Beiersdorf: Mit einer Mullbinde und Pflanzensaft fing alles an
Als Paul C. Beiersdorf 1882 ein neuartiges Pflaster zur Wundversorgung erfand, legte er den Grundstein des Unternehmens „Beiersdorf“. Wie aus einem Pflaster eine Weltmarke wurde.
Von Christiane TauerWer heute den Namen „Beiersdorf“ hört, denkt zunächst an kosmetische Produkte und das Flaggschiff Nivea. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sah das noch anders aus: Produkte der Wundversorgung machten den größten Teil des Umsatzes aus. Dafür sorgte nicht zuletzt der Erste Weltkrieg.
So standen im Jahre 1914 insgesamt 30 unterschiedliche Pflaster-Arten in der Preisliste des Eimsbütteler Unternehmens. Es waren Pflaster, mit denen sich Wundverbände fixieren ließen oder die integrierte Wirkstoffe besaßen. 1922, vor genau 100 Jahren, kam das heute bekannteste Pflaster mit dem Namen Hansaplast hinzu.
Man musste nicht mehr zwingend zum Arzt
Hansaplast war eine Kombination der zuvor entwickelten Pflaster-Typen: wirkstofffrei und zum Schutz kleinerer Verletzungen. Damit hob das Pflaster die Wundversorgung auf ein anderes Level. Ein Gang zum Arzt war nicht mehr zwingend nötig, jede und jeder konnte sich nun selbstständig medizinisch versorgen.
Der Weg zu dieser neuartigen Entwicklung war lang, ist eng mit der Firmengründung verbunden und nahm mit der „Guttapercha-Pflastermulle“ seinen Anfang. Guttapercha ist ein gummiartiger, kautschukähnlicher Stoff aus dem eingetrockneten Milchsaft spezieller immergrüner Gewächse.
Ein Neuanfang für den Apotheker Beiersdorf
Paul C. Beiersdorf, ein bis dahin unbekannter Apotheker aus der Mühlenstraße unweit des Michels, entwickelte 1882 die damals revolutionäre Art der Wundversorgung. Erst zwei Jahre zuvor war der gebürtige Neuruppiner nach Hamburg gekommen.
Hier wollte der damals 44-Jährige mit seiner Familie neu anfangen. Zuvor hatte er bereits mehrere Apotheken geführt und war Leiter einer Galvanisieranstalt in Moskau sowie Mitinhaber einer Apparatebaufirma in Berlin gewesen.
Verbände verrutschten oder Arzneien wirkten nicht
Über seine Arbeit traf Beiersdorf auf den Dermatologen Paul Gerson Unna. Unna suchte damals nach neuen Wegen zur Behandlung von Hautkrankheiten, denn die bisherigen Methoden erschienen ihm nicht geeignet.
Entweder verrutschten die angebrachten Verbände ständig oder die Arzneimittel verloren ihre Wirkung. Die Pflaster, auf die sie aufgetragen wurden, klebten nämlich nur im erwärmten Zustand. Die Erwärmung minderte aber zugleich die Wirksamkeit – ein Dilemma.
„Beiersdorf“: Der Guttaperchasaft brachte die Lösung
Beiersdorf wollte das ändern, forschte und probierte, bis er schließlich auf den Guttaperchasaft stieß. Er bestrich eine Mullbinde mit dem Saft und stellte folgende Wirkung fest: Das wasserundurchlässige Guttapercha erzielte eine Tiefenwirkung, die eine herkömmliche Behandlung übertraf. Noch dazu passte sich das Guttapercha der Oberfläche der Haut an.
In seinem Laboratorium entwickelte Beiersdorf mehr als 50 mit Medikamenten versetzte Pflastermulle und sicherte das Verfahren patentrechtlich ab. Die vom Kaiserlichen Patentamt in Berlin am 28. März 1882 ausgestellte Urkunde „Patent zur Herstellung von gestrichenen Pflastern“ mit der Nummer 20057 gilt als Grundstein der Firma Beiersdorf.
Beiersdorf selbst sollte allerdings nur begrenzt von seiner Erfindung profitieren. Zunächst zog er noch in die Wohlers Allee um, seine Apotheke nahe des Michels gab er 1883 auf. Er konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit im „Laboratorium dermatotherapeutischer Präparate“. Paul Gerson Unna und seine in Fachzeitschriften veröffentlichten Artikel unterstützten maßgeblich seinen geschäftlichen Erfolg.
Immer mehr Bestellungen aus dem In- und Ausland gingen bei ihm ein, Ende der 1880er-Jahre beschäftigte er bereits elf Angestellte. Die Räume in der Wohlers Allee wurden zu klein. Beiersdorf plante 1890 erneut einen Umzug, diesmal in die Oelkersallee.
Oscar Troplowitz kaufte für 70.000 Mark das Geschäft
Die Firma zog um, aber Beiersdorf nicht mit. Ein privater Schicksalsschlag veranlasste ihn, sein Unternehmen zu verkaufen: Sein Sohn hatte sich aufgrund schulischer Probleme das Leben genommen, Beiersdorf verfiel in eine tiefe Depression.
Der aus Schlesien stammende Apotheker Dr. Oscar Troplowitz, gerade 27 Jahre jung, kaufte das Unternehmen. Für 70.000 Mark – inklusive Pflaster-Patent. Troplowitz entschied, den Namen „Beiersdorf“ beizubehalten. Wegen des Erfolgs der damit verbundenen Erfindung und der einfacheren Aussprache des Namens.
1892 stand der Umzug nach Eimsbüttel an
Troplowitz hob das Unternehmen auf eine neue Stufe. Er professionalisierte die Abläufe und weitete die Produktion aus. Am Standort Oelkersallee blieb er nur zwei Jahre. 1892 bezog er ein größeres Fabrikgebäude im damals an der Hamburger Stadtgrenze gelegenen, noch ländlichen Eimsbüttel – bis heute der Sitz des Unternehmens.
Hier entwickelte Beiersdorf immer weitere Marken und wuchs zu einem Weltkonzern heran. Den Pflastern blieb das Unternehmen aber weiterhin treu. Mehr als 200 unterschiedliche Lösungen und Produkte, ob für Füße, Wärme, Sport oder Wundversorgung, sind heute im Sortiment.