Mobil im Alter: Geht das auch Grün?
Um Städte klimafreundlich zu gestalten, müssen ihre Bürger vom eigenen Auto auf nachhaltigere Transportmittel umsteigen. Doch für die Generation 60+ ist das heute oft noch wenig attraktiv. Wie gestaltet man eine altersgerechte und doch umweltfreundliche Mobilität? Ein Interview mit Thorsten Rösch, Mitarbeiter im Projekt „GreenSAM” der Europäischen Union und Abschnittsleiter im Eimsbütteler Fachamt Management des öffentlichen Raums.
Von Catharina RudschiesEimsbütteler Nachrichten: Im Jahr 2025 soll in Hamburg schon rund ein Viertel der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Das stellt die Stadt vorHerausforderungen, was altersgerechte und umweltfreundliche Mobilität angeht. Wie bewegen sich ältere Menschen in Eimsbüttel aktuell fort?
Thorsten Rösch: Hamburgweit lässt sich feststellen, dass die Nutzung des Autos bis zur Altersgruppe bis 59 Jahre deutlich zunimmt. Gleichzeitig nutzen Menschen immer weniger den ÖPNV oder das Fahrrad, je älter sie werden. Erst in hohem Alter mit über 80 Jahren nimmt die Autonutzung in erheblichem Maße ab. Dann greift die ältere Generation wieder häufiger auf den öffentlichen Nahverkehr zurück. Unsere eigene Befragung von circa 150 Seniorinnen und Senioren in ganz Eimsbüttel hat gezeigt, dass für die Hälfte der Befragten das Auto weiterhin ein relevantes Verkehrsmittel ist, auch wenn sie es eher gelegentlich nutzen. Der ÖPNV und das Zu-Fuß-Gehen sind für die Befragten von hoher Bedeutung, und teilweise auch das
Fahrradfahren.
Mit dem EU-Projekt GreenSAM wollen Sie nachhaltigere Alternativen zum Auto für die ältere Generation attraktiv machen. Welche Alternativen sind das?
Zu umweltfreundlicher Mobilität gehört in erster Linie der öffentliche Nahverkehr, also Bus, U-Bahn, S-Bahn. Den müssen wir attraktiv gestalten. Unter anderem so, dass das Umsteigen auch im Alter bewältigt werden kann. Des Weiteren wollen wir innerhalb der älteren Bevölkerung das Fahrradfahren und den Fußverkehr stärken, aber auch neue nachhaltige Mobilitätsformen steigern. Dazu zählen wir hier in Hamburg beispielsweise das Carsharing, Bikesharing oder Shuttle on Demand. Diese Sharing-Angebote sind den Älteren zwar bekannt, werden in der Regel aber noch nicht genutzt.
Was hindert sie daran, Sharing-Angebote zu nutzen?
Ich denke, dass viele ältere Menschen dem Thema gegenüber schon aufgeschlossen sind. Was sie hindert, hat eher mit dem Zugang zu tun. Ältere fragen sich: Wie buche ich solche neuen Mobilitätsangebote? Und wie wird das Ganze abgerechnet? Vielfach wird aber auch noch gesagt: Ich habe ja ein Auto oder Fahrrad. Wenn Ältere unterwegs sind, nutzen sie in der Regel ihre eigenen Fahrzeuge.
Sharing-Angebote werden über Apps gebucht. Inwiefern ist auch das eine Barriere für ältere Menschen?
Das ist schon ein Thema für Ältere. Teilweise wird die Barriere aber schon dadurch aufgebrochen, dass Kinder oder Enkelkinder die Angebote für Ältere buchen. Einige unserer Projektpartner versuchen aktuell, die Barrieren zum Beispiel über Mentoring-Programme zu durchbrechen. Da geht es darum, dem Personenkreis genau zu zeigen, wie diese Angebote genutzt werden können.
Welche Probleme sehen ältere Menschen noch, auf nachhaltigere Verkehrsmittel umzusteigen?
Ein Beispiel ist, dass die Situation an Haltestellen für ältere Menschen teilweise etwas unübersichtlich ist. Als Fachamt Management des öffentlichen Raums haben wir die Gestaltung des öffentlichen Raums um die Haltestellen herum im Fokus und wollen sie dahingehend verbessern. Wie kann man die Haltestellen denn altersgerechter gestalten? Das ist etwas, das wir in dem Projekt erst herausfinden wollen. Insbesondere wie man fördern kann, dass Ältere von der U-Bahn oder dem Bus auf die Carsharing-, Bikesharing-Angebote oder das eigene Fahrrad umsteigen. Was wir heute schon tun, ist, dass wir und die Hochbahn die Haltestellen barrierefrei ausbauen. Beispielsweise dadurch, dass Fahrstühle ergänzt oder taktile Leitsysteme eingebaut werden. Die Frage ist: Bedeutet barrierefrei auch immer gerecht für eine ältere Generation? Da gibt es even-
tuell noch andere Aspekte, die wir momentan nicht im Fokus haben.
In dem GreenSAM-Projekt wollen Sie die ältere Generation an dem Gestaltungsprozess beteiligen. Wie sieht das aus?
Wir in Eimsbüttel haben zunächst an den verschiedenen Umsteigepunkten Gespräche geführt. In Workshops werden die Ergebnisse vorgestellt und um Ideen von den Workshop-Teilnehmern ergänzt. Die Teilnehmer sollen sich Gedanken machen: Wie würde ein optimaler Umsteigepunkt für sie aussehen? Unser Ziel ist, nicht nur darüber zu reden. Wir wollen zum Schluss auch baulich tätig werden. Und das soll am Ende von den Teilnehmenden evaluiert werden. Insgesamt ist das Ziel aller Projektpartner, für die erprobten Beteiligungsformate eine Art Toolbox zu entwickeln, mithilfe derer andere Kommunen in der Europäischen Union ähnliche Angebote aufbauen können.
Wie könnte eine altersgerechte und umweltfreundliche Mobilität im Jahr 2025 aussehen?
Die Angebote, die gerade geschaffen werden, sollen im Jahr 2025 auch von Älteren genutzt werden. Mit ihnen soll es zudem eine hohe Zufriedenheit geben. Das heißt, dass der ÖPNV und das Radfahren attraktiv sind. Und dass man durch Sharing-Angebote nicht mehr darauf angewiesen ist, ein eigenes Auto zu besitzen. In Situationen, in denen Menschen vielleicht nicht mehr selber in der Lage sind, ein Auto zu fahren, nutzen sie dann Angebote wie Taxis oder Shuttle on Demand. Derzeit gibt es viele politische Diskussionen über autofreie Straßen. Da wird das große Ziel sein, die Mobilität auch in diesen Quartieren sicherzustellen. Deshalb müssen wir deutlich vermitteln, dass Mobilität und Erreichbarkeit nicht nur über das eigene Auto, sondern auch über andere Wege funktionieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Projekt „GreenSAM”:
Der Bezirk Eimsbüttel ist als hauptverantwortlicher Partner am Projekt „GreenSAM” – Green Silver Age Mobility– der Europäischen Union beteiligt. Ziel des Projekts ist es, nachhaltige Mobilitätsangebote für Senioren attraktiver zu gestalten, darunter zum Beispiel Leihräder oder der öffentliche Nahverkehr. Acht europäische Kommunen entwickeln dazu unter Beteiligung der Generation 60+ altersgerechte und umweltfreundliche Lösungen im Verkehr. Die Ergebnisse werden am Ende allen Kommunen der Europäischen Union mit einem Leitfaden zur Verfügung gestellt. So können andere Kommunen von den Projekten lernen und selbst Mobilitätssysteme einführen, die den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden. Das Projekt ist im Januar 2019 gestartet und läuft bis Juni 2021.
Mehr Informationen auf: www.greensam.eu
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