Cannabis wird legal – Eimsbüttel ist bereit
Cannabis wird legal: Das sagen Eimsbütteler MdBs, Dealer, Apothekerinnen, Lehrer, Konsumentinnen, Suchthelfer zur Legalisierung.
Von Christian LitzDie Ampelkoalition leuchtet hell und gibt grünes Licht für Cannabis: Die neue Regierung wird wohl die Droge legalisieren. Eimsbüttel ist bereit. Die Eimsbütteler Nachrichten haben im Bezirk Eimsbütteler Kommunalpolitiker aller Parteien gefragt, Bundestagsabgeordnete, eine Kifferin, einen Abstinenzler, Apothekerinnen, Kirchenmänner, Suchthelferinnen, Pädagogen, Geschäftsleute, Polizeistatistiken, einen Dr., Passanten, Hunde, Katzen. Nicht alle haben geantwortet, aber viele mit Überraschendem:
Grünen-Kreisverband, Anfang vergangener Woche:
„Sehr gerne äußern wir uns zu der Thematik, sobald der Koalitionsvertrag vorliegt. – Mit freundlichen Grüßen, Daniela Thull – Kreisgeschäftsstelle, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Eimsbüttel“
„Davon profitiert natürlich Eimsbüttel“
Till Steffen, Bundestagsabgeordneter Eimsbüttels, Bündnis 90/Die Grünen: „Moin, bis wann brauchen Sie eine Antwort? Mit freundlichen Grüßen, Lukasz Batruch -Büroleiter – Dr. Till Steffen MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – Platz der Republik 1, 11011 Berlin“ – Antwort: Hat Zeit bis nächste Woche – „Das schaffen wir schneller. Melden uns. – Lukasz Batruch“
12 Minuten später: „Moin, die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur kontrollierten Abgabe von Cannabis begrüße ich ausdrücklich sehr. Es ist ein längst überfälliger Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik, gegen den sich auch die SPD in Hamburg lange gesperrt hat. Umso erfreulicher nun das Ergebnis. Gleichzeitig wird dies bei Polizei und Justiz wichtige Ressourcen freisetzen, die wir an anderer Stelle benötigen. Davon profitiert natürlich auch Eimsbüttel. Ich erhoffe mir auch an anderer Stelle Bewegung. Zumindest lässt die Passage zur ‚Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz‘ noch Raum für andere Ideen, die ich ebenso lange gefordert habe. Was das Verfahren anbelangt: Was im Koalitionsvertrag so vereinbart wurde, wird auch so umgesetzt. – Mit freundlichen Grüßen, Dr. Till Steffen“
Arne Wolter, Schulleiter, Kaifu-Gymnasium:
„Das ist das falsche Signal. Als Lehrer und Pädagoge weiß ich, dass Cannabis für junge Menschen ein Einstieg ist, der in eine Drogenkarriere führen kann. Was Erwachsene vielleicht gut und durchdacht entscheiden können, ist für Jugendliche, die in einer ganz anderen Lebensphase sind und unter einem stärkeren Einfluss von außen stehen, etwas anderes. Klar ist allerdings auch, dass repressive Maßnahmen bisher nicht erfolgreich waren. Dennoch glaube ich, die Legalisierung muss gut begründet werden.“
„Beratung sollte frühstmöglich ansetzen“
Bianca Kunze, Bereichsleitung ambulante Beratungsstellen von Jugend hilft Jugend:
„Generell begrüßt auch jhj Hamburg e.V. die längst fällige Legalisierung von Cannabis (und damit Entkriminalisierung aller Cannbiskonsument*innen) unter kontrollierter Abgabe ausschließlich an Erwachsene durch staatlich lizensierte Abgabestellen. Beratung sollte immer frühstmöglich ansetzen. Die Entkriminalisierung kann es den Konsument*innen erleichtern, rechtzeitige Hilfe und Beratung – beispielsweise zu risikoarmen, problematischen/abhängigen Konsummustern – in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist auf jeden Fall eine auskömmliche Finanzierung der Suchtberatungsstellen (hier KODROBS Eimsbüttel), um den Konsument*innen von Cannabis auch weiterhin ausreichende Beratungsangebote anbieten zu können. Es könnten zum Beispiel freiwerdende Finanzmittel (durch Einsparungen bei der Polizei und Justiz durch die Entkriminalisierung) zweckgebunden in Beratungs- und Präventionsangebote fließen.“
Alica Huntemann, Büro Niels Annen, Bundestagsabgeordneter Eimsbüttels, SPD:
„Aufgrund von anstehenden Auslandsreisen ist ein Gesprächstermin derzeit nicht möglich. Gerne würde ich Ihnen aber Herr Annens Position dazu kurz nennen: Herr Annen unterstützt die Regelung laut des gestern veröffentlichen Koalitionsvertrages über die Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in dafür lizensierten Geschäften (S. 87 des Koalitionsvertrags).“
„Aus Teenies werden Straftäter gemacht“
Viviane K., überzeugte Konsumentin: „Ich denke ich spreche im Namen vieler Jugendlicher, wenn ich sage, es wurde höchste Zeit für die Legalisierung von Cannabis. Aus Teenies werden Straftäter gemacht, unkontrollierte Abgaben führen teilweise bei einigen zu gesundheitlichen Schäden und Parks und Gassen werden von Dealern und Läufern eingenommen. Zudem könnte sich die Justiz endlich mal mit weitaus wichtigeren Problemen unserer Gesellschaft beschäftigen. Jugendliche in Parkanlagen verfolgen gehört meiner Meinung nach nicht dazu. Ich bin sehr gespannt und bin mir sicher, dass der Boom der Steuergelder den einen oder anderen dann spätestens im Laufe der Legalisierung auch noch überzeugen wird.“
Dr. Can Ansay, CEO der AU-Schein GmbH, Eimsbüttel, nach eigenen Angaben Marktführer im Krankenschein-Verkauf via Internet: „Cannabis sollte voll legal sein, insbesonders da es gesünder ist als Alkohol. Wir bieten bald Cannabis-Rezepte online an. Durch die Legalisierung wäre kein Arzt mehr nötig, da es dann wohl Coffee Shops gibt. LG, Can.“
Polizeistatistik, Rauschgiftdelikte im Bezirk Eimsbüttel I.:
Von 2019 auf 2020 gab es eine Steigerung der Fälle um 54,6 Prozent. 2019 waren es 97 Fälle gewesen, 2020 dann 150. Wieviele der Rauschgiftdelikte Cannabis-Fälle sind, war jedoch nicht zu ermitteln.
„Überlastung des Justizsystems“
Die Linke, Bezirksverband Eimsbüttel:
„Verbot und Strafverfolgung des Cannabiskonsums haben empirisch nicht dazu geführt, dass Menschen weniger oder verantwortungsvoller konsumieren. Im Gegenteil zeigt sich eine Kriminalisierung der Konsument*innen und eine Überbelastung des Justizsystems. Das eingesparte Geld und mögliche steuerliche Mehreinnahmen sollten genutzt werden, um eine präventive Aufklärungsarbeit und Jugendschutz zu gewährleisten. – Mit besten Grüßen, Jan Libbertz – Sprecher Bezirksverband Eimsbüttel“
Polizeistatistik, Rauschgiftdelikte im Bezirk Eimsbüttel II.:
Besonders auffällig war die Steigerungsrate in den Eimsbütteler Stadtteilen Harvestehude und Niendorf. Sie betrug jeweils 350 Prozent. In Harvestehude hatte es 2019 nur 2 Fälle gegeben, 2020 waren es aber 9. In Niendorf stieg die Zahl von 4 auf 15. Am meisten Delikte im Bezirk gab es in beiden Jahren im Stadtteil Eimsbüttel: 2019: 33 Fälle. 2020: 48 Fälle. Das ist eine Steigerung um 45 Prozent.
Herr Meier, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Eimsbüttel, Beratung für Suchtkranke, Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft Sucht: „Tut mir leid, ich rede nicht mit Medienleuten, gar nicht.“
Polizeistatistik, Rauschgiftdelikte im Bezirk Eimsbüttel III.:
2019 wurden von den 97 Fällen von Rauschgiftdelikten im Bezirk Eimsbüttel 66 aufgeklärt. 2020 von 150 Fällen 115. Die Zahl der aufgeklärten Fälle stieg also um 54,6 Prozent.
„Konsumenten wollen das auch nicht“
Jens Niggemann, Mr. Cannabis, Hoheluftchaussee 66:
„Es spricht alles für eine Legalisierung. Ich bin Befürworter, klar. Aber auch Realist. Was das für uns bedeutet, kann ich noch nicht sagen. Man muss realistisch bleiben. Die Politiker in Berlin haben wegen Corona bestimmt andere dringende Themen. Bis das in den Bundestag kommt, und dann vom Bundesrat wieder in den Bundestag… Aus meiner Sicht wird es in zwei Jahren so weit sein. Und dann werden erst Lizenzen vergeben werden müssen. Es war ja angedacht, dass das Geschäft den Apothekern gegeben wird. Aber es war auch zu lesen, die wollen das gar nicht. Kann ich verstehen. Welcher Apotheker will denn gerne über Cannabis beraten und daneben steht eine Stammkundin, die Oma mit dem Ginseng-Tee. Konsumenten wollen das auch nicht. Ob das für uns ein Geschäft wird, weiß ich nicht. Auf jeden Fall muss die Qualität garantiert werden. Aufklärung muss stattfinden. Das Zeug, das illegal unterwegs ist, ist ja sowas von hochgezüchtet. Für 18-Jährige ist das nichts, in dem Alter wächst ja noch das Gehirn. Ab 21 Jahren, mindestens, das fände ich gut. Komm doch einfach mal vorbei.“
Apotheke Dr. Grimms, Ecke Osterstraß/Emilienstraße, Melanie Junker:
„Ich sehe mich als neutrale Institution, somit möchte ich mich politisch nicht äußern. Bei uns sind alle willkommen, die einen pharmazeutischen Rat benötigen.“
Maik S., abstinenter Anwohner eines bekannten Drogenumschlagsplatzes im Bezirk Eimsbüttel:
„Hallo, jo, ich selbst nehme es nicht zu mir, aber bin dafür, dass es legal verkauft werden kann. Denn dann werden wohl die Dealer weniger – vor allem bei uns vor der Tür. Wohne in der XXXX-Straße über XXXX – Diese Nachricht wurde von meinem Android Mobiltelefon gesendet.“
Eimsbütteler Apotheke, Ecke Osterstraße/Eimsbütteler Weg:
„Wir haben gerade mit der aktuellen Corona-Lage viel um die Ohren und können uns mit dem Thema nicht beschäftigen.“
Benjamin Schwanke, Vorsitzender FDP Eimsbüttel:
„Die Freigabe von Cannabis beruht auf medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ob diese tatsächlich zutreffend sind, muss nach einer Freigabe engmaschig kontrolliert werden. Daher ist es wichtig, dass die Freigabe verbunden wird mit dem Aufbau eines umfassenden Hilfesystems vor Ort. Auf diesse Weise können Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden und Suchtentwicklungen effektiv bekämpft werden. Da der Aufbau eines Hilfesystems sehr kostenintensiv ist, erscheint es sinnvoll, die Freigabe zunächst in Modellprojekten zu erproben.“
„Null Berühungspunkte zu diesem Thema“
Bezirksamt Eimsbüttel in den Grindelhochhäusern:
„Moin, tut mir leid, wir haben hier im Bezirksamt null Berührungspunkte zu diesem Thema.“
Vita Apotheke, Heußweg am Eingang Karl Schneider Passage:
„Das ist uns alles noch viel zu unklar. Dazu können wir nichts sagen.“
Montag bis Donnerstag von 10 bis 22 Uhr
Andrea Rodiek, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), Leitung SuchtPräventionsZentrum (SPZ) (LIB1), Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Schule und Berufsbildung:
Sie schreibt per Mail: „Infotelefon Suchtprävention: (0221) 89 20 31, Montag bis Donnerstag von 10 bis 22 Uhr, Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr Unterstützung, Beratung und Fortbildung für Eltern und Lehrerinnen und Lehrer gibt es zum Beispiel beim Suchtpräventionszentrum in Hamburg“ https://li.hamburg.de/spz/
Polizei Pressestelle: „In Bezug auf politische Diskussionen behalten wir uns eine gewisse Neutralität vor.“
Mitarbeit: Julia Haas