
Gut gepflegt und fest geklebt: Erfindungen aus Eimsbüttel
Von der Wunderkerze bis zum Pflaster: In Eimsbüttel haben kluge Köpfe manche innovative Idee ausgetüftelt, die heute weltweit verwendet werden.
Von Lilly PalmbachBei einer kleinen Wunde greift man zum Pflaster. An Silvester zündet man Wunderkerzen an. Gewöhnliche Handlungen für uns – heute. Aber leicht vergisst man, dass diese Gegenstände eine lange Entstehungsgeschichte haben.
In Eimsbüttel haben einige bedeutende Erfindungen ihren Ursprung. Sie haben die Drucktechnik, die Wundversorgung, die Klebetechnik und die medizinische Forschung revolutioniert.
Diamantwerkzeug
In der Osterstraße 58 steht heute das Haus der Zukunft. Vor 175 Jahren wurde dort das erste Diamantwerkzeugs hergestellt. Der Goldschmied Ernst Winter gründete die Firma Ernst Winter und Sohn und hatte 1847 die Idee, anstelle einer Stahlnadel einen Diamanten für die Lithographie zu verwenden. Das revolutionierte die Drucktechnik, denn mit der Diamantnadel konnte man plötzlich Schreibschriften in Metall und Stein ritzen.
Daraus entstand die Idee, das härteste natürliche Material, in der Industrie zu verwenden – für beständiges Werkzeug. Ernst Winter stellte zahlreiche Diamantwerkzeuge her, die international begehrt waren. Das Unternehmen entwickelte sich von einer Einmannwerkstatt zum weltweiten High-Tech-Unternehmen. Heute ist die Firma unter dem Namen Norton Winter bekannt und ein führender Lieferant für Diamantwerkzeuge.
Pflaster
Das Eimsbütteler Unternehmen Beiersdorf ist Begründer des Pflasters. Gemeinsam mit dem Dermatologen Paul Gerson Unna entwickelte der Apotheker und Beiersdorf-Gründer Paul Carl Beiersdorf ein in Salben getränktes Heilpflaster. Dadurch konnte der Wirkstoff dauerhaft auf der Haut gehalten werden. Im Jahr 1886 erhielten sie das Patent für die „Herstellung von gestrichenen Pflastern“. Es gilt als die Geburtsurkunde des Unternehmens.

Während des Ersten Weltkriegs hatte Beiersdorf dreißig verschiedene Sorten im Angebot. Als 1922 das erste Hansaplast auf den Markt kam, revolutionierte es die Wundversorgung erneut: Ohne Wirkstoff und zum Schutz kleinerer Verletzungen konnte sich nun jede und jeder ohne Arzt selbst behandeln.
Tesafilm
Der Tesafilm ist das Ergebnis eines missglückten Versuchs, Heftpflaster herzustellen. Beiersdorf und Unna hatten ein klebendes Pflaster entwickelt, das jedoch nicht hautverträglich war. So brachten sie 1896 ein technisches Klebeband zum Flicken von Fahrradreifen auf den Markt. Der Name Tesa entstand aus dem Namen der Sekretärin Elsa (-sa) Tesmer (Te-) und wurde zunächst auch für andere Produkte wie Zahnpasta verwendet.
Der Industriekaufmann Hugo Kirchberg verhalf dem Klebeband-Geschäft später zum Aufschwung: Im Jahr 1936 kam der erste Tesafilm auf den Markt, zeitgleich entwickelte Kirchberg den Tesa-Abroller.
Wunderkerzen
Ohne Franz Jacob Welter könnten wir zu festlichen Anlässen möglicherweise keine Wunderkerzen anzünden. Ihm gehörte die Vereinigte Wunderkerzen-Fabrik in der Eimsbütteler Straße. Im Jahr 1906 meldete er das Patent für “Verfahren zur Herstellung eines funkensprühenden Leuchtstabes” an. Geklärt ist allerdings nicht, seit wann es Wunderkerzen tatsächlich gibt.
Labello
Mit Labello entwickelte der damalige Beiersdorf-Inhaber Oscar Troplowitz 1909 nicht nur eine neuartige Formel für Lippenpflege, sondern auch eine innovative Verpackung. Dank einer praktischen Schiebedose aus Zinn musste Lippenbalsam nun nicht mehr mit den Fingern aufgetragen werden. Labello war ein großer Erfolg und wurde später mit einer Kunststoffverpackung und einem Drehmechanismus verbessert. Mittlerweile wird die Verpackungstechnik weltweit für Lippenpflege und Lippenstifte verwendet.

Zäpfchenrezeptur
Das Edelfettwerk ist für seine Partys bekannt. Doch wo heute gefeiert wird, entwickelte die Firma Edelfettwerke Werner Schlüter in den 50er Jahren eine neue Zäpfchenmasse. Weil die großen Chemiefabriken im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, fehlten pharmazeutische Produkte für die Bevölkerung. Der Kaufmann Werner Schlüter machte sich mit einem Chemiker selbstständig und gründete die Eidelstedter Firma. Sie experimentierten mit einer neuen Rezeptur für Zäpfchen, denn diese bestanden damals aus Kakaobutter und wurden schnell ranzig. Auch hatten sie einen zu niedrigen Schmelzpunkt. Werner Schlüter und sein Kollege entwickelten eine Zäpfchenmasse, die erst bei 37 Grad schmilzt und länger haltbar ist.

Nivea Creme
Der Chemiker Isaac Lifschütz extrahierte erstmals den Emulgator Eucerit. Als Beiersdorf-Chef Oscar Troplowitz darauf aufmerksam wurde, stellte er ihn ein. Im Jahr 1911 entwickelten sie die erste industriell gefertigte Fett- und Feuchtigkeitscreme. Das war die Geburtsstunde der Nivea Creme. Den Namen erhielt sie aufgrund ihres weißen Aussehens: Er leitet sich ab vom lateinischen Wort „nix, nivis“, was Schnee bedeutet.

Mikroreaktionsgefäß “Eppi”
Der gebürtige Eimsbütteler Hans Hinz trug maßgeblich zur medizinischen Forschung bei. Die beiden Gründer der Eppendorf AG, Hans Hinz und Heinrich Netheler, entwickelten das “Eppendorf Tube”: ein kleines Reaktionsgefäß mit Deckel, kurz „Eppi” genannt. Im Jahr 1963 erhielten sie das Patent dafür. Das Geschäft boomte: Innerhalb von drei Jahren haben sie eine Million Mikroreaktionsgefäße verkauft, fünf Jahre später schon über zehn Millionen. Heute verwenden Forschende in biomedizinischen Laboren weltweit Hunderte von Eppis täglich zur Entwicklung von Impfstoffen und neuen Medikamenten.
lokal. unabhängig. unbestechlich.
Eimsbüttel+

Mit Eimsbüttel+ hast du Zugriff auf alle Plus-Inhalte der Eimsbütteler Nachrichten. Zudem erhältst du exklusive Angebote, Deals und Rabatte von unseren Partnern.