
Plakatwerkstatt für Kinder: Drucken, binden, kartonieren
Mitten im Kleingartenverein Eimsbüttel schlummert eine gemeinnützige DIY-Oase: die Plakatwerkstatt. Hier lernen vor allem Mädchen die Kunst des Buchbindens, Buchdrucks oder der Papierherstellung. Doch die Institution blickt in eine ungewisse Zukunft.
Von Eimsbütteler NachrichtenWer die Plakatwerkstatt betritt, muss erstmal die Straßenschuhe ausziehen und sich an der Box mit Hausschuhen bedienen. Schürze anlegen – dann kann es losgehen.
Die Wände, zugekleistert mit selbstgemachten Plakaten. Werkzeuge aller Art, ordentlich sortiert und in Schubläden organisiert. Alte Maschinen zum Schneiden, Bedrucken und Falten. Ein Wäscheständer voller Farbflecken, der auf frisch bestrichenes Papier wartet.
Mechanische Handarbeit
„Die Werkstatt ist eine Oase mitten in der Großstadt“, schwärmt Leiterin Dagmar Grabbert. Hier können sich Mädchen handwerklich ausprobieren. Ob Bücher binden, aus Karton Schachteln falten oder Kalender gestalten – an Möglichkeiten mangelt es nicht. Selbst der Druck mit beweglichen Lettern ist möglich. Am liebsten aber stellen die Kinder ihr eigenes Papier her.

Das Besondere: Sollte mal der Strom in Eimsbüttel ausfallen, geht der Betrieb in der Werkstatt einfach weiter. „Hier ist alles analog, das meiste funktioniert mechanisch”, erzählt Dagmar Grabbert begeistert, dass die Werkstatt zu den wenigen Orten zählt, an denen das noch möglich ist.
Die Sozialpädagogin leitet die Plakatwerkstatt seit 2011 und kümmert sich um alles – von Laubfegen bis Hauswirtschaft, vom Wäschemachen bis Förderanträge ausfüllen. Obwohl sie viel zu tun hat, freut sie sich über jeden Tag: „Ich liebe die Arbeit mit den Kindern und finde es toll, etwas mit den Händen zu machen.“
Immer was los in der Plakatwerkstatt
Die Plakatwerkstatt gibt es seit über 30 Jahren, Dagmar war schon als Kind hier. Doch wo der Ursprung der kreativen Schmiede liegt, weiß selbst sie nicht. „Es gibt kaum Infos über die Anfangszeit.“ Damals gingen viele Hamburger Druckereien pleite, Papier und andere Materialien wurden den Leuten hinterhergeworfen. Gleichzeitig verteilte die Stadt Fördermittel für Mädchenarbeit – die Idee einer Freizeitwerkstatt für Mädchen war geboren. Die ein oder andere Maschine aus den Druckereien steht noch heute hier.
Bei dem Sozialprojekt ist fast immer was los: Dienstags und freitags ist „offene Werkstatt”, Mittwoch und Donnerstag kommen Kinder aus drei umliegenden Schulen vorbei. Zudem gibt es neben der „Ladies Night” für handwerklich geübte Frauen jeden ersten und letzten Sonntag im Monat einen generationenübergreifenden Familientag.
Anleiterinnen: Vertraute Gesichter
Normalerweise tummeln sich zwischen sechs und zwölf Mädchen in der Werkstatt, gerade basteln Mila, Tilda und Valentina an ihren Stücken. Neulinge kommen meist über Freunde: „Die Mädchen zeigen ihre Werkstücke im Freundeskreis, manche wollen dann selbst mitmachen“, sagt Betreuerin Ricarda. Bei ihr war es genauso. Die 26-Jährige kam 2006 zum ersten Mal in die Plakatwerkstatt und ist heute noch regelmäßig hier. „Die Arbeit ist für mich ein Ausgleich zu meiner Hebammentätigkeit. Hier kann ich den Kopf abschalten und kreativ arbeiten.“ 2014, mit 18 Jahren, wurde sie Anleiterin – eine erfahrene helfende Hand für die Mädchen, die aber nur bei Bedarf unterstützt.
Organisation lernen
Denn neben der kreativen Arbeit setzt die Plakatwerkstatt auf Selbständigkeit: Die Mädchen sollen ihre Werkstücke in Eigenregie anfertigen. Wer nicht weiter weiß, kann sich an Dagmar oder die Anleiterinnen wenden.
Zurzeit gibt es acht von ihnen. Manche machen gerade Abitur, andere stecken mitten im Studium. Nur wer als Kind schon in der Freizeitwerkstatt aktiv war, kann Anleiterin werden. Natürlich werden sie für ihre Arbeit entlohnt.
16:30 Uhr, Zeit für eine Teepause. Während sich alle am Tisch versammeln, werden die Gemeinschaftsaufgaben verlost: Werkstatt fegen, Mülleimer leeren, Pinsel waschen, Arbeitstische abwischen. Die Kinder sollen nicht nur den Spaß am Handwerk entdecken, sondern auch die Organisation des eigenen Arbeitsplatzes wertschätzen.
Zukunft der Plakatwerkstatt ungewiss
Doch so schön und produktiv die Nachmittage in der Plakatwerkstatt sind, die Zukunft des Projektes ist ungewisser denn je. Während der „Jugendsozialarbeit Apostelkirche e.V.“ das Projekt grundfinanziert, sind sie zusätzlich auf Spenden angewiesen.
Nicht nur Pandemie und Energiekrise haben die prekäre finanzielle Situation verschärft. Auch schwebt über all dem seit Jahren ein großer Name: Beiersdorf. Der Konzern hat 2018 die knapp zwölf Hektar Kleingartenfläche gekauft, um sein Konzerngelände möglicherweise zu erweitern – trotz aller Gegenproteste und Bürgerinitiativen. Wie es mit der Werkstatt weitergeht, ist genauso unklar wie der Zeitpunkt, an dem Beiersdorf die Fläche in Anspruch nehmen will. Doch bis dahin wird am Veilchenstieg inmitten der Eimsbütteler Kleingartenanlage fleißig weiter gefaltet, geleimt, gedruckt und gebunden.
Text: Erik Klügling
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