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Homayoon Pardis bietet im Kulturhaus Eidelstedt eine interkulturelle Sprechstunde an. Foto: Julia Haas
Homayoon Pardis bietet im Kulturhaus Eidelstedt eine interkulturelle Sprechstunde an. Foto: Julia Haas
Kulturhaus Eidelstedt

Homayoon Pardis: Wie funktioniert Integration? 

Mit seiner Familie ist Homayoon Pardis aus Afghanistan geflüchtet. Im Kulturhaus Eidelstedt fand er seine erste Arbeitsstelle – dank eines Ehrenamts.

Von Julia Haas

Wer von null anfängt, braucht Töpfe und Teller. So erklärte es Homayoon Pardis seiner Tochter damals, als er die Küchenutensilien in den Einkaufswagen legte – für ihre erste eigene Wohnung nach vielen Nächten in fremden Hallen. 

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Was heißt das, fragte sie. 

Jetzt sitzt Pardis im Kulturhaus Eidelstedt und lässt seinen Blick über den Wochenmarkt schweifen. Er räuspert sich, um seine Stimme wiederzufinden. “Das habe ich mich auch gefragt: Wie fängt man von vorne an?” 

Vor acht Jahren ist Pardis mit seiner Frau und Tochter aus Afghanistan geflohen. Sie haben ihr Leben aufgegeben, um zu leben. Heute arbeitet er im Kulturhaus Eidelstedt und unterstützt Geflüchtete dabei, teilzuhaben. An der Stadt, an der Gesellschaft, am Leben. Pardis weiß, dass es nicht einfach ist, aber dass es Türen öffnet. 

“Wir wussten nicht, was uns erwartet”

In Afghanistan arbeitete er für eine internationale Organisation am Projekt „Frieden und Stabilität“. Dann verlor er genau das. Als der Sohn eines Kollegen entführt wurde und Pardis einen Warnbrief der Taliban erhielt, sah der Familienvater keinen anderen Weg, als zu gehen, um sich und seine Familie zu schützen. 

Ein paar Monate wollten sie in der Türkei bleiben, dann öffnete Europa die Türen – für Pardis war das die Entscheidung, weiterzugehen und neu anzufangen. In einem viel zu kleinen Schlauchboot gelangten die drei nach Europa.

Als sie in Hamburg ankamen, hingen die Wolken tief über der Stadt. Tropfen prasselten auf die Straßen, erste Winterjacken mischten sich unter die Regenmäntel. Nicht einfach, sagt Pardis, wenn du 32 Jahre in der Sonne gelebt hast. Dennoch umarmte er seine Frau und versicherte ihr: Wir haben es geschafft. Die Probleme sind vorbei. 

Pardis unterbricht. Er wirkt, als würde er die Gegenwart für einen Moment pausieren und die Vergangenheit noch einmal durchleben. Dann fährt er fort: “Es stimmte, aber wir wussten nicht, was uns erwartet.” 

Die Lösung ist ein schwieriges Wort

Ein Neuanfang in einem fremden Land bedeutet, sich Sorgen zu machen – und nicht zu wissen, worüber. Wörter, die er zuvor nie gehört hat, schwirrten durch Pardis Kopf: Asylantrag, Anerkennung, Wohnung. Und immer die Frage: Wie lange dauert das? 

Zwei Monate verbrachte die Familie in einer Geflüchtetenunterkunft in Eidelstedt. Wenn Pardis davon erzählt, klingt es weit weg, wie im Traum. Zu großen Teilen verschwommen, immer ein bisschen ferngesteuert. Ihre Unterkunft verlassen, Eidelstedt erkundet, hätten sie in dieser Zeit nicht. Vielleicht war es die Angst, herauszugehen und sich zu verlieren, die sie davon abhielt. 

Was Pardis von Anfang an wollte: arbeiten. Doch seine Bewerbungen blieben unbeantwortet. Dann fand er im Internet die Lösung mit sieben Silben. Er betont jede einzelne: „Bundesfreiwilligendienst“.

Mit Ehrenamt zur Integration 

In der Zentralen Bücherhalle Hamburg begann er kurz darauf, ehrenamtlich Bücher in der persischen Abteilung zu katalogisieren. 20 Stunden pro Woche. Pardis wollte mehr. Bei seinem Arbeitgeber fragte er nach weiteren Aufgaben. So hartnäckig, dass er eine zweite Stelle bekam – im Kulturhaus Eidelstedt. 

Rückblickend bezeichnet er die Einblicke in die deutsche Arbeitskultur als Empowerment. Zu wissen, dass es wichtig ist, pünktlich am Arbeitsplatz zu sein und einen Termin abzusagen, wenn er nicht eingehalten werden kann. Gleichzeitig wird der Bundesfreiwilligendienst zum Schlüssel für seine erste bezahlte Stelle im Kulturhaus Eidelstedt. 

“Ich habe viel gekämpft, einen Job zu finden, am Ende war es das Ehrenamt, das alles ermöglichte.” 

Durch das Ehrenamt habe Pardis die Sprache besser gelernt, Freunde, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung gefunden. Heute vermittelt er bei der Mitmacher-Organisation andere Geflüchtete in Ehrenämter. Er ist sich sicher: Integration funktioniert durch Teilhabe. Andere Geflüchtete will er ermutigen, nicht nur in der eigenen Community zu bleiben, sondern am Leben in Deutschland teilzunehmen. 

Über Afghanistan, die Flucht und das neue Leben hat Homayoon Pardis ein Buch geschrieben. In erster Linie für seine Töchter. Sie sollen es in 20 Jahren lesen, um zu verstehen, warum sie in Deutschland sind und wie man zwei Heimaten haben kann. 


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