Neuer Swag aus Eimsbush
Der 22-jährige Rapper „Booz” aus Eimsbüttel bahnt sich derzeit seinen Weg ins Musikbusiness – und das ziemlich erfolgreich. Die Tracks des Newcomers verzichten dabei auf die übliche Gangsterrap-Attitude. Für den Auftakt unserer neuen Serie „Eimsbüttels Artists“ haben wir ihn getroffen.
Von Alisa PflugEimsbüttel und Hip-Hop. Zwangsläufig verbunden mit den Anfängen der Beginner und Jan Delay und dessen 1997 gegründeten Hip-Hop-Labels “Eimsbush”. Der Name ein Wortspiel aus Eimsbüttel und Flatbush, dem Teil von New Yorks Stadtteil Brooklyn, dem viele bekannte Hip-Hopper enstammen. Samy Deluxe, Ferris MC und Dynamite Deluxe legten hier bei Jan Delays Label den Grundstein für ihre Karrieren und machten den Stadtteil zum Aushängeschild für Hamburgs Hip-Hop-Szene. 2003 meldete Jan Eißfeldt, alias Jan Delay, Insolvenz an. Das ehemals erfolgreiche Musiklabel gab es nicht mehr, die neue Rap-Generation aus Berlin tat sich schwer mit dem Eimsbush Style.
Nun gibt es neuen Rap aus dem Stadtteil. Der 22-jährige Newcomer Booz ist in den Startlöchern und feilt an einer Karriere im Musikbusiness. Es wird sich zeigen, ob er an die vergangenen Eimsbush-Erfolge anknüpfen kann. Lob gab es bereits von einem anderen Eimsbütteler und ehemaligen Eimsbush-Mitglied: Samy Deluxe. Mit ihm trat er 2014 beim Festival „Beats auf der Bahn” vor 15.000 Leuten auf der Hamburger Trabrennbahn auf.
Seine künstlerischen Anfänge machte Booz im Verein LuKuLuLe e.V., einem gemeinnützigen Verein in Hammerbrook, der junge künstlerische Talente fördert. Hier entdeckte er als Jugendlicher seine Leidenschaft für die Musik, fürs Rappen und nahm seine ersten Songs auf. Aber auch im Schauspiel probierte er sich aus. „Irgendwann mal beides machen, wäre natürlich krass”, sagt Booz. Mit Kool Savas hat er für den KiKa vor einigen Jahren eine Mini-Serie gedreht. Die Musik ist im Moment aber wichtiger.
Ein Stück Westcoast in Eimsbüttel
Aufgewachsen an der Lutterothstraße wohnt Booz, dessen zweiter Vorname auch wirklich Booz ist, immer noch hier. Am Else-Rauch-Platz hat er als Kind gespielt und als Jugendlicher seine ersten Schlägereien erlebt. Jetzt dreht er hier die ersten Videos zu seinen Songs. Das „Bad Boy Image” jedoch mag er nicht, wie er betont. „Rap muss mit Gefühl sein”, authentisch und er muss die Menschen bewegen. Booz stellt sich nicht vor das Mikro, um zu „haten” oder Beleidigungen los zu werden, sondern um den Leuten etwas zu geben und Welten aufzubauen – wie er sagt.
Authentizität, „Realness”, ist dabei für ihn das Wichtigste, etwas Eigenes machen, einen eigenen Stil entwickeln. Seinen Sound sieht er zwischen Oldschool und Modern. Zwischen neuem deutschen Rap, wie der von 187 oder Kontra K und 90er Jahre Hip-Hop. Dabei orientiert er sich stilistisch am ehemaligen West-Coast Hip-Hop. Hier sind die Beats weich, statt hart und aggressiv. Langsam, groovig, insgesamt am Pop orientiert. Ein größerer Anteil R’n’B Sound unterstreicht den leichten Rhythmus und transportiert durch weniger komplexe Lyrics trotzdem ausreichend Nachdenklichkeit.
In „Kein Stress” wird von einem Sommertag ohne Sorgen in entspanntem „Laid-back”-Sound gerappt. Chillen mit Bier und Freunden am See, ohne Verpflichtungen und nicht an morgen denken. Im Video streift er mit seiner Gang durch die Straßen von Eimsbüttel, Streetwear, Checkerblick und Hip-Hop-Gesten.
Auch im Gespräch nutzt Booz viele Ausdrücke aus dem Hip-Hop-Slang und entspricht mit Trainingshose und Kapuzensweater eins zu eins dem dazugehörigen Lifestyle. Er rappt von Mädchen, die sich statt für reale Dates für die Inszenierung in den sozialen Netzwerken stylen oder missglückten Flirtversuchen. Dabei packt er Alltägliches treffend in die Sprache des Hip-Hops.
Geboren für das!
Andere Tracks sind nachdenklicher, dort legt er seine Gedanken, seine Sichtweisen auf die Dinge und seine eigene Geschichte dar. So rappt er im Song „Emotionen“, dem Titeltrack seiner ersten EP, von seinem Weg, Fuß zu fassen als Künstler, und fragt, „ob die Reise sich noch lohnt?“. Die Liebe zur Musik, das Durchhaltevermögen und der starke Wille es zu packen – aber auch Kritik, Frust und Selbstzweifel.
Aufgewachsen neben den Hochhäusern der Lenzsiedlung an der Lutterothstraße und Abitur auf dem Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer, sind für ihn die verschiedenen Gesellschaftsschichten immer sichtbar. Hier kommt es auf den Respekt zwischen den Menschen an, sagt Booz. Zwischen den Welten, ein Motiv in seinen Texten. Gefühle zeigen und benennen wird innerhalb der Musikrichtung oft noch als schwach wahrgenommen. Testosteron, Gewalt, Frauenfeindlichkeit sind immer noch starke Motive des Genres. Die Inszenierung im Mercedes vor der Wohnsiedlung oder der Junge aus der Unterschicht, der es zu was bringt und gegen seine Widersacher textet, verkauft sich nach wie vor. Bei Auftritten wird auch das häufig von Booz erwartet. Nur vereinzelt kennt man ihn und vermutet heftigen Wörterregen und den Bad Boy. Den Überraschungseffekt genießt er, denn die Message kommt auch so an.
Das Leben kann ihm die Musik noch nicht finanzieren, das tut zurzeit noch ein Teilzeitjob. Seine Termine und Auftritte organisiert er selber. Ein Plattenvertrag und ein professionelles Management kommen nicht von heute auf morgen, sagt Booz.
Eine Ausbildung anfangen oder etwas anderes machen, kam nie in Frage. „Ich sehe mich nirgendwo anders”, betont er und lässt keinen Zweifel daran, dass er eins ist mit seiner Leidenschaft: „Andere bekommen nach ihrer Ausbildung eben einen Zettel, ich bekomme den Fame und irgendwann auch Geld“. Man wird sie bestimmt bald öfter hören, die neuen Beats aus Eimsbush.
Dieser Text erschien zum Auftakt der Musiker-Serie „Eimsbüttels Artists“ in unserem Magazin #8. In den kommenden Wochen wollen wir euch Musiker aus Eimsbüttel vorstellen, die das Viertel mit ihrer Musik prägen.