Ein Quantum Frust: Kleingärten an der Julius-Vosseler-Straße abgerissen
Bis Ende November mussten die Kleingärtner an der Julius-Vosseler-Straße ihre Lauben geräumt haben – nun wurden die ersten Lauben abgerissen. Der Frust der Gegner des dort zu errichtenden Neubaus beruht nicht nur auf dem Grünflächenverlust, sondern auch auf dem einen von zwei Bauherrn, die Quantum Immobilien AG.
Von Fabian HennigGabriele Wehking steht am ersten Samstag im Oktober in ihrem Garten und räumt Gartenutensilien zusammen. Darunter ein eisernes Blumenregal, das sie von umrankten Pflanzen befreit. Daneben stehen drei orangene Plastikkisten, die sie für den Transport von Kleinkram sauber gemacht hat und die nun in der Sonne trocknen. Viele Erinnerungen würden an ihrem Kleingarten hängen, sagt Wehking.
Zusammen mit ihrem Vater Klaus hat sie den Garten gepachtet, seit über 30 Jahren ist das Stückchen Grün ihre Oase. Diesen Sommer habe sie nicht mehr viel Arbeit in ihren Schrebergarten gesteckt, ein Gemüsebeet habe sie zuwuchern lassen. Nur ein kleines Blumenbeet direkt vor der Hütte habe sie für die Bienen bestückt. Trotz des Verlusts ihrer Parzelle weiß auch Wehking, dass in Hamburg Wohnungen gebaut werden müssen. Das Bild des renitenten Kleingärtners hat eben viele Schattierungen.
Wohnungen für Normalverdiener?
Bis Ende November mussten die Kleingärtner „Gartenfreunde der Mühlenkoppel e.V.“ das Gelände an der Julius-Vosseler-Straße verlassen haben. Der Protest der letzten Jahre gegen das Bauvorhaben hat nicht funktioniert. Unterschriften wurden gesammelt, es wurde an Politiker appelliert, Protestbanner aufgehängt und Allianzen mit anderen Initiativen geschmiedet. Seit Dezember werden die Gartenlauben abgerissen und Pflanzen abgeholzt, um dort die Julius-Vosseler-Siedlung errichten zu können. Dass Hamburg neue Wohnungen benötigt, ist keine Frage. 10.000 Einheiten sollen es pro Jahr sein, die Flächen dafür kommen nicht von irgendwoher. Die Stadt Hamburg sollte sich deswegen überlegen, welche der wichtigen Grünflächen sie verkauft und wer dort bauen darf. Vor allem, damit der Normalverdiener sich in Zukunft Wohnen noch leisten kann und nicht mit Mieten spekuliert werden kann.
Insgesamt sollen an der Julius-Vosseler-Straße 109 Sozialwohnungen der „Baugenossenschaft dhu“ und 129 Wohneinheiten der Immobilienfirma Quantum Immobilien AG entstehen. 20 dieser Einheiten werden Stadthäuser sein, insofern werden von den beiden Bauherren jeweils 109 Wohnungen gebaut. Zudem bekommt der 80 Millionen teure Bau einen grünen Innenhof, eine Tiefgarage und eine Kita. An der Gebäudespitze, in dessen Erdgeschoss auch die Kita geplant ist, wird das Haus sechsgeschossig und somit an der südlichen Stelle am höchsten sein. Der Wohnblock entlang der Bahnstrecke wird fünfstöckig werden.
Weil die Ausgleichsflächen für die Kleingärtner der Mühlenkoppel erst später fertiggestellt werden und dennoch keine Zeit vergeudet werden soll, müssen die Pächter ihren Hausrat und Werkzeuge solange in Containern an der Julius-Vosseler-Straße lagern. Dass diese Flächen erst im Frühling fertig werden, ärgert Adalbert Pietrzak. Der Vereinsvorsitzende hätte es lieber gehabt, direkt umziehen zu können. Dennoch sei die finanzielle Entschädigung zwangsläufig akzeptabel, dafür hätte er aber auch lange gekämpft. „Was blieb uns am Ende übrig?“, fragt Pietrzak.
Weniger Grünfläche für den Bezirk
Was nun allerdings bleibt, ist weniger Grünfläche für den Bezirk. Das Grundstück der Gartenfreunde Mühlenkoppel ist zwei Hektar groß, nach dem Abriss an der Hagenbeckstraße stehen gut 0,3 Hektar zur Verfügung. Die „Vereinigung Eimsbütteler Gartenfreunde von 1919 e.V.“ und der Ausgleichsfläche an der Niendorferstraße 99 sind im Bebauungsplan bereits als Dauerkleingärtenflächen ausgewiesen. Demnach verliert der Stadtteil durch die Baumaßnahme mehr Grünfläche als er gewinnt. Und wenn ab 2020 ein weiterer Kleingartenverein, die „Gartenfreunde Wittkamp e.V.“ am Spannskamp, auf den Autobahndeckel Stellingen zieht, wird die Grünfläche in dem Gebiet noch kleiner.
Besonders enttäuscht ist Pietrzak davon, dass ihn bis auf die Linke Eimsbüttel keine der Eimsbütteler Parteien unterstützt hat. „Auch von den Grünen hätte ich mehr Unterstützung erwartet“, sagt er. Diese stünden seiner Meinung nach nicht mehr für eine grüne Stadtpolitik. Nur die Linke Eimsbüttel habe sich für die Kleingärtner interessiert und den Verein in vielen Belangen unterstützt. Neben dem Grünflächenverlust wurde oft bemängelt, dass Quantum dort Wohnungen bauen wird. Schon damals hing an der Julius-Vosseler-Straße ein Transparent mit der Aufschrift „Gärten statt Luxuswohnungen“.
Auch in etlichen Ausschüssen des Bezirks kritisierten Bürger die Pläne, dass ein solches Immobilienunternehmen die Fläche bebauen darf. In Hamburg ist das Unternehmen weniger für günstigen oder sozialen Wohnungsbau, sondern vielmehr für hochpreisige Immobilien bekannt – wie zum Beispiel für den Bau und die Vermarktung von 44 Luxuswohnungen in der Elbphilharmonie. Zudem ist Quantum immer wieder negativ in den Schlagzeilen – darunter mit den Projekten „Zeise Zwei“ oder den Stadthöfen. Beim „Zeise Zwei“ in Ottensen wurde kurzzeitig entschieden, statt Wohnungen und Sozialwohnungen nur Büroflächen zu errichten. Auch dort brachte der Protest wenig.
„Der Mietenmarkt wird zerstört“
Zur Linksfraktion Eimsbüttel gehört Hartmut Obens, der Quantum auch kritisiert. Obwohl die Kritik von Obens nicht nur gegen Quantum geht, sondern gegen die Wohnungsbaupolitik der Stadt und der Immobilienunternehmen. Der Hamburger Senat berücksichtige dabei gerade solche Wohnungsbauunternehmen, „die durch ihr finanzmarktgetriebenes Geschäftsmodell eine systembedingt ‘eingebaute’ Mietpreistreiberei praktizieren und den Mietenmarkt auf längere Sicht zerstören”, sagt Obens. Generell ginge es ihm um den Charakter der Wohnungsbau-Finanzkonzerne und nennt diese „Mietsteigerungsmaschinen“. Andere Beispiele aus Eimsbüttel sind für ihn die Firmen „Vonovia SE“ oder „Akelius“. Laut Obens sei Vonovia das Ergebnis der Finanzialisierung des Wohnungswesens, deren Renditen vor allem aus steigenden Vermietungsergebnissen erwirtschaftet wird.
Von den 35 Pächtern der Mühlenkoppel werden acht aufhören, die meisten anderen ziehen entweder auf die neue Fläche an der Hagenbeckstraße oder etwas weiter entfernt an die Niendorfer Straße 99. Bei einigen wenigen steht noch nicht fest, wie es weitergeht. Dazu gehört auch Wehking, die gerne in einen freien Kleingarten eines anderen Vereins in der Nähe ziehen würde. Eine Frage, die sie sich allerdings stelle, sei nur, wie sicher Kleingartenanlagen heute noch sind. „Nachher stecke ich wieder viel Geld in den Garten und die Laube muss nach einigen Jahren wieder umziehen, weil die Fläche bebaut werden soll.“
Pietrzak hingegen möchte auf der Fläche an der Niendorfer Straße einen neuen Verein aufbauen. Laut dem „Landesbund der Gartenfreunde Hamburg e.V.“ wird dort ein Pilotprojekt errichtet: Kleinere Gärten, die weniger Pflege benötigen, und eine angrenzende Streuobstwiese, die alle Pächter gleichermaßen nutzen können. Vielleicht braucht es ab und zu mal etwas Mut, um etwas Neues auszuprobieren. Darüber sollte auch die Hamburger Politik mal nachdenken.