Bushaltestelle Goebenstraße: 200.000 Euro teurer als geplant
Ein fehlendes Lärmschutzgutachten zog drei Gerichtsverfahren, viel Baulärm und hohe Kosten nach sich. Hamburgs umstrittene Haltestelle liegt nun am Eingang zum Eimsbütteler Park.
Von Anne ReisDie Geschichte der Bushaltestelle „Goebenstraße“ ist nicht ganz unkompliziert, aber es lohnt sich, sie zu erzählen. Anfangen muss man mit dem Ende: Die Verlegung der Haltestelle von einer Seite der Kreuzung Ring 2 und Unnastraße auf die andere hat vier Jahre gedauert und ca. 385.000 Euro gekostet. Das sind zwischen 230.000 und 285.000 Euro mehr als eine typische Haltestellenverlegung, die nach Angaben des Bezirksamts Wandsbek mit 100.000 bis 150.000 Euro veranschlagt wird.
Bau, Rückbau, Neubau
Laut der Pressestelle des verantwortlichen Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) lassen sich die Kosten von 385.000 Euro für die Verlegung am Ring 2 in drei Posten unterteilen: 80.000 Euro für den Bau einer Bushaltestelle mit Haltebucht vor der roten Villa an der Ecke Unnastraße. 5.000 Euro Gerichtskosten für die juristische Auseinandersetzung mit den Bewohnern der Villa, die wegen der zusätzlichen Lärmbelastung durch die Haltestelle zunächst auf einen Baustopp klagten. Und 300.000 Euro für den Rückbau der Bushaltestelle vor der Villa und den Bau der neuen Haltestelle am Eimsbütteler Park.
LSBG schafft Fakten
Der Beginn der Geschichte klingt romantisch: „Es waren einmal drei Linden.“ Sie standen vor der roten Villa an der Ecke Unnastraße und Ring 2 – und wurden im November 2016 gefällt. Anwohner und Baumschützer hatten in Reaktion auf die Markierung der alten Bäume protestiert; sowohl gegen die Fällung als auch gegen die geplante Verlegung der Bushaltestelle direkt vor das Wohnhaus, die, wie sich herausstellte, der Grund für das Kettensägenmassaker war.
50 Sekunden Zeitersparnis
Was steckte hinter der plötzlichen Aktivität? Vor vier Jahren wollte der LSBG die Bushaltestelle „Goebenstraße“ hinter die Kreuzung mit der Unnastraße verlegen – als Teil eines groß angelegten Busbeschleunigungsprogramms. Susanne Meinecke von der Verkehrsbehörde begründete den geplanten Umzug so: „Haltestellen werden heutzutage grundsätzlich nach der Kreuzung angeordnet. Damit der Bus gleich losfahren kann, wenn der letzte Fahrgast ein- oder ausgestiegen ist.“ Dadurch würden die Busse 50 Sekunden Zeit gewinnen, so Meinecke. Für alle Haltestellen in Hamburg summiere sich das auf eine Zeitersparnis von 17.000 Stunden pro Jahr.
Baustart ohne Lärmgutachten
Im Herbst 2016 war die Beschleunigung der Linien 20 und 25 an der Reihe. Die Haltestelle „Goebenstraße“ sollte deshalb zunächst vor den Eingang zum Eimsbütteler Park verlegt werden. Die ohnehin schon lärmbelasteten Anwohner des vierspurigen Ring 2 wären dadurch nicht weiter beeinträchtigt worden.
Doch es gab Gegenwind aus dem Denkmalschutzamt, das das “Parkensemble” bewahren wollte. Der LSBG beschloss deshalb, die Haltestelle ein Stück Richtung Norden zu verlegen, direkt vor das Eckhaus Unnastraße 1. Ohne die Anwohner offiziell zu informieren und ohne ein Lärmgutachten zu erstellen, ließ der Landesverkehrsbetrieb die drei Linden fällen. Dann rückten die Bagger an und begannen, eine Busbucht zu bauen.
Anwohner gehen vor Gericht
Neuer Gegenwind für den LSBG blieb nicht lange aus: Die Bewohner der roten Villa, die bereits Lärm und Abgasen von 35.000 Autos täglich ausgesetzt waren, zogen mit einem Eilantrag vors Verwaltungsgericht und erwirkten einen vorläufigen Baustopp. Der Richter folgte ihrer Argumentation, dass die zusätzliche Lärmbelastung durch die Haltestelle nicht zumutbar sei. Mit der Entscheidung für den Baustopp lehnte das Gericht die Planung der Haltestelle an dieser Stelle jedoch nicht grundlegend ab. Im Mai 2017 bestätigte das Gericht diese Entscheidung.
Lärmbelästigung nicht zumutbar
Mittlerweile war die Haltebucht aber schon fast fertig gebaut. Der LSGB rief die nächste Instanz an. Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde im November 2017 zurück und untersagte damit den Fortgang der Bauarbeiten. Das zwischenzeitlich erstellte Lärmgutachten hatte ergeben, dass schon der Straßenlärm ohne Bushaltestelle gesundheitsschädliche Ausmaße für die Anwohner hatte.
Alles umsonst – aber teuer
Damit war klar: An der neuen Haltestelle würde nie auch nur ein einziger Fahrgast ein- oder aussteigen. Die Steuerzahler würden nach dem Bau nun auch den Rückbau der Busbucht bezahlen müssen – und natürlich die Einrichtung einer Haltestelle an einem anderen Ort. Die drei Linden waren umsonst gestorben.
Busse halten auf der Straße
Drei weitere Jahre später traf der LSBG, “nach einer ausgiebigen Testphase”, so die Presseerklärung der Anwohner, eine Entscheidung: Die Haltestelle wurde genau dort gebaut, wo sie ursprünglich geplant war – vor dem Eingang zum Eimsbütteler Park. Entgegen der ursprünglichen Planung von 2016 gibt es allerdings keine Haltebucht.
LSBG glaubt an Verkehrsfluss
Die Busse halten auf der rechten Fahrbahnspur, so dass nachfolgende Autos die Spur wechseln müssen. Dies sei kein Problem, so der LSBG. Sprecher Henning Grabow versichert, dass „die jetzt gewählte Variante der Haltestelle am Fahrbahnrand vorher extra im Hinblick auf den Verkehrsfluss evaluiert“ wurde.
Grünes Licht aus dem Denkmalschutzamt
Den Bau als Haltestelle ohne Busbucht könne das Denkmalschutzamt mittragen, so Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, auf Nachfrage der Eimsbütteler Nachrichten. Es seien entgegen der ursprünglichen Planung keine Parkflächen in Anspruch genommen worden, es mussten keine Bäume am Parkrand gefällt werden und man habe sich darauf geeinigt, dass an der Bushaltestelle keine Werbung angebracht wird.
Bauarbeiten vor dem Abschluss
Der erste Bus ist am 7. Dezember von der neuen Haltestelle abgefahren. Die nie genutzte Busbucht vor der roten Villa ist komplett zurückgebaut und der Fahrradweg ist wieder da. Zum Abschluss der Arbeiten werden laut LSBG drei neue Bäume gepflanzt.