligen Synagoge zeigen, waren die Fenster wahrscheinlich nicht grau, sondern bunt. „Die Fundstücke zeigen, wie prachtvoll die Synagoge war.“

Bei den Grabungen wurde bunte Glasscherben gefunden, die von den Fenstern stammen. Foto: Julia Haas
Bei den Grabungen wurden bunte Glasscherben gefunden, die von den Fenstern stammen. Foto: Julia Haas

Küchenboden freigelegt

Neben den Überbleibseln des Gebäudes zeugen die Funde auch vom Leben rund um die Synagoge. Unter den rund 150 Fundstücken, die das Team konserviert hat, befinden sich verschiedene Alltagsgegenstände wie Töpfe oder Apothekenfläschchen.

Diese stammen vermutlich aus den beiden Kellerwohnungen, die an die Synagoge angrenzten. Dort hätten der Rabbiner der Gemeinde sowie ein Hausmeister gewohnt, sagt Suchowa. Bei den Grabungen sei nun der Küchenboden der Hausmeisterwohnung freigelegt worden: gut erhaltene Bodenfliesen mit floralen Ornamenten.

Jüdische Gemeinde bekommt ein Stück Geschichte zurück

Aus archäologischer Sicht handele es sich um keine herausragenden Fundstücke. „Aber die Dinge haben eine unglaubliche emotionale Wirkungskraft“, sagt Suchowa.

Bei den Grabungen wurde ein Küchenboden freigelegt. Foto: Julia Haas
Bei den Grabungen wurde ein Küchenboden freigelegt. Foto: Julia Haas

Seit Grabungsbeginn hätten ihn viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde besucht. Darunter Besucher aus Israel. „Die Menschen können hier plötzlich einen Teil der Synagoge sehen und fühlen, in der ihre Urgroßeltern gebetet haben.“

Selten erfahre Suchowa so viel Interesse an seiner Arbeit. Immer wieder kämen Kinder aus der Talmud-Tora-Schule rüber und fragten, ob sie die Grabungshügel durchsuchen können. „In der Hoffnung selbst etwas zu finden“, erzählt Suchowa.

Wie geht es weiter?

Im letzten Grabungsschritt wird aktuell das Heilige Bad der Synagoge freigelegt. Danach füllt das Team die Löcher wieder auf. Im Dezember kommt das Mosaik zurück, das den Grundriss der Synagoge zeigt und das für die Grabungen herausgenommen wurde.

Die Bornplatzsynagoge wurde während der Reichspogromnacht zerstört und anschließend abgetragen. Jetzt planen die Stadt und die Jüdische Gemeinde Hamburg, am selben Ort eine neue Synagoge zu bauen. Ob und inwieweit sich der Neubau an der zerstörten Synagoge orientiert, soll ein Architekturwettbewerb klären. Ihm gehen die archäologischen Grabungen voraus. Suchowa hofft, dass möglichst viele der hier erhaltenen Informationen in den Entwurf und Bau einfließen.


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