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Foto: Nils Müller
"Eimsbüttel – das klingt so lustig, plattdütsch, folklore-mäßig." Im Interview erzählt Jan Delay wie aus Eimsbüttel "Eimsbush" wurde. Foto: Nils Müller
Jan Delay im Interview

Ein Eimsbusher, bitte

Als in den Neunzigern deutscher Hip-Hop groß wird, ist Eimsbüttel mittendrin. Mit seinem Label „Eimsbush” macht Jan Delay das Viertel weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wie eine Hamburger Crew die Sprache ins Rollen und Deutsch-Rap nach Eimsbüttel brachte.

Von Vanessa Leitschuh

Eimsbütteler Nachrichten: Hast du schon mal Eimsbuscher gegessen?

Jan Delay: Das sind diese Brötchen, oder? Also ich kenne Leute, die die gegessen haben, aber ich hab sie noch nicht probiert. Muss ich mal machen. Es gab glaube ich auch mal einen Getränkelieferanten, der Eimsbush hieß.

Wie kamt ihr auf den Namen Eimsbush?

Wir haben damals schon auf Deutsch gerappt und hatten einen Freundeskreis mit Leuten aus allen möglichen Stadtteilen. Viele sind nach Eimsbüttel gezogen. Ich auch, ich kam aus Eppendorf. Also haben wir angefangen, coolere Namen zu suchen. Es ging damals sowieso darum, die deutsche Sprache zum Rollen zu bringen. Weil auf Deutsch alles scheiße klang.

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Und naja… Eppendorf – du willst ja nicht erzählen, wo du herkommst, wenn da Dorf im Namen ist. Oder Eimsbüttel – das klingt alles so lustig, plattdütsch, folklore-mäßig. So kamen wir auf Eppenhood, Winterhood, Loktown. Aber was macht man aus Eimsbüttel? Wir haben damals viel Biggie Smalls gehört, also The Notorious B.I.G. Das war unser Gott, und der kam aus Flatbush, Brooklyn. Irgendwie wurde so aus Flatbush Eimsbush. Wir hatten für mehrere Stadtteile solche Begriffe, aber Eimsbush hat sich einfach gehalten. Da hat sich alles zentriert, da haben wir alle gewohnt und hat sich das Tape-Label gegründet.

„Herzlich Willkommen zu einer Welt voll sphärischer Klänge, Eimsbush”

Dynamite Deluxe – Für Alle (1997)

Es ist 1997. Ein Eimsbütteler Innenhof Beim Schlump 27, eine WG, Souterrain, wenig Licht – hier liegt das Eimsbush-Basement. Drei junge Musiker aus Hamburg nehmen als Dynamite Deluxe die letzten vier Tracks eines Tapes auf: Samy Sorge als Samy Deluxe, Kaspar Wiens als Tropf und Jochen Niemann als DJ Dynamite. Mit dabei: ihr Manager Jan Eißfeldt, f.k.a. Eizi Eiz oder Jan Delay.

Als das Demo fertig ist, schickt Eißfeldt es an die Plattenfirmen. Keine will es haben. Dann eben selbst machen: Inspiriert vom New Yorker Mixtape-Business gründet er ein eigenes Label. „Eimsbush Entertainment” ist geboren. Sie bringen das „Dynamite Deluxe Demo” auf Kassette raus, verkaufen es bei Konzerten von der Bühne und aus Koffern an der U-Bahn. Die ersten 50 Stück reißen die Leute ihnen aus den Händen. Nachproduzieren, nochmal 50, auch die sofort weg. Am Ende haben sie um die 20.000 Tapes verkauft.

Foto: Nils Müller
Foto: Nils Müller

Zeitgleich arbeiten die Beginner an ihrem Album Bambule. Mit dreizehn haben Jan Eißfeldt, Dennis Lisk und Martin Wilkes die Band Absolute Beginner gegründet. Martin verließ die Band, Guido Weiß kam als DJ Mad dazu. Bambule wird 1998 das erste große Album der Band.

Wann war dann der Ursprung von Eimsbush?

Der war zu der Zeit, als es das Basement schon gab und ich die Tapes gemacht habe. Ich habe da noch mit Mr. Schnabel in der Emilienstraße gewohnt. Ich glaube, Emilienstraße 5 oder 7, gegenüber von diesem riesigen Puff. Ich weiß nicht, ob es den noch gibt [Anm. d. Red. Wissen wir auch nicht…].
Ich bin von zu Hause ausgezogen und da rein. Hatte aber nur ein ganz kleines Zimmer, acht Quadratmeter, und da stand nicht nur mein Rechner und der Eimsbush-Kram drin, sondern auch unser ganzes Equipment und alle meine Platten. Und ich hab dort gewohnt und geschlafen. In dem Zimmer habe ich auch die ganzen Beats für Bambule gemacht.

Aber vorher hast du kurz studiert.

Ich hatte mich mit DJ Dynamite von Dynamite Deluxe für VWL eingeschrieben, dafür gab’s keinen NC. Aber am zweiten Tag haben wir uns angeguckt, sind stumm aufgestanden und gegangen. An den zwei Tagen hatten wir gefühlt sechs Stunden Mathe. Es ging genau da los, wo es beim Abi aufgehört hatte, und ich dachte nur: Oh Gott, wo bin ich hier gelandet? Mathe hab ich immer gehasst. Wir sind dann zum Musikwissenschaften-Institut an der Moorweide, was ganz cool war. Ein Semester haben wir das durchgezogen. Ich hab sogar zwei Scheine gemacht, danach war Schluss. Dann kam Bambule und ich hatte keine Zeit mehr für solche Sperenzchen.

„Keine Ausbildung, wir setzten auf Rap. Bauten unserer Generation ’n fetten Soundtrack”

Beginner – „Es war einmal” (2016)

Nach zwei Jahren in der Emilienstraße ist auch hier Schluss. Die Wohnung zu eng, die Nachbarn zu nervig – „die schlimmsten, die man sich vorstellen kann”. Zusammen mit Mirko Bogojević, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Das Bo, sucht Eißfeldt nach einer größeren Bleibe, in der sie Musik machen können. In der Annonce-Zeitung Avis schauen sie sich eine Wohnung nach der anderen an – nie wird etwas daraus. Bis auf dem Hinterhof Beim Schlump 27 zufällig eine Wohnung frei wird. Es ist der Hof, in dem sie sowieso die meiste Zeit abhängen und Musik machen, in dem das Eimsbush-Basement liegt.

Lustigerweise wurde zwei Häuser weiter ein frisch saniertes Basement frei. Das Original-Eimsbush-Basement war runtergekommen und abgefuckt, aber das frisch renoviert – für unsere Verhältnisse voll wellness-mäßig. Wenn ich jetzt daran denke, war es super billo saniert, die Küche 70er-Jahre. Aber damals war das für uns: Wow, ‘ne echte Küche mit 70er-Jahre Kacheln. Also sind wir eingezogen. Unten haben wir gewohnt und unsere Studios reingemacht. Über eine Wendeltreppe kam man hoch ins Erdgeschoss, das wurde das Eimsbush-Büro.

„Hamburg-City ist die Stadt, Eimsbush ist das Viertel”

Mr. Schnabel & Samy Deluxe – „Eimsbush Style” (1999)

… der Innenhof am Schlump die Brutstätte. Hier bringen sie alle Einflüsse zusammen. Unterstützen sich gegenseitig. Die Hilfe der Bands untereinander ist es, was die Hamburger Hip-Hop-Szene ausmacht. „In keiner Generation danach haben nochmal so viele Leute auf einmal so eine ähnliche Musik gemacht.” Zu dem Zeitpunkt ist Eimsbush über die Stadtgrenzen hinaus salonfähig. Auf einmal kennt ganz Hip-Hop-Deutschland Eimsbüttel.

Die neue Wohnung von Eißfeldt und Bo wird zum Eimsbush-Blazement.

Wie kam es, dass in dem Hinterhof so viele Musiker lebten?

Der Vermieter, Herr Hintz, war ein Alt-68er, hatte eine reiche Familie und viele Häuser. Der fand das super, dass so viele Musiker und Künstler dort wohnen. Er hat sich um nichts gekümmert und auch keine Miete eingeholt. Die im Basement haben die ganze Zeit umsonst da gewohnt. Bei uns hat auch nie jemand danach gefragt. Irgendwann kam aber so ein windiger Typ, der hat geklingelt und hielt uns seine Visitenkarte unter die Nase – auf der lustigerweise auch Graffiti-Entferner drauf stand. Der fragte nach der Miete. Bo und ich haben dann Herrn Hintz 10.000 oder 15.000 Mark nachträglich gebracht.

Warum seid ihr ausgezogen?

Weil das einfach Löcher waren, ehrlich gesagt. Also das Basement war ein totales Loch. Das Blazement war ein halbes Loch, und nachdem wir da gewohnt haben, war es auch ein totales Loch. Ich bin dann in dem Hof hochgezogen, in eine Wohnung, die ein bisschen besser war. Aber eigentlich waren alle Wohnungen ziemlich runtergekommen. Sobald ich konnte, bin ich da weg. Und die anderen eigentlich auch.

Foto: Thomas Leidig

Das war eine tolle Zeit und super wichtig. Und wenn du von zu Hause ausziehst, hast du keine großen Ansprüche. Du freust dich, dass niemand nervt und du von morgens bis abends Mucke machen kannst. Aber wenn man die ganze Zeit auf Tour ist und anfängt richtig zu arbeiten, will man einfach mal nach Hause kommen und nicht in so ein stinkendes Drecksloch zurückkehren. Ich glaube, der Wunsch kam bei allen, weil alle viel auf Tour waren und Bock auf was Solides hatten.

Wenn du einen Tag aus der Eimsbush-Zeit nochmal erleben könntest, welcher wäre das?

Auf jeden Fall ein Tag aus dem Sommer ‘99, der war einfach legendär. Der ganze Druck war weg und es gab nur noch die Ernte: Übers Feld laufen und tanzend die dicken, geilen Früchte abpflücken.

Der Struggle und Scheiß – das war alles vorher und nervenaufreibend. Aber dann war Bambule ein Dreivierteljahr draußen, und wir hatten uns unsere Freiheiten erspielt. Wir hatten mit unserer Musik so einen Erfolg, dass wir endlich machen konnten, wie wir wollten. Wir waren auf Festivals, das erste Mal den ganzen Sommer und es war einfach schön. Und in Hamburg – wenn wir denn mal in Hamburg waren – hab ich mit Bo abgehangen, und wir haben geile Sachen unternommen. In dem Sommer hab ich zum ersten Mal seit Jahren nicht jeden Tag Beats gebaut, sondern einfach ein bisschen gelebt und das Ganze genossen. Deswegen muss es irgendein Tag aus dem Sommer ‘99 sein.

Was meinst du mit dem Struggle davor?

Auf diversen Ebenen. Einfach der Struggle: Wie geht’s weiter? Viele von unseren Kumpels und Weggefährten haben zu der Zeit Psychosen bekommen, weil sie Drogen genommen haben und nicht klar kamen mit der Verantwortung, die jetzt auf sie zukommt. Wir standen ja alle vor einem neuen Leben.

Martin ist aus der Band gegangen. Wir haben einen Major-Deal unterschrieben. Es war schwierig, darauf zu achten, dass wir uns treu bleiben. Dass wir unser Ding machen und uns nicht einnehmen lassen. Das waren zwei Welten, die Indie-Welt und die Major-Welt. Wir wussten ja nicht, dass alles so hinhaut. Dann kam die Platte raus und von überall kamen Sellout-Vorwürfe, weil es erfolgreich war. Wir mussten uns von Leuten aus der Szene anhören: Das ist kein Hip-Hop, ihr macht einen Sellout. Vorher war alles sehr anstrengend. Im Rückblick. Aber im Sommer ‘99 war dann alles entspannt.

„Sky’s the limit – Pah! Und was ist mit der NASA?“

Beginner – Füchse (1998)

Es war DER Sommer für den deutschen Hip-Hop. Zum ersten Mal pilgern tausende Leute zum Splash-Festival nach Chemnitz, um zusammen Hip-Hop zu feiern. Major-Label interessieren sich für das Genre, und etliche Deutsch-Rap-Alben landen in den Charts, darunter Bambule von den Absoluten Beginnern.

Die Beginner unterschreiben den Major-Deal mit Universal. Aber gleichzeitig Superstar und Manager sein – das geht nur schwer zusammen. Das Indie-Label Eimsbush besteht noch bis 2003, dann meldet es Insolvenz an. Man hätte Hierarchien einführen und sich jemand „mal mit dem funky Thema Buchhaltung“ befassen müssen. „Vielleicht wären wir noch da, ohne DSL, Brenner, Euro und Depression, doch die Summe all dieser Teile lautet: Genickschuss”, schreibt das Team Eimsbush damals auf der Webseite des Labels. Bis dahin haben Eißfeldt und die Label-Künstler dem Viertel aber längst ihren Kulturstempel aufgedrückt und die Hansestadt auf die Hip-Hop-Landkarte gebracht.

Fühlst du dich noch mit Eimsbüttel verbunden?

Ich fühl’ mich mit Hamburg verbunden. Da ist es eigentlich egal, wo ich bin. Aber mein Herz schlägt höher, wenn ich in Eppendorf bin. Keine Ahnung, warum. In Eimsbüttel habe ich genauso viel Zeit verbracht wie in Eppendorf. Aber ein Heimatgefühl habe ich in der Haynstraße. Obwohl meine Schullaufbahn komplett in Eimsbüttel war. Wenn ich also am Kaifu und so rumlaufe, schlägt mein Herz auch ein bisschen höher.


Als Urväter des Deutsch-Rap gilt die Heidelberger Band Advanced Chemistry und deren Rapper Torch. Jan Eißfeldt ist mit einem Cousin von Torch befreundet. Mit ihm gründet er Ende der Achtziger das Hip-Hop-Fanzine Hype. „So habe ich in jungen Jahren überhaupt Zugang zur deutschen Hip-Hop-Szene bekommen und mitgekriegt, dass Leute auf Deutsch rappen.” Mit 13 Jahren gründet er mit Freunden die Band Absolute Beginner. „Bambule” wird ihr erstes großes Album. Mit „Blast Action Heroes” landen sie 2003 als erste deutsche Rapper auf Platz eins der Albumcharts.

Seit 2004 ist Eißfeldt als Jan Delay auch solo unterwegs – längst nicht mehr nur im Hip-Hop-Kosmos: Reggae, Soul, Rock und Funk finden sich auf seinen Platten. Im Mai kam die neue Single „Alles gut” raus. Sie ist Teil des neu aufgelegten Albums „Earth, Wind & Feiern – Live aus dem Hamburger Hafen“. Im Juni startete die Tour zum Album.

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