
Foto: Christina Rech
Philippe Geuer: „Alles, was man so kaputt machen kann, war kaputt“
Der in Eimsbüttel lebende Philippe Geuer ist Extremsportler. Ein schwerer Unfall riss den 43-jährigen Triathleten von heute auf morgen aus seiner Leistungssportkarriere. Bei den bevorstehenden European Masters Championships wagt er sich nun zum ersten Mal wieder an einen Wettkampf im Freiwasserschwimmen.
Von Christina Rech1995 haben Sie sich spontan für Ihren ersten Ironman auf Lanzarote angemeldet. Darauf folgten neun weitere Ironmanteilnahmen. Was reizt Sie an extremen Distanzen beziehungsweise an Distanzen unter extremen Bedingungen?
Ich habe nur gelesen, da ist ein Triathlon auf der Insel. Die nötige Ausrüstung hatte ich dabei, weil ich dort in einem Trainingslager war und dann habe ich mich einfach dazu angemeldet. Ich bin nach 12,5 Stunden ins Ziel gekommen und habe bei diesem Wettkampf eben gemerkt, dass ich umso besser werde, je länger die Strecke ist. Jetzt auch beim Schwimmen; die Einheit heute Morgen, das waren knapp zehn Kilometer.
Dabei sind welche neben mir her geschwommen, die sind zwar schneller, aber nach zwei Kilometern ist für die dann aber eben auch Ende. Mich reizt am Ausdauersport, die eigenen Grenzen austesten zu können. Dies mache ich wiederum lieber in Gesellschaft, anstatt alleine. Bei solchen extremeren Sachen, wie einem doppelten Ironman, ist das eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft, jeder kennt sich irgendwo.
Was war bislang Ihre größte sportliche Herausforderung?
Das Spannendste im Endeffekt war ein sechs-Tage-Wüstenlauf. Ich komme ja vom Schwimmen und die Wüste ist jetzt nicht unbedingt des Schwimmers bester Freund. Im Endeffekt war das viel Sightseeing, viel Schmerz und trotzdem Spaß. Einfach auch mal eine Wüste als Nicht-Tourist zu erleben, indem man nämlich quer durch sie durch läuft, mit dem eigenen Wasser im Rucksack.

Die wohl größte Herausforderung in meiner Karriere war aber wohl, mich nach meinem schweren Radunfall, Ende 2013, zu motivieren, wieder mit dem Sport anzufangen.
Was ist genau bei dem Unfall passiert?
Mir hat ein Autofahrer die Vorfahrt genommen. Ich war auf der Hauptstraße, er kam aus einem Feldweg heraus, stand plötzlich vor mir. Und ich bin dann mit 40 Stundenkilometer, ohne zu bremsen, in ihn rein. Das war wie eine Wand, die vor mir war. Ich bin gegen die Motorhaube geflogen, habe mit dem Ellenbogen die Windschutzscheibe eingedrückt. Dabei wurde meine Schulter komplett zertrümmert. Alles, was man so kaputt machen kann, war kaputt. Seitdem ich mir bei dem Sturz einen Hauptnerv abgerissen habe, ist mein gesamter Unterarm taub.
Wie ging es danach für Sie weiter?
Durch den Unfall hatte ich eine posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen. Ich glaube von denen, die eine ähnliche Diagnose haben, holen sich sehr wenige tatsächlich Hilfe und fallen stattdessen immer mehr darein.
Für neun Wochen bin ich in eine psychosomatische Klinik gegangen. Da habe ich wieder mit dem Schwimmen angefangen; in einem nur zwölf Meter langen Becken, bei 36 Grad Wassertemperatur. Das war furchtbar für mich. Um mir selbst so ein bisschen die Angst vom Radfahren zu nehmen, bin ich für eine Spendenaktion von Hamburg nach London gefahren.
Sie sind im Rhein, von Koblenz nach Köln in nur 13 Stunden geschwommen und haben versucht, den eiskalten Ärmelkanal zu durchqueren. Was ist für Sie das Besondere am Freiwasserschwimmen?
Man hat zwar ein Ziel, allerdings keinen Beckenrand. Es schwimmt einem niemand in die falsche Bahn. Freischwimmen ist natürlich immer auch ein kalkuliertes Risiko.

Während der European Masters Championships, am 8. und 9. September 2018, nehmen Sie am Open Water Swimming teil. Die beiden drei und fünf Kilometer-Rennen werden im Bleder See, in Slowenien ausgetragen. Wie bereiten Sie sich aktuell darauf vor?
Momentan schwimme ich bis zu 60 Kilometer in der Woche, im Schwimmverein SV Poseidon. Ich teile mir das immer ein, entweder in zwei Einheiten, oder in eine lange. Wenn es momentan mit der Schulter nicht geht, wird auch mal ein Tag Pause gemacht. Ich möchte den Wettkampf eigentlich als Wiedereinstieg nutzen, oder vielleicht auch als Ausstieg aus dem Sport. Ich selbst hatte noch nicht die Möglichkeit zu sagen, ich hänge jetzt mal den Leistungssport an den Nagel, sondern der Unfall hat das für mich getan. Am Liebsten wäre mir natürlich, den Ironman auf Lanzarote dafür zu nutzen.