Reichsbürgerin in Eimsbütteler Kita? „Wir sind aus allen Wolken gefallen“
Ein Vorstandsmitglied der Kindergruppe Bollerwagen soll in der Reichsbürger-Szene aktiv sein. Wie Vorstand und Erzieherinnen reagieren.
Von Christiane TauerDie Kindergruppe Bollerwagen befindet sich derzeit im Ausnahmezustand. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass eine Frau aus dem Vorstand des Vereins bei der Reichsbürger-Bewegung aktiv sein soll. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt Erzieherin Stella Gorges gegenüber den Eimsbütteler Nachrichten.
Reichsbürger-Vorwürfe fallen mit Kita-Ende zusammen
Dabei hat die Kita am Eidelstedter Weg eigentlich andere Sorgen. Der „Bolli“ muss schließen, Ende Juli läuft der Mietvertrag aus. Die Kita, die sich in den 1970er Jahren als Elterninitiative gründete und noch immer von Eltern und den zwei Erzieherinnen gemeinsam getragen wird, wickelt gerade den Betrieb ab. Im Internet wird schon das Mobiliar zum Verschenken angeboten. Die monatelange Suche nach einem neuen Standort blieb erfolglos.
In diese sowieso schon unruhige Zeit fallen die Vorwürfe rund um Maren B., die seit mehreren Jahren Mitglied des dreiköpfigen, ehrenamtlich engagierten Vorstands der Kita ist.
Arbeitgeber wusste nichts von Mitgliedschaft
Wie das Abendblatt berichtete, sei es die Recherche des Hamburger Bündnisses gegen Rechts gewesen, die ihre mutmaßliche Zugehörigkeit zur Reichsbürger-Gruppierung „Königreich Deutschland“ ans Licht brachte. Demnach habe B.s Arbeitgeber, das Kulturzentrum Honigfabrik in Wilhelmsburg, nichts von den Verstrickungen seiner Mitarbeiterin geahnt und sich umgehend von ihr getrennt.
Bei der Kindergruppe Bollerwagen sieht es ähnlich aus. Vorstand Andreas Schönfelder erklärt auf Anfrage der Eimsbütteler Nachrichten, er habe über Kontakte von der Angelegenheit erfahren und daraufhin mehrere schlaflose Nächte gehabt. In der kommenden Woche werde es eine außerordentliche Mitgliederversammlung geben.
„Bollerwagen“ distanziert sich von Reichsbürgern
Zunächst aber möchte er klarstellen, dass sich der Bollerwagen „ganz klar und deutlich von den Reichsbürgern und deren Gedankengut distanziert“. Er arbeite seit einem Jahr im Vorstand der Kita, und ihm sei in dieser Hinsicht nie etwas bei seiner Vorstandskollegin aufgefallen.
Reichsbürger-Bewegung
Die Gruppierung „Königreich Deutschland“ (KRD) gilt laut Bundesamt für Verfassungsschutz als eine der mitgliederstärksten Reichsbürger-Gruppen. Sie zählt nach eigenen Angaben mehr als 6.000 Mitglieder. Der Verfassungsschutz stuft KRD als eine extremistische „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Gruppierung ein. Ihre Aktivitäten würden darauf abzielen, die gültige Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch ein eigenes System zu ersetzen, in dem demokratische Grundsätze und Gesetze wie auch staatliche Schutzvorschriften generell keine Geltung haben, schreibt der Verfassungsschutz auf seiner Internetseite.
Die Reichsbürger-Szene entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verstärkt in der Öffentlichkeit auf. Sie besteht meist aus Einzelpersonen, teilweise aus Kleingruppen. Insgesamt sollen ihr 23.000 Personen angehören. Zu den vertretenen Ideologien zählen oft Rechtsextremismus, teilweise Antisemitismus oder die Ablehnung der Demokratie. Die Mitglieder der Bewegung weigern sich unter anderem, staatliche Steuern und Bußgelder zu zahlen oder Gerichtsbeschlüsse und Verwaltungsentscheidungen zu befolgen.
Auf der Mitgliederversammlung wolle man vorschlagen, Maren B. als Vorständin abzuwählen und durch eine andere Person zu ersetzen – auch wenn bis zur Auflösung der Kita nur noch wenige Wochen verbleiben. „Wir möchten ein Zeichen setzen“, sagt Schönfelder.
Der Beschluss müsse dann notariell beglaubigt werden, damit am Amtsgericht die Vereinsregistereintragung mit dem neuen Vorstand und den Liquidatoren des Vereins erfolgen könne.
Aussprache zu den Vorwürfen ist geplant
Maren B., deren Kind seit mehreren Jahren den Bollerwagen besucht, sei zur Mitgliederversammlung eingeladen, erklärt Schönfelder. „Ob sie tatsächlich kommt, weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht.“ Unabhängig davon sei eine Aussprache mit ihr geplant und auch durch sie in einem ersten Gespräch angeboten worden.
„Jetzt kehren wir die Scherben zusammen“, fasst Schönfelder die derzeitige Arbeit des Vereins zusammen. Dabei sei man auch in engem Austausch mit der Kita, mit der der Bollerwagen nach seiner Auflösung fusionieren wird. Die zwei Erzieherinnen sowie zwei der aktuell noch sieben betreuten Kinder werden nach den Sommerferien in die neue Einrichtung wechseln.
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