
Tausend Quadratmeter Leerstand
In dem verwahrlosten Gebäude in der Osterstraße 162 wohnen seit Jahren keine Mieter mehr – obwohl ein Gesetz Leerstand verbietet. Wie geht es mit dem „Schimmelhaus” weiter?
Von Alana TongersWerbeplakate hängen lose an verstaubten Scheiben, großflächige Graffitis bedecken Mauern und Fenster. An das Asia-Restaurant Ploy Thai und den Imbiss Der Wurstmann erinnert noch die Reklame über den Türen, die schon lange geschlossen sind. Das Haus in der Osterstraße 162 fällt aus der Reihe. Seit gut zwei Jahren wohnen hier keine Mieter mehr – und das obwohl das Hamburger Wohnraumschutzgesetz Leerstand verbietet. Wie kann das sein?
Rückblick: 2016 wenden sich die Mieter der Osterstraße 162 an die Hamburger Presse. Die Zustände in dem Wohnhaus sind so prekär, dass es in den Medien als „Schimmelhaus” bekannt wird. Die Vermutung der Bewohner: Der Eigentümer lässt das Haus so lange verkommen, bis er es abreißen kann. Tatsächlich ist der Zustand des Gebäudes so schlecht, dass das Bezirksamt im Herbst 2017 die Genehmigung zum Abriss erteilt. Mitte 2018 ziehen die letzten Mieter aus.
Genehmigung für Neubau legalisiert Leerstand
Da sich das Verfahren „unverhältnismäßig in die Länge zog”, hat die Behörde ein Wohnnutzungsgebot erlassen. Der Eigentümer müsse die Wohnungen bis zum Abriss zwischenvermieten – ansonsten drohen rechtliche Konsequenzen. Das teilte Bezirksamtssprecher Kay Becker Anfang 2019 auf Nachfrage der Eimsbütteler Nachrichten mit.
Dazu ist es nie gekommen. Der Bescheid wurde laut Bezirksamt „aufgrund der Verhältnismäßigkeit” nicht vollstreckt, da eine Genehmigung für einen Neubau beantragt war. Sobald ein Eigentümer nämlich für Ersatzwohnraum sorgt, darf er bestehende Wohnungen zweckentfremden – also bis zum Abbriss legal leer stehen lassen.
leer stehende Wohnungen sind dem Bezirksamt Eimsbüttel gemeldet (Stand 5. Juni 2020)
Eine Baugenehmigung liegt seit März 2020 vor. Damit ist der Leerstand mittlerweile nach dem Hamburger Wohnraumschutzgesetz gerechtfertigt.
Sobald das Schimmelhaus abgerissen ist, soll auf dem Grundstück der Osterstraße 162 ein Neubau mit 13 Wohnungen und einer Ladeneinheit entstehen. Wann die Bagger anrücken, weiß jedoch niemand – denn das Abrissdatum muss der Eigentümer dem Bezirksamt erst eine Woche vorher mitteilen. So lange bleibt der dringend benötigte Wohnraum in der Osterstraße wohl ungenutzt.
Vom Schimmelhaus zum Leerstand
Hamburger Wohnraumschutzgesetz
Seit 1971 gilt in Hamburg das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Darunter fällt auch der Leerstand einer Wohnung. Dieser ist nach mehr als vier Monaten unzulässig.
Nach vier Monaten Leerstand kann die Behörde ein Wohnnutzungsgebot erlassen und schließlich, wird diesem nicht nachgekommen, ein Bußgeld verhängen oder sogar eine Räumung anordnen.
Es gibt aber Ausnahmen: Zum Beispiel wenn der Eigentümer für Ersatzwohnraum in Form eines Neubaus sorgt. Bis er eine Baugenehmigung für das Projekt hat, muss er die Wohnungen zwischenvermieten, damit kein Leerstand entsteht.