Carolin Hümpel im Interview: „Verbote haben nie zu Innovation geführt“
Aus Eimsbüttel in den Bundestag – wofür stehen die Eimsbütteler Direktkandidaten? Carolin Hümpel von der FDP über Innovation, Flugtaxis in Eimsbüttel – und warum sie „Bullerbü-Romantik“ im Bezirk ablehnt.
Von Alana TongersEigentlich wollte sich Carolin Hümpel an der Alster zum Interview treffen. Doch das Wetter spielt nicht mit – stattdessen geht es ins Grand Elysée Hotel nahe des Bahnhof Dammtor. Hümpel bewirbt sich das erste Mal als Direktkandidatin, sie ist erst seit 2019 Mitglied der FDP.
Angst vor der Herausforderung hat sie keine – stattdessen möchte sie ihre Erfahrung aus der freien Wirtschaft mit in den Bundestag nehmen.
Eimsbütteler Nachrichten: Sie sind erst seit 2019 Mitglied der FDP. Warum habe Sie angefangen, sich politisch zu engagieren?
Carolin Hümpel: Ich war schon immer politisch interessiert und als Unternehmerin tätig. Als die AfD immer mehr Stimmen bekam, habe ich gedacht, jetzt muss ich mich von der Seitenlinie wegbewegen und mich persönlich engagieren.
Wie haben Sie den Weg zur FDP gefunden?
Mir sind liberale Werte wichtig, die Freiheit des Einzelnen, unsere Bürgerrechte, unsere Grundrechte. Wir haben in der Pandemie gemerkt, wie schnell sich das ändern kann und was das für jeden Einzelnen bedeutet.
Welche Lektionen sollten wir aus der Pandemie ziehen?
Dass wir als Bürger*innen nicht beweispflichtig sind, uns unsere Freiheiten und Grundrechte zugestehen. Sondern das umgekehrt der Staat die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe begründen muss. Wir haben das als FDP teilweise mitgetragen und das ist auch in Ordnung in einer Pandemie. Aber alle Maßnahmen müssen immer verhältnismäßig sein.
Was glauben Sie war rückblickend falsch – und welche Entscheidungen waren unumgänglich?
Falsch fand ich die Kommunikation mit den Bürgern. Erst waren Masken angeblich zwecklos – weil es keine Masken gab. Dann mussten wir auf einmal Masken tragen. Und ich fand die Impfstoffbeschaffung desaströs und die vielen Lockdowns gerade und auch insbesondere in Hamburg zu strikt und wenig nachvollziehbar: Kein Joggen an der Alster, Masken beim Spazierengehen – da waren viele Maßnahmen überzogen.
Sie heben hervor, dass Sie Quereinsteigerin sind und nicht zum politischen Establishment gehören. Was bringen Sie mit, das Berufspolitikerinnen und Berufspolitker nicht haben?
Ich habe auf viele Dinge einen unverstellten Blick, weil ich nicht seit 20, 30 Jahren im Politikbetrieb bin. Sondern ich habe über 30 Jahre mein Geld in der freien Wirtschaft selbst verdient. Ich habe immer viel gearbeitet und mit meinen Steuern zum Gemeinwohl beigetragen. Gerade in diesen ganzen Verteilungsdiskussionen, die wir führen, habe ich einen illusionslosen Blick auf die Dinge – weil ich der Meinung bin, dass Wohlstand auch weiterhin erstmal erwirtschaftet werden muss. Damit wir uns die Herausforderungen, vor denen wir unzweifelhaft stehen, auch leisten können. Das Geld muss ja irgendwo herkommen.
Carolin Hümpel: „In Eimsbüttel könnte man Platz für Flugtaxis machen“
Ich glaube nicht, dass das mit einer Steuererhöhung oder gar Vermögenssteuer geht. Das halte ich sogar für kontraproduktiv.
Was für Vorstellungen und Ideen haben Sie zum Thema soziale Gerechtigkeit?
Wir schlagen vor, einen Prozent vom Mehrwertsteuereinkommen in Bildung zu stecken. Das sind 2,25 Milliarden pro Jahr. Damit wollen wir alles fitter machen, was Menschen in die Selbständigkeit führt – von der Kita, über die Schulen bis hin zur Hochschule.
Wir schlagen auch vor, dass zum Beispiel die Hartz IV-Zuverdienstmöglichkeiten erweitert werden. Wir sind die einzige Partei, die anspricht, dass das Rentensystem nicht mehr tragfähig ist. Deswegen schlagen wir vor eine weitere Säule einzuziehen, wo im Laufe einer Berufsbiografie zwei Prozent von dem gezahlten Rentenbeitrag in einen staatlich gemanagten Aktionfond gegeben werden. Schweden und die Schweiz machen das schon seit 20 Jahren und sind erfolgreich damit.
Sie haben auch Klimaschutz angesprochen. Glauben Sie, dass Klimaschutz ohne Verbote funktioniert?
Auf jeden Fall. Davon bin ich fest überzeugt und meine Partei auch. Verbote haben in keinem Land dieser Welt zu Innovation geführt. Wir brauchen Erfindergeist, Firmengründungen und neue Ideen. Und eine technologieoffene Wirtschaftspolitik.
Wir wollen einen festen CO2-Deckel vorgeben, da haben wir strikte Vorstellungen. Und wir wollen den Zertifikate-Handel massiv ausbauen. Klimapolitik ohne Bürokratie und ohne grüne Planwirtschaft. Und ich persönlich bin davon überzeugt, weil ich eine Firma mit gegründet habe, in der wir an CO2-Capture forschen. Weltweit arbeiten tausende Firmen an ähnlichen Konzepten und es wäre wichtig, dass wir in diesem Land anfangen diese positiven Dinge und Entwicklungen zu erzählen, was alles passiert statt jeden Tag mit Panikmache und Apokalypse den Menschen die Hoffnung zu nehmen.
Was kann denn neben des Abbaus der Bürokratie getan werden, um Innovationen zu beschleunigen?
Eines meiner Anliegen für Eimsbüttel ist es, Forschung und Entwicklung zu fördern. Hier in Hamburg geben wir nur 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aus. Wir haben als Metropolregion viel zu wenig Großunternehmen und kein DAX-Unternehmen mehr. Wir sind fast schon abgehängt. Tatsächlich ist das eine dramatische Entwicklung, weil die Unternehmen, die man hier gerne ansiedeln würde, Fachkräfte brauchen.
Ein anderes großes Thema in Eimsbüttel ist Mobilität. Was können Sie sich für den Bezirk vorstellen?
Einmal ein modernisierter ÖPNV, der auch ein wirkliches Angebot für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Ich warte schon lange auf eine digitalisierte Verkehrsführung, wovon schon der ehemalige Verkehrssenator Westhagemann gesprochen hat. Ich persönlich bin Radfahrerin, ich bin auch Fußgängerin, ich fahre Auto und natürlich mit dem Bus. Mir gefällt nicht, dass die Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt werden.
Diese Konfrontation kocht ja jetzt in Eimsbüttel besonders schlimm und sehr ideologisch hoch. Die Autos und Busse stehen am Schlump im Stau und daneben zwei große Pop-Up-Bikelanes – und da fährt gar keiner. Das ist für mich an der Realität vorbei.
Heute zum Beispiel hat der Verkehrssenator Tjarks gesagt, er möchte die Taxiflotte auf Elektrofahrzeuge umstellen. Das finde ich überhaupt nicht modern. Da können wir uns Berlin und München angucken, da werden Flugtaxis erprobt! Ich finde, wir sind hier in Hamburg überhaupt nicht modern genug. Auch hier in Eimsbüttel könnte man Platz für Flugtaxis machen – wir denken einfach immer so klein.
Sie lehnen das Projekt “Superbüttel” ab. Können Sie zusammenfassen, warum?
Ich bin geborene Hamburgerin, für mich ist es eine weltoffenen Stadt. Und dieses Superbüttel, dieser Rückzug in die kleine Nachbarschaft, ins Dorf und diese Vorgabe, hier darf man jetzt kein Auto mehr fahren oder nur noch Tempo 10, das ist für mich – wir sprechen ja auch von “Bullerbü-Romantik” – das ist für mich nicht attraktiv.
Klar, wenn die Bürger dass jetzt ausprobieren möchten, dann wird dieser Versuch gemacht und ich bin gespannt, was dabei rauskommt. Aber ich warne davor, diese Ideen auf die Stadt auszuweiten, es quasi als Blaupause zu nehmen. Hamburg ist eben eine europäische Industrie- und Handelsmetropole. Und das soll sie auch bleiben.
Glauben Sie, dass das Auto eine Zukunft in der Stadt hat?
Ja, auf jeden Fall. Individuelle Mobilität ist ein Stück Freiheit. Jeder soll aussuchen, wie er sich fortbewegt in dieser Stadt. Und die Stadt ist dafür da, die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die FDP könnte bei dieser Wahl das Zünglein an der Waage werden. Wenn Sie auf die Koalitionsoptionen schauen – haben Sie eine Präferenz?
Ich teile die Meinung von Christian Lindner, dass wir große Schnittmengen mit der CDU haben. Wir sind sehr erstaunt, wie blass die CDU inhaltlich und personell aufgestellt ist nach den 16 Jahren Merkel. Das haben wir nicht für möglich gehalten. Ich würde eine Jamaika-Koalition bevorzugen.
Es kann natürlich sein, dass wir in die Verlegenheit kommen, eine Ampel verhandeln zu müssen. Und das wir am Ende im Finanzministerium das Schlimmste innnerhalb einer solchen Regierung – Stichwort Aufweichung der Schuldenbremse – verhindern müssen.
Wem trauen Sie das Kanzleramt am meisten zu?
Ich finde die drei Kandidaten alle nicht umwerfend (lacht). Olaf Scholz hat bundespolitische Erfahrung, er hat auch Hamburg geführt – keine Frage. Nichtsdestotrotz wünsche ich ihn mir nicht als Kanzler – Stichwort Cum-Ex und Wirecard. Armin Laschet führt Nordrhein Westfalen klug und vernünftig mit der FDP zusammen. Am Ende wäre mir Laschet lieber als Scholz.
Und Annalena Baerbock?
Frau Baerbock finde ich indiskutabel als Kanzlerin. Ich glaube, dass sie einfach zu wenig Erfahrung hat, um so eine große Industrienation zu führen.
Haben Sie nicht auch Sorge, dass Ihnen die politische Erfahrung für den Bundestag fehlt?
Ich habe eine gute Ausbildung genossen, spreche drei Sprachen, habe Unternehmen geführt, bin jetzt Aufsichtsrätin in einer Beteiligungsgesellschaft, habe ein Startup zu CO2-Capture gegründet. Ich bin hier in der Bezirksversammlung Vorsitzende des Universitätsausschuss. Ein Parlament sollte auch die Bevölkerung abbilden – da fehlen Unternehmer und da fehlen auch Frauen.
Vielen Dank für das Gespräch!