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Die ­Zwillinge Kaissa und Morten Ottenberg schwimmen gemeinsam in einer integrativen Schwimmstaffel. Foto: Rainer Wiemers
Die ­Zwillinge Kaissa und Morten Ottenberg schwimmen gemeinsam in einer integrativen Schwimmstaffel. Foto: Rainer Wiemers
Fit in den Frühling

Kaissa schwimmt

Ein Leben ohne Sport ist für ­Kaissa Ottenberg nicht vorstellbar. Gemeinsam mit ihrem Bruder, der das Downsyndrom hat, ist sie in die Welt des Schwimmens eingetaucht.

Von Christiane Tauer

Wenn Mortens Hand anschlägt, springt Kaissa los. Das Wasser spritzt, sie taucht ein, ihr Körper gleitet unter Wasser. Mit Schwung durchbricht ihr Kopf die Wasseroberfläche.

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Kaissa atmet ein, streckt die Arme nach vorne, schiebt das Wasser zur Seite und wiederholt die Bewegungen, bis sie das Ende des Beckens erreicht. Sie durchpflügt das Wasser ohne Hektik. Ihr Körper weiß genau, was er tun muss – wie ein Uhrwerk, das einfach tickt.

Inkusives Schwimmen

Kaissa Ottenberg schwimmt, seit sie fünf Jahre alt ist. Mit ihrem Zwillingsbruder Morten, der das Downsyndrom hat, ist sie in die Welt des Schwimmens gestartet. Sie haben gemeinsam das Seepferdchen gemacht und sind in Schwimmgruppen gegangen. Heute ist Kaissa Leiterin der Schwimmschule Turmweg des Eimsbütteler Turnverbands (ETV) – mit nur 21 Jahren.

Kaissa hat mit fünf Jahren schwimmen gelernt. Foto: Rainer Wiemers
Kaissa hat mit fünf Jahren schwimmen gelernt. Foto: Rainer Wiemers

Seit zwei Jahren leiten sie und ihr Vater zudem die inklusiven Schwimmgruppen, in denen auch Morten mitschwimmt. Gerade bereiten sie sich auf die Teilnahme an den „Special Olympic World Games” in Berlin im Sommer vor. Das sind die Weltspiele für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.

Das Miteinander steht an erster Stelle

Seit Kaissas Kindheit gehört der Sport, vor allem das Schwimmen, zu ihrem Leben. Die Eimsbüttelerin hat Kindersportgruppen geleitet, ein Freiwilliges Soziales Jahr beim ETV absolviert und studiert heute BWL mit Schwerpunkt Sportmanagement – als duale Studentin beim ETV.

Beim Sport geht es Kaissa nicht um Medaillen, erste Plätze und das Bezwingen des Gegners. „Für mich steht das Miteinander an erster Stelle.” Das Gefühl, Teil einer Mannschaft zu sein, die gemeinsam etwas bewegt.

Vor allem bei der integrativen Schwimm-Staffel ist das der Fall, in der sie im vergangenen Jahr zusammen mit Morten bei Wettkämpfen angetreten ist. „Man muss immer für die anderen mitdenken”, sagt sie. Alleine funktioniert es nicht, nur gemeinsam. Ohne zu bewerten, wer der andere ist.

„Mein Bruder ist halt mein Bruder”

In ihrer Inklusions-Schwimmgruppe unterscheidet Kaissa nicht zwischen Menschen mit oder ohne Behinderung. Von manchen weiß sie nicht, was sie haben. Für sie sind es junge Erwachsene von 17 oder 18 Jahren, die sie trainiert. Nur bei einigen muss sie wissen, welche Behinderung vorliegt, um im Notfall mit Medikamenten zu helfen.

Kaissas Blick auf Inklusion spiegelt sich auch im Verhältnis zu ihrem Bruder wider. „Mein Bruder ist halt mein Bruder. Nicht, weil er das Downsyndrom hat, sondern weil er einfach mein Bruder ist.” Sie überlegt, wie sie es ausdrücken soll. Manchmal ist es schwerer, die Normalität zu beschreiben als das Ungewöhnliche. Kaissa hat sich nie für Morten verantwortlich gefühlt oder auf einer höheren Stufe gesehen, weil sie ihn nie als besonders hilfsbedürftig wahr­genommen hat. „Er war immer sehr eigenständig”, sagt sie. Und dabei einfach anders.

Nicht alles lief gut

Sie wohnen bei ihren Eltern in der Nähe vom Schlump. Sie haben beide die Grundschule Kielortallee besucht und sind erst danach auf verschiedene Schulen gegangen. Kaissa aufs Helene-Lange-Gymnasium und Morten auf die Ida-Ehre-Schule.

Dort lief nicht immer alles gut. Morten wurde von einigen Schülern gemobbt. Sie selbst habe damals wenig davon mitbekommen. Ihre Eltern versuchten, das Thema von ihr fernzuhalten. Mit dem Wechsel auf den Campus Uhlenhorst, eine Einrichtung für Jugendliche mit geistigem Entwicklungsbedarf, wurde die Situation für Morten besser.

Eine Leidenschaft mit Lücke

Vielleicht auch deswegen, unberührt von der Außenwelt, beschreibt Kaissa die Beziehung zu Morten wie die von vie­len Geschwistern: Es gibt Gemeinsamkeiten – wie den Spaß am Schwimmen –, aber auch Unterschiede. Morten ­arbeitet zum Beispiel als Restaurant-Koch im inklusiven Projekt „Haus 5” auf St. Pauli und hat seinen eigenen Freundes­kreis. Vor allem aber halten die beiden zusammen – als Team: „Wenn wir uns mal streiten, ist es nie so, dass wir wochenlang nicht miteinander sprechen.”

Was das Schwimmen angeht, ist Morten anders als Kaissa dem Sport durchgängig treu geblieben. Sie hatte als ­Jugendliche eine Phase, in der sie absolut keine Lust mehr auf Schwimm-Wettkämpfe hatte. Softball wurde ihre Leiden­schaft. Sie spielte in der Verbandsliga, dann sogar in der Nationalmannschaft.

Durch ihr FSJ beim ETV kam die Lust am Schwimmen zurück. Als Petra Böösch, die Leiterin der Schwimmschule Turmweg, 2021 überraschend verstarb, übernahm Kaissa nicht nur die Leitung der Schwimmschule, sondern auch eine Gruppe des Inklusionsschwimmens. Die Gruppen hatte Böösch zuvor zusammen mit Kaissas Vater geleitet. Über Morten, der dort schon als Junge schwamm, war der Kontakt entstanden.

Fast wie Meditation

„Ich habe mehr Freunde durch den Sport gewonnen als durch die Schule”, sagt sie. Ein Leben ohne Sport und Schwimmen – unvorstellbar. „Mir würde die Gemeinschaft total fehlen.” Nach ihrem Bachelor-Abschluss in diesem Jahr möchte sie beim ETV weitermachen und noch mehr Menschen für die integrativen Schwimmgruppen gewinnen.

Die Faszination des Schwimmens macht für sie aber mehr aus als nur die Gemeinschaft im Verein. Es sind die Momente und Gefühle im Wasser. Wenn beim Tauchen alles um sie herum still wird. Oder das Gluckern der Luftblasen, die beim Ausatmen nach oben steigen. Das Zählen der Schwimmzüge ist für Kaissa wie Meditation. Und dann das Gefühl nach dem Schwimmen. Wenn sie nach draußen geht und ihren Körper spürt, als hätte sie gerade einen neuen bekommen.


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